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MARVEL-BROKER/018: Fantastic Four - Der Film


"Jetzt geht's rund"


Endlich erobern "Die Fantastischen Vier", von den Fans liebevoll FV genannt, die Leinwand. In Deutschland würde so manch Uneingeweihter vorschnell einwenden, daß die Gruppe doch noch vor gar nicht so langer Zeit in der Musikszene erschienen ist. Musikszene? Während hierzulande die meisten eher eine Doku über die Helden der hiesigen HipHop-Band "Die Fantastischen Vier" erwarten, wird doch der geneigte Leser vom MARVEL-BROKER sofort wissen, um was es sich bei dem Actionfilm aus dem Hause Marvel handelt: Das Superheldengespann die "Fantastic Four", die in "Good Old Germany" seit vierzig Jahren ein Geheimtip der erklärten Comics-Fans sind - zu denen sich übrigens auch ein gewisser Thomas D. zählt. Damit es erst gar nicht zu Verwechselungen mit der Musikgruppe kommt, wird der Film wohl auch in hiesigen Lichttheatern unter dem Originaltitel angekündigt. In den USA stellt sich dieses Problem sowieso nicht, gehört doch das Marvel-Superheldenteam, das regelmäßig Top- Auflagen erzielt, ebenso zum dortigen Kulturgut wie in Deutschland beispielsweise der sehr frühe "Comic"-Zeichner Wilhelm Busch.

Nach den Kinoerfolgen um Spider-Man, den X-Men und Blade folgten weitere Superhelden auf der Leinwand - Erinnerungen an Hulk, Daredevil, Punisher und Elektra werden wach -, und so war es unerläßlich, daß die "Fantastic Four" aus der ersten Generation von Superhelden des legendären Marvel-Labels nicht länger zurückstehen durften. Die Erzählungen der FV gehören zu den interessantesten des Genres, tauchen doch bei den zahlreichen Feinden immer wieder intelligent entworfene Gegner auf - z.B. Galactus, Klaw, der Rote Geist, der Maulwurf, Diablo. Zu denen zählt ganz besonders und in vorderster Front der allzeit beliebte Finsterling, der teuflisch gute "Dr. Doom".

Auch die Weiterentwicklung der Beziehungen innerhalb des Teams, die zu so mancher grundlegenden Veränderung oder auch nur zusätzlicher Wendung führte - das Wechselspiel der unterschiedlichen Charaktere, welches damals wie heute die Faszination der gemeinsamen Aktionen ausmacht -, garantierte ihren Erfolg. Die FV als der Prototyp der Superheldenfamilie und damit auch Vorreiter in solch "wichtigen" Dingen wie die erste Superhelden-Hochzeit und der ersten Helden-Sprößling wurde zu einem Symbol für die amerikanische Lebensweise. Und doch standen die Fantastischen Vier durch die Probleme, die sich im Zuge ihrer Superkräfte ergaben, immer ein wenig am Rande der Gesellschaft ...



Aber Halt, Moment, Moment, eine Familie von Superhelden, die geächtet, außerhalb der Gesellschaft leben muß und deshalb Probleme mit ihren eigenen Kräften hat? Klingt das nicht verdammt nach dem Pixar-Kinoerfolg "Die Unglaublichen" von Regisseur Brad Bird? Stimmt genau, doch sind "Fantastic Four" das Original und keine Kopie, denn Kultautor Stan Lee schuf die Geschichten um das blau gewandete Superheldenquartett schon vor über vierzig Jahren. Mit seinen Stories - Brad Bird ist einer der Comicfans, der mit diesen Geschichten aufwuchs - begann im Jahre 1961 der Siegeszug der Marvel-Comics. (Wer mehr über die Entstehung erfahren will, sollte sich die sehr spannende Doku "Stan Lees Mutanten, Monster und Helden" auf DVD ansehen). Und so ist es auch nicht verwunderlich, daß der legendäre Comic-Autor von Mega-Erfolgen wie "Spider-Man", "Hulk" und "X-Men", die es alle zu Kino-Hits brachten, in dem aktuellen Streifen mit einem kurzen Gastauftritt als Postbote geehrt wurde.

