Schattenblick →INFOPOOL →BILDUNG UND KULTUR → COMIC

FESTIVAL/238: Fumetto · Internationales Comix-Festival Luzern 2012 - Raymond Pettibon (Fumetto)


Fumetto - Internationales Comix-Festival Luzern, Medienmappe vom 9.3.2012

FUMETTO | INTERNATIONALES COMIX-FESTIVAL LUZERN

Raymond Pettibon (US)
Ausstellung im Kunstmuseum Luzern


Die Ausstellung Whuytuyp(1) präsentiert Raymond Pettibons aktuelle Schaffensperiode von 2006 - 2011. Diese fünf Jahre lassen zum ersten Mal eine umfassende Einordnung und Untersuchung seiner neuen Arbeiten zu. Ab 2001 ist eine deutliche stilistische und inhaltliche Zäsur in seinem Werk erkennbar, die ca. 2006 eine ausgereifte Form angenommen hat. Die Ausstellung verdeutlicht die sich gegenseitig bedingenden Veränderungen. Pettibon begann seinen Strich durch den Einsatz breiterer Pinsel zu befreien. Die Lust an der Geste und die zunehmende Expressivität zeigen sich auch im Einsatz von kräftigen Farben. Diese Entwicklung fand gleichzeitig mit einer inhaltlichen Verschiebung hin zu übergeordneten Themen statt. Die Aussagen in seinen Werken wurden philosophischer und begannen sich vermehrt aus der Vogelschau mit allgemeinen Topoi der Sozial- und Gesellschaftskritik zu befassen.

Raymond Pettibons Arbeiten erfassen die westliche Gesellschaft in ihrem diskursiven Wesen. Die Faszination seiner Werke geht von der "Vielstimmigkeit" und den Brüchen aus, die seiner Sicht des Individuums und der Welt geschuldet sind. Seit ca. 2008 deutet die komplexe Anwendung der Technik der Collage direkt auf Pettibons Verständnis einer fragmentierten Gesellschaft, die aus inkohärenten Teilen besteht.

Pettibon hält - ähnlich einem Historiker - mit künstlerischen Mitteln fest, was vor seinen Augen passiert. Er bezeichnet diese Tätigkeit als "Zeugnis ablegen". Er setzt seine "Zeugnisse" unkommentiert nebeneinander und intuitiv in Bezug zur Kulturgeschichte. Seine einzigartige Symbiose von Text und Bild ist dabei nur ein Mittel die Gleichzeitigkeit mehrerer Wahrnehmungsebenen darzustellen und diverse Konnotationsebenen zu vermischen.

Pettibons künstlerische Praxis ist aber im Gegensatz zu jener der Historiker weder linear oder kontinuierlich, noch steht sie im Dienste einer Teleologie. Die Diskontinuität in Inhalt und Form macht jedoch Zusammenhänge und Funktionsweisen evident, die in keiner Geschichtsschreibung je Form annehmen könnten. Vor allem wenn viele seiner Arbeiten nebeneinander zu sehen sind, werden die Dichte des Gesamtbildes und die Prägnanz der Einzelarbeiten augenfällig. Pettibon vermag diskursive Zwänge durch seine Kunst aufzubrechen. Das nutzt er aus, um ausgegrenzte, verdrängte und tabuisierte Aspekte der Gesellschaft freizusetzen.

Dadurch wird dem Betrachter die inkohärente Vielschichtigkeit der Gesellschaft in seiner verstörenden Wucht vergegenwärtigt. Dank dem diskontinuierlichen Wesen und den aphoristischen Qualitäten äussern sich die Arbeiten in unterschiedlichen Zusammenstellungen immer wieder anders zum Wesen der Gesellschaft. Konstant bleibt einzig ihr lyrischer Grundton. Die Ausstellung Whyutuyp zeigt, dass dies exemplarisch in seinem jüngsten Arbeitszyklus hervortritt. Sie offeriert Wege über die diskursive Natur des Werkes von Raymond Pettibon nachzudenken und über "alles was es da Gewalttätiges, Plötzliches, Kämpferisches, Ordnungsloses und Gefährliches gibt, über jenes grosse unaufhörliche und ordnungslose Rauschen des Diskurses".(2)


Biografie

Raymond Pettibon wurde 1957 in Tucson, Arizona geboren. Er hat 1977 seinen Bachelor-Abschluss in Ökonomie an der University of California, Los Angeles, gemacht. Raymond Pettibon lebt und arbeitet in New York. Er hat mit seiner Partnerin, der Künstlerin Aida Ruilova, einen Sohn. Seine Arbeiten wurden international in zahlreichen Ausstellungen gezeigt. Einzelausstellungen hatte er beispielsweise in der Kestnergesellschaft, Hannover (2007); Kunsthalle Wien; Centro de Arte Contemporáneo de Málaga, Spanien (beide 2006); und im Whitney Museum of American Art, New York (2005). Folgende permanenten Museumssammlungen haben seine Werke aufgenommen: Centre Georges Pompidou, Paris; Hamburger Bahnhof - Museum für Gegenwart, Berlin; The Israel Museum, Jerusalem; San Francisco Museum of Modern Art; Tate Gallery, London; Whitney Museum of American Art, New York; etc.


Events am Festival

Vernissage im Kunstmuseum Luzern:
Sa. 24. März, 11.00 Uhr

Künstlergespräch im Kunstmuseum Luzern:
Sa. 24. März, 12.00 Uhr

Filmvorführung im Kino Bourbaki:
So. 25. März, 20.30 Uhr


(1) steht umgangssprachlich für: "what's up" oder "hello". Ist auch eine Referenz an den Satz "what is up on the wall"

(2) Michel Foucault: Die Ordnung des Diskurses, S. 33 (Frankfurt a. M., 2010, Fischer Taschenbuch)


*


Quelle:
Medienmappe vom 9.3.2012
Herausgeber:
Fumetto - Internationales Comix-Festival Luzern
Rössligasse 12, Postfach 5163, CH-6000 Luzern 5
Telefon: +41 41 412 11 22
Telefax: +41 41 412 11 23
Internet: http://www.fumetto.ch
E-Mail: comix@fumetto.ch


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. März 2012