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ANTIQUARIAT/036: "Doktor Dodo schreibt ein Buch" von Ole Könnecke (SB)


Ole Könnecke


Doktor Dodo schreibt ein Buch



"Ich langweile mich. Ich langweile mich furchtbar. Was tun? Ich hab's! Ich schreibe ein Buch! Ha!" Gesagt, getan - mit den Worten "Gegen Langeweile gibt es nichts besseres als ein gutes Buch", eilt Doktor Dodo an seinen Schreibtisch. Tatendurstig hebt er die Arme, um die Schreibmaschine zu attackieren. "Erstes Kapitel: Der Held der Geschichte gerät in eine unglaubliche Situation." Doktor Dodo hält inne. "Ich brauche natürlich einen erstklassigen Helden - schließlich hat die Leserschaft Anspruch auf eine Identifikationsfigur ..." Vor seinem geistigen Auge entsteht eine Gestalt, die - wie war das mit der Identifikationsfigur? - ihrem geistigen Vater frappierend ähnelt.

Und so lernt der Leser den Gentlemanabenteurer Dod Osbourne kennen, "der soeben von einer ereignisreichen Polarexpedition heimkehrte." Gerade will er sich nach überstandenen Abenteuern gemütlich in seinen Sessel setzen, da ... - hier stutzt Doktor Dodo - "Was soll das eigentlich werden? Kaminfeuer! Erfrischungsgetränk! Die reinste Idylle! Wenn jetzt nichts passiert, laufen mir die Leser weg! - Ein Verbrechen! Ich lasse einfach ein Verbrechen geschehen!"

Und so ist der Gentlemanabenteurer also, ehe er sich versieht, schon wieder in Aktion. Es gilt den dreisten Dieb aufzuspüren, der seinen Lieblingssessel entwendet hat. Glücklicherweise gibt es eindeutige Spuren, denen Dod Osbourne sogleich folgt, bis ... "... mit einem Mal war die Spur verschwunden, der Dieb schien sich in Luft aufgelöst zu haben." - "Armer Kerl", sinniert Doktor Dodo, "ich mag gar nicht daran denken, was gleich passiert ..."


*


Ständig zwischen den Ebenen des Schaffensprozesses zum einen und dem Geschehen im entstehenden Werk zum anderen wechselnd, nimmt der Leser daran teil, wie Doktor Dodos Buch entsteht. Daß es sich dabei nicht gerade um ein Meisterwerk der Weltliteratur handelt, macht die Sache um so komischer. Dod Osbourne gerät von einer absurden Situation in die nächste und Doktor Dodo hat jedes Mal alle Hände voll zu tun, ihn aus der Klemme, in die er ihn gerade hineinbefördert hat, wieder herauszumanövrieren.

Da der Wechsel der Erzählebenen deutlich zu erkennen ist - der an seinem Schreibtisch sitzende Doktor Dodo agiert stets vor einem tiefschwarzen Hintergrund, die "Actionszenen" mit Dod Osbourne hingegen sind daran zu erkennen, daß im oberen Drittel des Bildes die entsprechende Stelle des maschinegeschriebenen "Manuskripts" von Doktor Dodo zu lesen ist, während der untere Teil das Geschehen illustriert - können jüngere Leser den Comic leicht verstehen und sich an der haarsträubenden Geschichte erfreuen, in die Dod Osbourne gerät. Aber auch Erwachsene haben ihren Spaß: nicht nur an der auf die Spitze getriebenen Verballhornung literarischer Erzählstrategien, die Doktor Dodo an entsprechender Stelle zitiert, sondern auch an der Situationskomik ganz allgemein. So etwa in der folgenden Passage, in der Doktor Dodo sich im Automatischen Schreiben versucht, nachdem ihm seine bisherigen Bemühungen zu banal und vorhersehbar erscheinen:

"'Nur zu', entgegnete der Schurke. 'Aber meine Antwort kennen Sie ja bereits." lautet der Text im Manuskript. "Besonders abgründig ist das aber nicht gerade. Ist das alles, was mein Unterbewußtsein zu bieten hat?", fragt sich Doktor Dodo und schreibt weiter: "Was der Schurke nicht ahnte: Auch unser Held war bewaffnet. 'Osbourne, Sie überraschen mich immer wieder." Damit ist er jedoch noch nicht zufrieden: "Furchtbar! Ich erschrecke vor mir selbst. Also los: Absolute Entspannung und dann etwas wildes und unkontrolliertes zu Papier bringen." - "'Und das ist immerhin mehr, als man von gewissen Autoren behaupten kann', entgegnete Dod Osbourne schlagfertig.", steht da nun, illustriert von den beiden hämisch grinsenden Protagonisten, auf dem Papier. "So? Man macht sich über mich lustig? Ich kann auch anders", ereifert sich Doktor Dodo, als er das eben Geschriebene liest und gibt dem Geschehen eine abrupte Wendung: "Und dann fiel das Raumschiff auf den Viermaster. Es gab eine gewaltige Explosion! BUMM!! BUMM!!! ..."

Das sehr empfehlenswerte Album "Doktor Dodo schreibt ein Buch" ist der erste Comic des bekannten Kinderbuchillustrators und -autoren Ole Könnecke, der für diese Geschichte eine seiner älteren Figuren zu neuem Leben erweckt hat. Sein Doktor Dodo erinnert nicht nur wegen seines Namens an die vor Jahrhunderten ausgerottete flugunfähige Riesentaube Dronte (auch Dodo genannt), die als über truthahngroß, plump und kurzbeinig beschrieben wird.

Der 1961 in Göttingen geborene Ole Könnecke verbrachte seine Kindheit in Schweden. Während seines Germanistik-Studiums begann er mit dem Zeichnen.

3. April 2007


Doktor Dodo schreibt ein Buch
von Ole Könnecke
Carlsen Verlag, Hamburg, November 2001
32 S., Hardcover, farbig, DM 24,90
ISBN 3-551-75641-4