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LITERATUR/057: "Intensivkurs Manga zeichnen - Anime Mania"


Christopher Hart


Intensivkurs Manga zeichnen - Anime Mania

Action und Charaktere im Stil japanischer Zeichentrickfilme



In diesem Buch gehe es nicht um die Animation im engeren Sinne, sondern um das Entwerfen und Gestalten der Personen und anderen Figuren, erklärt Christopher Hart in seinem Vorwort. Wer an einer Trickfilm-Produktion mitarbeitet, müsse wissen, wie man Charaktere gestaltet, fährt er fort und verspricht dem Leser, daß man mit seinem Buch Schritt für Schritt lernen könne, wirklich coole Anime der verschiedensten Stile zu zeichnen. Wie schon "Shojo - Mädchen-Mangas zeichnen und malen" (siehe LITERATUR/056) hat auch dieses Werk also nicht den Anspruch, Techniken und Fertigkeiten zum Zeichnen eines kompletten Comics zu vermitteln, sondern beschränkt sich auf Figuren und Einzelbilder. Hierfür greift Hart, Verfasser zahlreicher Comic-Zeichenlehrbücher zu verschiedenen Themen, auf eine ebenso bekannte wie bewährte Methode zurück und entwickelt seine Figuren anhand von in einfachen geometrischen Formen konstruierten Gliederpuppen, die in verschiedenen Arbeitsschritten weiter ausgestaltet und verfeinert werden.

Die Konstruktion einer solchen Grundfigur erklärt Christopher Hart anhand eines sogenannten "High-Tech-Punks", einer Figur, die, wie er erklärt, deshalb am Anfang seines Buches steht, weil sie nicht nur im Anime eine große Rolle spielt, sondern vor allem auch, weil sie der menschlichen Anatomie stark ähnelt. Deshalb, so Hart, sei ihr Aufbau leichter zu lernen, als der von Gestalten mit stark übertriebenen Merkmalen oder Proportionen. Vorher gibt er noch einige nützliche Tips zum, wie er es nennt, "Casting", dem Definieren der Charaktere, das vor dem eigentlichen Zeichnen stattfindet.

Nach einer anschaulichen und mit zahlreichen Beispielen illustrierten Lektion im Konstruieren konventioneller Figuren geht es über in den fantastischen Bereich. Grausige Bestien, gemeine Goblins, freundliche Critters, Drachen, Elfen, Fantasiekrieger oder Lieblingsmonster, sie alle wollen erdacht und überzeugend zu Papier gebracht werden. Dann geht es Schlag auf Schlag weiter: Wichtigen Themen, etwa, was man beim Entwickeln einer kompletten Szenerie beachten muß oder dem wirkungsvollen Einsatz von Perspektive, werden jeweils nur wenige Seiten gewidmet, auf denen aber immerhin die wichtigsten graphischen Grundregeln erläutert werden. Einen relativ großen Abschnitt widmet Hart hingegen der "Mecha-Manie", dem "vielleicht coolsten Teil der Anime-Filme", wie er meint. Und da er seinen Lesern schließlich versprochen hat, coole Mangas zeichnen zu lernen, inszeniert er in aller Breite "Mecha im Weltraum", "Mecha- Stile", "Mecha-Mechanik", "Tolle Transformationen", "Krieg im Weltraum", "Superschnelle U-Boote", "Kampfhubschauber", "Autos des nächsten Jahrhunderts", "Kampftruppen" usw. Auch den "Special Effects" widmet er ein eigenes Kapitel, denn je fürchterlicher die Explosion, desto geplanter muß sie am Zeichentisch verlaufen, sonst verwechselt der Leser die Atombombe womöglich mit einem Rauchwölkchen - und das wäre aus Zeichnersicht wirklich eine Katastrophe.

Etwas mehr in die Tiefe geht das Kapitel "Charaktere", in dem der Autor insbesondere auf das Erstellen von Bleistiftskizzen und ihren Wert eingeht. "Das erste Stadium der Figurengestaltung, wenn der Charakter nur vage in der Fantasie des Zeichners existiert, ist eine spannende Phase des Entwicklungsprozesses. Sie bietet unendlich viele Möglichkeiten", so Christopher Hart. Und er rät seinen Lesern:

Wer in dieser frühen Phase schon feste Regeln anwendet, stutzt seiner Phantasie die Flügel. Mache Fehler. Übermale sie. Mache neue Fehler. Übermale auch diese. Irgendwo in dem chaotischen Liniengewirr taucht plötzlich der Schatz auf, nach dem du suchst.

Nurmehr knapp angerissen werden zum Abschluß noch "Storyboard" und "Hintergründe". Am Ende läßt Christopher Hart zwei Anime- Regisseure zu Wort kommen und wirft einen kurzen Blick in ein Animationsstudio. Wohl eher ein Gag sind hingegen die Tips, "was ein europäischer Anime-Zeichner in Japan wissen sollte", denn die höchstwahrscheinlich jugendliche Leserschaft dieses Buches muß bestimmt noch einige Jahre die Schulbank drücken, bevor sich der eine oder andere als Animezeichner auf den Weg nach Japan machen kann. Und selbst wenn er dann tatsächlich in die Situation kommen sollte, sich in Japan um eine Arbeitsstelle zu bewerben, wird ihm die vorsorglich von Hart ins Japanische übersetzte Frage nach Gehalt und Sondervergünstigungen auch nichts nutzen, solange er die Antwort nicht versteht.

Trotz gewisser Oberflächlichkeiten ein empfehlenswertes Buch.


Christopher Hart
Intensivkurs Manga zeichnen - Anime Mania
Knaur Verlag 2005
144 Seiten, farbig, strapazierfähiger Softcover-Einband,
21,5 x 28 cm, 12,90 Euro
ISBN 3-426-64190-8