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NEUERSCHEINUNG/543: 03/07 · Simpsons Comics Sonderband 16 (SB)


Ian Boothby, Chuck Dixon, John Costanza, Nathan Kane, Bill Morrison, Phil Ortiz und andere


Simpsons Comics Sonderband 16

"Superschräger Strandspaß"



Wenn auch das hochsommerliche Titelbild des neuesten, mittlerweile 16., Simpsons-Sonderbandes der derzeitigen Jahreszeit nicht angemessen ist - das Lesevergnügen wird dadurch nicht getrübt. Zwölf längere Geschichten aus den Simpsons Comics 74, 75, 76, 77, 78 und 80 sind in dem 172seitigen Softcoveralbum zusammengefaßt, unter anderem die abgedrehte Story "Flucht in den Ruhestand":

SCHMETTER! KLIMPEL! KLIRR! KA-SCHEPPER! "Das ist das jüngste Gericht! Lauft um euer Leben!" - Wie sich zeigt, trifft die Befürchtung des Geistlichen nicht ein. Es waren lediglich Bart und Milhouse, die sich ausgerechnet den Platz vor der Kirche zum Cricket-Üben ausgesucht hatten - mit einem Superflummi! Was passiert ist, kann man sich denken: Sämtliche Kirchenfenster wurden zerstört, wofür Homer eine Rechnung in Höhe von 2000 Dollar präsentiert bekommt. Nun heißt es bei den Simpsons, den Gürtel enger schnallen, was für jedes Familienmitglied Einschränkungen bedeutet. Kein Wunder also, daß alle sauer auf Bart sind, dem die ganze Sache denn auch ziemlich peinlich ist. Als er zufällig einen alten Seebären trifft, der ihm einen abgerichteten Falken schenkt, hofft er, daß sein Fauxpas ob der Aufregung über seinen Neuerwerb in Vergessenheit gerät. Der Vogel erweist sich jedoch bald als rechte Plage, denn das Tier ist überaus anspruchsvoll und verlangt nachdrücklich nach intensivster Betreuung.

Unterdessen hört Homer von einer neuen Ruhestandsregelung im Betrieb. Wer über 40 ist, kann seinen Lebensabend kostenlos auf einer einsamen hawaiianischen Insel verbringen. Kurzerhand fälscht er seinen Ausweis, um nur ja mit dabeizusein, was ihm denn auch gelingt. Der fiese Mr. Burns hat natürlich alles andere im Sinn, als es seinen Angestellten auf seine Kosten gutgehen zu lassen und so wundert es den Leser nicht, daß die Insel sich als schwimmender Abfallhaufen entpuppt, der, sofern er bewohnt ist, dem skrupellosen Atom-Unternehmer steuerliche Vorteile verschafft.

Was tun? Lisa ist es, die auf die geniale Idee kommt, dem daheimgebliebenen Falken durch Barts Pager eine Nachricht zukommen zu lassen. Die Rettung verläuft zwar anders als geplant, aber am Ende sind die Simpsons glücklich wieder daheim. Der Falke bringt nämlich einen Riesenschwarm Möwen mit, die kurzerhand die gesamte Insel verspeisen. Die Küstenwache bringt die nunmehr schiffbrüchig gewordenen in Sicherheit. Am Ende geht sogar noch alles gut aus, als der Blick von Mr. Burns, der den nach Springfield zurückgekehrten Insulanern ob seiner verlorenen Steuererleichterungen gerade eine tüchtige Standpauke erteilt, auf den Falken fällt. "Er erinnert mich an mich selbst", schwärmt er und adoptiert das anspruchsvolle Tier auf der Stelle, dabei Lisas und Barts Bedingungen, "Job zurück und 2000 Dollar" leichthin akzeptierend ...

Ein weiteres Beispiel simpsonesker Erzählkunst ist die ebenfalls sehr turbulente Geschichte "Der Tag der Nerds":

"Denkt daran, Kinder: Ihr dürft niemals mit Fremden sprechen! Es sei denn, ihr verkauft die Schokolade der Springfielder Grundschule." - Wie so oft, fängt auch diese Geschichte relativ harmlos an. Entnervt lauschen die Schüler der Springfielder Grundschule dem Vortrag ihres Rektors. "Und vergeßt nicht, Kinder, ihr müßt so viel verkaufen, wie ihr könnt, um Spenden für die Schule zu sammeln", gibt er ihnen noch mit auf den Weg. Auf Lisas Frage, wofür die Spenden denn eigentlich verwendet werden, antwortet der Direx nur ausweichend und spricht von "dringend benötigten Verbesserungen im Lehrerzimmer", um dann, während der Leser noch schnell einen Blick auf das Innere dieses Zimmers werfen kann, in dem man einige Mitglieder des Lehrkörpers fröhlich planschend und Schampus schlürfend im Whirlpool antrifft, auf die Belohnung hinzuweisen, die demjenigen Schüler winkt, dem es gelungen ist, die meiste Schokolade zu verkaufen: Seine Schulakte wird verbrannt.