Nun, knapp 44 Jahre nach der Gründung des modernen Marvel- Universums, kommt also die monumentale Verfilmung der "Fantastic Four" in die Kinos, und als Bonbon erscheint auch der Comic zeitgleich zum Film. (Siehe demnächst MARVEL-BROKER/019). In diesem erwartet die eingefleischten Comic-Fans so manche Überraschung, denn auch wenn der Comic die Matrix für den Kinostreifen bildet, so muß es doch bei der filmischen Umsetzung in dieser völlig anderen Kunstform Veränderungen geben. Filme können nur einen minimalen Ausschnitt aus den langjährigen Comic- Serien wiedergeben, und so stellt sich dann die Frage: Orientiert sich der Film an der Comic-Serie "klassische FV" oder eher an den neuen Reihe "Ultimative FV"? Oder ergibt sich eine Mischung aus beiden?

Auf jeden Fall ist der Film eine neue Schilderung der im Laufe der Zeit immer wieder modifizierten Entstehungsgeschichte, deren Grunderzählung stets dieselbe bleibt:

Für den brillanten Wissenschaftler Dr. Reed Richards bildet eine Forschungsmission im All den letzten Versuch, seine ehrgeizigen wissenschaftlichen Visionen mit experimentellen Erfolgen zu krönen. Um diesen Traum von einer Reise zu einer Weltraumstation doch noch realisieren zu können - die NASA hat kein Interesse an seinem Projekt -, wendet sich Reed an seinen alten Studienkollegen aus den gemeinsamen Tagen beim Massachusetts Institute of Technology (MIT), den Milliardär Victor von Doom, der dem Unterfangen zwar zustimmt und bereit ist, es zu finanzieren, aber nur unter seinen Bedingungen. Dabei nutzt er die Not des Bittstellers aus und verlangt 75% Prozent von allem, was die Mission einbringt. Reed willigt ein.

Das Forschungsteam, bestehend aus den beiden Freunden Dr. Richards als Forschungsleiter und dem bulligen Ben Grimm als zweiter Pilot sowie den drei Mitarbeitern von "Victor von Doom Industries" - als da sind Reeds Ex-Freundin, die Wissenschaftlerin Susan Storm, deren hitzköpfiger Bruder Johnny Storm als Hauptpilot und zu guter Letzt Victor von Doom, höchstpersönlicher Leiter des gesamten Projekts - fliegt mit einer Raumfähre zu der Station. Trotz ihrer Gefährlichkeit soll die Reise eine Routinemission für die fünf Astronauten werden, nach dem Motto "Reisen bildet und kann den Menschen enorm verändern" - aber derart gravierende Veränderungen hatten sie dann doch nicht erwartet!

Auf der Station heil angekommen, gerät die Mannschaft wie geplant in einen kosmischen Sturm, nur erwischt dieser die Crew völlig unvorbereitet und mit deaktivierten Schutzschilden. Der kosmische Sturm ist schneller und stärker, als Reed ihn berechnet hat. Ein folgenschwerer Fehler, denn die vier Raumfahrer werden verstrahlt und kommen völlig verändert von ihren Trip ins All zur Erde zurück. Nur Dr. Doom scheint es rechtzeitig hinter den Schutzschild geschafft zu haben.

Durch die molekulare Veränderung ihrer DNA-Struktur entwickeln die vier zwar begabten, aber ganz normalen Menschen plötzlich übermenschliche Fähigkeiten und werden zu einer Gruppe von Mutanten, die damit zurechtkommen muß, daß sie künftig über fantastische Superheldenkräfte verfügt und die sie, anders als spätere Helden wie Spider-Man, noch öffentlich und ohne Alter ego ausleben kann: Die "Fantastic Four" sind geboren.

