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FUNDGRUBE/104: Wie der Begriff "9. Kunst" entstand und anderes (SB)


Vermischte Fundstücke und Kuriositäten aus der Welt der Comics


Wie der Begriff "9. Kunst" entstand ...

Bestimmt hat sich so mancher schon einmal gefragt, wer denn eigentlich den Begriff "9. Kunst", der oftmals als Bezeichnung für Comics Verwendung findet, geprägt hat und was er bedeuten soll.

Der Erfinder dieses Ausdrucks, der in Anlehnung an die sogenannten "Schönen Künste" entstand, ist der im Jahr 2001 verstorbene Comiczeichner Maurice de Bévère, besser bekannt unter dem Namen Morris, mit dem seine Lucky Luke-Geschichten signierte. Er soll einmal gesagt haben: "Das Kino ist die siebte Kunst. Nehmen wir an, das Fernsehen ist die achte, dann beanspruchen wir schnell für die Comics die nächste Nummer, ehe eine andere Kunst diesen Platz einnimmt."

Genau genommen hätte Morris Comics allerdings als "12. Kunst" proklamieren müssen, denn neun Musen, von denen jede einen Kunstzweig vertritt, gibt es bereits von Alters her: Erato steht für die Liebesdichtung, Euterpe für die Lyrik, Kalliope vertritt die erzählende Dichtung, Klio die Geschichtsschreibung, Melpomene herrscht im Reich der Tragödie, Polyhymnia beim Gesang, Terpsichore steht für den Tanz, Thalia inspiriert die Komödie und Urania schließlich die Sternkunde.

Doch Morris Anliegen, die Comics aufzuwerten und ihnen einen angemessenen Platz innerhalb der verschiedenen Ausdrucksmöglichkeiten kreativen Schaffens zu geben, ist ihm mit dieser originellen und dem Geist der Comics, wenn man es einmal mal so nennen will, entsprechenden, erfrischend respektlosen Wortschöpfung vollauf gelungen.


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Warum schon Goethe Comic-Fan war ...

Eigentlich gelten sie als Comic-Vorläufer, doch im Grunde ähneln die "histoires en images" ("Geschichten in Bildern") von Rodolphe Toepffer (1799-1846) mehr den modernen Comics als die erste "offizielle" Comic-Serie "Yellow Kid". Denn während diese aus einem einzelnen, mit Textinschriften versehenen Bild bestand, waren Toepffers Geschichten "richtige" fortgesetzte Bildgeschichten. Das einzige, was ihnen fehlte, waren die Sprechblasen, doch die gibt es auch bei so mancher späteren Comic-Serie (z.B. "Prinz Eisenherz") bei der kein Zweifel an ihrer Genre-Zugehörigkeit besteht, nicht.

Man kann also sagen, daß die Geschichten von Rodolphe Toepffer Comics waren. Zweifelsohne war sich der Illustrator und Karikaturist bewußt, daß er mit seiner Kombination aus Schrift und Bild einer sehr entwicklungsfähigen Ausdrucksform auf der Spur war. In seinem "Essay de Physiognomie" schrieb er: "Literatur in Bildern zu machen ... bedeutet vielmehr die totale Erfindung einer Handlung für die einzelnen gezeichneten Teile, die aneinandergereiht ein Ganzes ergeben".

Zu Toepffers ersten Verehrern gehörte unter anderem Johann Wolfgang von Goethe. Als der 80jährige die Bildgeschichten von Rodolphe Toepffer kennenlernte, schrieb er an ihn: "Es ist unglaublich, wie Sie mit so wenigen Figuren so viele Situationen erfinden ..."

Goethe kam zu dem Schluß, daß eines der wenigen Dinge, die die moderne Kultur zur Einheit führen könnten, diese Art der Bilderzählung sein könnte ...


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Popeyes Vorliebe für Spinat und ihre Auswirkungen ...

Auf der Suche nach einer Begründung für die übermenschliche Stärke seines rauflustigen Seemanns kam der Popeye-Zeichner Elzie Crisler Segar auf ebenso simple wie einleuchtende Lösung: Spinat! Das grüne Blattgemüse bot sich deshalb an, weil damals, gegen Ende der 20er Jahre, seine Vorzüge von den Ärzten allerorten gepriesen wurden, so daß jedem klar war, daß Spinat, der Eisen und vielerlei andere gesunde Bestandteile enthielt, genau das richtige war, um Muskelschmalz und eine eiserne Konstitution zu entwickeln.

Was Ärzten und Gesundheitsaposteln nicht so recht gelang, schaffte ein rauflustiger Seemann: Der Spinatkonsum der Amerikaner steigerte sich in der Zeit von 1931 bis 1936 um 33 Prozent! Manche Kinder verstiegen sich sogar soweit in der Bewunderung für ihren Helden Popeye, daß sie nichts anderes mehr essen wollten. Verschiedentlich forderten daher besorgte Mütter den Zeichner auf, Popeye sagen zu lassen, daß es auch noch andere Lebensmittel gibt, die man essen sollte.


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Wenn Patentbeamte Comics lesen ...

Wie realistisch Comics sein können, zeigt die Geschichte des dänischen Erfinders Karl Kroyer. Dieser barg ein vor der Küste von Kuwait gesunkenes Schiff, indem er Polystyrolschaum in das Schiffsinnere pumpen ließ. Mit dieser Methode benötigte die Bergungsmannschaft nur etwa ein Zehntel der normalerweise angesetzten Zeit.

Als sich Kroyer nun sein neues Verfahren patentieren lassen wollte, wurde ihm das Patent mit der Begründung verweigert, daß diese Technik bereits gedruckt beschrieben war. So etwas kommt zwar immer wieder vor, hier wurde jedoch ein für die ernsthafte Wissenschaft recht ungewöhnlicher Beleg zitiert - ein Comic-Heft! Besagter Nachweis wurde von dem Patentbeamten in "Walt Disney's Comics and Stories" Nr. 104 gefunden, in der Carl Barks in einer seiner Geschichten beschreibt, wie Donald und seine Neffen ein Schiff mit Hilfe von Tischtennisbällen heben.

Das Patent würde demnach Donald Duck beziehungsweise seinem Erfinder Carl Barks gebühren. Da soll nochmal einer an der Ernsthaftigkeit von Comics zweifeln ...

2. August 2007