Das reizt selbst Lisa, denn dann könnte sie endlich diese "Zwei plus" vergessen, die die Musterschülerin so sehr wurmt, und auch Bart zeigt sich bei dieser Aussicht plötzlich hochmotiviert. Dabei hat er ein besonderes Handicap, denn aufgrund seiner unzähligen Streiche ist er in den meisten Gegenden nicht gern gesehen und hat jede Menge Hausverbote. So kommt es, daß es ihn am Ende in eine vornehme Villengegend verschlägt, in der er noch niemals war. Als er an der Tür eines der Anwesen läutet, erlebt Bart eine phantastische Überraschung: In der Empfangshalle von gigantischen Ausmaßen findet er die größte Ansammlung von Fernseh-, Film- und Comic-Exponaten vor, die er je gesehen hat. Der Hüter all dieser Schätze ist ein gewisser Cornelius Morgan, der 50 Jahre lang Herausgeber eines bekannten SF-Magazins war. Nun fühlt er sich alt und müde und sucht einen Nachfolger, an den er seine Sammlung weiterreichen kann. Auf Barts "Ich nehm' sie!" geht er jedoch nicht ein, denn er will seine kostbaren Stücke nur dem größten Nerd von Springfield anvertrauen und so nimmt er schließlich Barts Vorschlag, einen Wettbewerb zu veranstalten, an. Was nun folgt, kann man sich lebhaft vorstellen: Die fanatisierten Springfielder Nerds, jeder für sich ohnehin schon spinnert genug, richten zusammen ein heilloses Chaos an - bis sich herausstellt, daß alles nur eine Finte war. Cornelius Morgan hatte keineswegs die Absicht, seine Sammlung zu verschenken. Er plante vielmehr einen neuen Film mit dem Titel "Nerdtown U.S.A.", der nun im Kasten ist.

Unterdessen behindern Lisa und ihr Daddy, der sie eigentlich nur zum Schokoladeverkaufen in den Nachbarort fahren wollte, die Dreharbeiten an einer angeblichen "Live-Übertragung" vom Mars - doch das ist eine andere Geschichte ...

Die Schokolade haben jedenfalls alle, inklusive des Lesers, darüber vergessen.

(Für diejenigen, die den Ausdruck "Nerd" nicht kennen: Das Wort, das zum ersten Mal 1950 in dem Buch "If I ran the Zoo" von Dr. Seuss auftauchte, und bald in die Alltagssprache überging, bezeichnet jemanden, der den größten Teil seiner Zeit in der Scheinwelt von Film und Fernsehen oder einer anderen Fantasie verbringt. Ein dem Klischeebild entsprechender Nerd ist männlich, Brillenträger, leicht untersetzt und legt wenig Wert auf sein Äußeres. Auch unattraktive Männer mit unterentwickelten sozialen Fähigkeiten werden als Nerds bezeichnet.)

Wer sich als Simpsons-Fan nicht an diese beiden Stories erinnern kann, hat entweder eine Gedächtnislücke oder eine solche in seiner Heftsammlung (#75 und #76, Januar bzw. Februar 2003). Aber auch später hinzugekommene Leser bzw. Neueinsteiger können sich mit den Sonderbänden einen - gemessen an Antiquariats- oder Flohmarkpreisen für längst vergriffene Hefte - preiswerten Einblick in das Simpson-Universum verschaffen.

29. März 2007


Simpsons Comics Sonderband 16
"Superschräger Strandspaß"
Autoren: Ian Boothby, Tony Degerolamo, Chuck Dixon u.a.
Zeichner: Karen Bates, Johna Costanza, Mike Decarlo, Jason Ho,
Nathan Kane, Bill Morrison, Phil Ortiz u.a.
Panini, Stuttgart, 21. März 2007
172 Seiten, Softcover, 12,95 Euro
ISBN 978-3-86607-391-3