Reed Richards alias "Mr. Fantastic" ist in der Lage, seinen Körper extrem zu dehnen. Da er als Kopf der Gruppe auch zuständig ist, seine Mitstreiter zusammenzuhalten, leistet ihm seine Elastizität ausgesprochen gute Dienste. Susan Storm als "Invisible Woman" ("die Unsichtbare") hat die Fähigkeit, wie der Name schon sagt, sich unsichtbar zu machen, und kann ihre Gabe nun jederzeit einsetzen. Die schöne Wissenschaftlerin kann zwar ihren Körper hinter einem Kraftschirm aus dem Sichtfeld verschwinden lassen, doch vermag sie nicht ihre Gefühle für ihren Ex-Freund Reed Richards zu verbergen. Jonny Storm wiederum war schon vor seiner Verwandlung ein Frauenschwarm und Hitzkopf, der gern mit dem Feuer spielte. Aber seine neuen Fähigkeiten, sich vollständig in Brand zu setzen und als "Human Torch" wie eine "menschliche Fackel" durch die Lüfte zu rasen, lassen ihn nun noch schneller entflammen.

Die Mutation von Ben Grimm, der in einem armen Viertel von New York aufwuchs und nur dank eines Football-Stipendiums studieren durfte, zum "Ding" ist allerdings am gewaltigsten. Aus ihm wird ein steinerner Kraftprotz, ein Koloß mit orangefarbener Haut und Ziegelsteinmuster, "The Thing", das Autos wie Spielzeuge durch die Gegend wirft. Nach seiner Verwandlung würde sich wohl jedes Footballteam die Finger nach ihm lecken.

Aber auch Victor von Doom blieb von der kosmischen Strahlung nicht verschont. Er verändert sich zunehmend und macht den Vieren das Leben schwer, als er erkennt, daß Susan wieder zu Reed zurückgekehrt ist. Dr. Doom versucht, seine Kräfte zu vermehren, um dann Macht über die ganze Welt zu erlangen. Nur die "Fantastic Four" können ihn noch stoppen, und dafür brauchen sie ihre vereinten Kräfte.

Die Rollenbesetzung des Films ist mit Bedacht gewählt, wobei es eine bewußte Entscheidung des Studios 20th Century Fox war, auf Hollywoodgrößen vom Kaliber Superstar zu verzichten. Comicverfilmungen haben ihre eigenen Regeln und sind nur bedingt auf große Namen angewiesen, wie man es beispielsweise schon zuvor bei den X-Men gesehen hat. In "Fantastic Four" werden die Helden "lediglich" von bekannten Schauspielern aus Film und Fernsehen verkörpert, wobei die Casting-Crew ein glückliches Händchen gehabt hatte: Die Fantastischen Vier erwachen zum Leben, und es macht Spaß, die kleinen und großen zwischenmenschlichen Katastrophen, wie auch Liebenswürdigkeiten, aus dem Comic auf die Leinwand gebannt zu sehen.

In die elastische Haut von Dr. Reed Richards schlüpft Ioan Gruffudd, der den im Comic eher farblosen Charakter erst eine menschliche Gestalt verleiht, ohne auf seine wissenschaftliche Brillanz zu verzichten. Bekannt aus der TV-Serie "Dark Angel" scheint Jessica Alba zur Zeit auf Comic-Verfilmung geradezu abonniert zu sein: Sie ist die Idealbesetzung für die an ein etwas moderneres Frauenbild angepaßte "Invisible Woman" - und zur Freude des männlichen Publikums die wenigste Zeit unsichtbar. Ab dem 11.08.2005 ist Jessica in der Comic-Verfilmung "Sin City" von Robert Rodriguez erneut in deutschen Kinos zu sehen.

Was Jessica Alba für die männlichen Zuschauer ist, dürfte Chris Evans für die weiblichen Fans sein. Zum einen ist er zwar ein eitler Fatzke, zum andern kann er sich aber gleichermaßen charmant in Szene setzen und wird als "Human Torch" so manchen Kinobesucher entflammen. Ben Grimm wird von dem bulligen Michael Chiklis gespielt, bekannt aus der Serie "The Shield", und muß als "The Thing" einen 30 kg schweren Latexanzug tragen, was ihm eine körperliche Höchstleistung während des Drehs abverlangte.

Julian McMahon wird die Fans in Gestalt des bösen Finsterlings Victor von Doom erfreuen. McMahon, der schon in der erfolgreichen TV-Serie "Charmed" als Dämon Balthazar das Teuflische verkörperte, hat natürlich dadurch schon viele Hürden auf dem Weg zur Meisterschaft in Sachen "Bösewicht mit Herz und Verstand" genommen - eine Seele hat das Böse ja bekanntlich immer zur Hand. Die Maske, die Dr. Doom zum Schluß trägt, wird den einen oder anderen vielleicht an die Gesichtsbedeckung von Darth Vader oder Hannibal Lector oder einen kruden Mix von beiden erinnern, doch auch hier stand die Comic-Maske Pate für alle nachfolgenden Modelle und erweist sich durch den Nachahmungseffekt immer noch topaktuell und prägend.

Prägend waren auch die Marvel-Geschichten für den deutschen Filmproduzenten und bekennenden Comic-Fan Bernd Eichinger, der sich durch Literaturverfilmungen wie "Der Name der Rose" und das Führerbunkerdrama "Der Untergang" einen Namen gemacht und den Film mitproduziert hat - zusammen mit dem zweifachen "Harry Potter"-Regisseur Chris Columbus. Im Jahre 1986, also vor fast zwanzig Jahren, hatte sich Eichinger die Filmrechte an den "Fantastic Four" gesichert. Drei Jahre zuvor gab es ein Treffen mit Stan Lee, doch zu dem Zeitpunkt waren die Rechte noch nicht frei.

Eichinger scheute bei der Durchsetzung seiner Pläne auch keine außergewöhnlichen Entscheidungen. Die damalige Marvel- Geschäftsführung besaß das Recht, vom Vertrag zurückzutreten, wäre der Drehbeginn des Films nicht bis zu einem bestimmten Zeitpunkt erfolgt. Damit die Rechte nicht wieder zurück an Marvel gingen, drehte Eichinger bereits vor zehn Jahren zusammmen mit dem berüchtigten Low-Budget-Produzenten Roger Corman und einem Minimalbudget eine Billigversion über die FV, die nie im Kino gelaufen ist, sondern gleich im Archiv versteckt wurde. Der heutige Marvel-Chef Avi Arad fand diese Aktion im wahrsten Sinne fantastisch, und da Marvel weiterhin Interesse an einem großen Film besaß, erstatteten sie die Herstellungskosten des Low-Budget- Films - angesichts der aktuellen Produktionskosten von geschätzten 100 Millionen Dollar sowieso nur Peanuts. Im Gegenzug wurde das B-Movie nicht veröffentlicht. Seit kurzem kursiert es jedoch illegal im Netz und soll einen regen Zuspruch finden.

Der Regisseur Tim Story, der seine Karriere als Rapper startete, führt seine Figuren behutsam in die Geschichte ein, natürlich mit einer modernisierten, von der ursprünglichen Comic-Vorlage abweichenden Version. Der Schwerpunkt liegt nicht auf besonders tiefgreifenden und -sinnigen Dialogen, sondern zielt eher auf leichte und fließende Redewendungen, oberflächlich, klischeehaft, aber sehr menschlich. Er bleibt also auf dem vertrauten Boden von Beziehungsproblemen und der Sehnsucht nach Liebe und Geborgenheit. Der Film wird dem Comic "Fantastic Four" absolut gerecht, in dem ja als Symbol die amerikanische Lebensweise vertreten wird, deren höchstes Gut die Familie ist.

Die mitreißende Verfilmung wird tricktechnisch sehr gut umgesetzt, die Special Effects sind eine optimale Kombination aus moderner High-Tech-Action und klassischen Modellen. "Fantastic Four" ist DER Kino- und Comic-Tip dieses Sommers für kurzweilige, actiongeladene Popcorn-Unterhaltung, an der selbst jene Zuschauer ihre Freude haben werden, die mit der Comic-Serie nicht vertraut sind.

Euer Marvel-Broker


O: Fantastic Four; USA 2005; R: Tim Story D: Ioan Gruffudd,
Jessica Alba, Chris Evans, Michael Chiklis, Julian McMahon;
108 Min.