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MELDUNG/015: China - Ansturm auf ausländische Eliteschulen und Universitäten (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 10. Dezember 2010

China: Willkommen in Eton - Ansturm auf ausländische Eliteschulen und Universitäten

Von Antoaneta Becker


Eton, Großbritannien, 10. Dezember (IPS) - Für Zhou Hongxia war der erste Eindruck, den sie von der britischen Eliteschule gewann, ernüchternd. Die Klassenräume seien kalt und dunkel gewesen, die Tische mit der Tinte vieler Generationen von Schülern verunziert. "Es wirkte alles so mittelalterlich und vergangenheitsbezogen, sagte sie. "Ich bin mir sicher, dass sich Kinder, die hier zur Schule gehen, erst einmal unwohl fühlen."

Dennoch will die Geschäftsfrau aus Zentralchina ihre Söhne zum Studium herschicken. Denn die Mutter weiß, der Besuch der altehrwürdigen Bildungseinrichtung hat den meisten Absolventen eine sagenhafte berufliche Karriere ermöglicht. Um nur einige wenige zu nennen: David Cameron, der 19. Premierminister des Königreichs, hat hier ebenso wie George Orwell die Schulbank gedrückt. Orwells berühmtes Werk, der Roman '1984', der einen totalitären Überwachstumsstaat portraitiert, ist im kommunistischen China verboten.

Zhou zufolge wird es eine Weile dauern, bis die Volksrepublik mit einem College wie Eton zu weltweiter Berühmtheit gelangt. Zusammen mit einigen Geschäftfreundinnen ist sie nach Europa gekommen, um sich vor Ort über die besten Bildungsmöglichkeiten zu informieren.

Es ist noch nicht lange her, da ließ die Peking seine Bürger wissen, dass die finanziellen Mittel nicht ausreichen werden, um chinesischen Kindern einen qualitativ hochwertigen Vorschulunterricht anbieten zu können. In einer Ansprache im Herbst erklärte Regierungschef Wen Jiabao, das Land benötige bei der Schulbildung die Hilfe der Bürger. Er ließ ferner verlauten, dass die Volksrepublik nicht in der Lage sein wird, die vielen Talente auszubilden, die das die aufstrebende Wirtschaftsmacht so dringend benötigt.


China erlaubt private Kindergärten

Die unterschwellige Botschaft an die besser gestellten Bürger des Landes ist angekommen. So verschwendeten Zhou und ihre Geschäftsfreundinnen keine Zeit und sammelten Geld, um private Elite-Kindergärten ins Leben zu rufen. Zunächst ging es ihnen darum, ihre eigenen Kinder eine gute frühkindliche Erziehung angedeihen zu lassen.

Sie alle sind wohlhabend genug, um die Bußgelder zu bezahlen, die Familien auferlegt werden, die gegen Chinas Ein-Kind-Politik verstoßen. Sie alle haben zwischen drei und vier Kinder, für die Bildungsbedarf besteht. Sie alle sollen nach dem Wunsch ihrer Mütter an guten Schulen und Universitäten unterrichtet werden.

"Immer mehr chinesische Studenten studieren an den besten Universitäten Großbritanniens", so Wu Renling, Zhous Geschäftspartnerin. Wu fürchtet, dass trotz aller persönlichen Bemühungen, den Unterricht an chinesischen Schulen zu verbessern, die Kinder für ein Auslandsstudium nicht gerüstet sind. "Wäre allein Geld für ein Auslandsstudium ausschlaggebend, wären alle Eliteeinrichtungen zu 90 Prozent mit Chinesen belegt."

Nach Wus Meinung muss der Qualitätsstandard an Chinas Schulen dringend angehoben werden. "Unser Nachwuchs sollte von klein an die besten Bildungschancen erhalten." Doch bisher erlaubt Peking nur den Vorschulen, Privatkapital anzunehmen. Aus ideologischen und parteiinternen Gründen scheut sich die Regierung ihre Kontrolle über die übrigen Einrichtungen abzugeben.

Weil unterfinanziert, personell unterbesetzt und berüchtigt für erhebliche Defizite bei der Verwahrung der Heranwachsenden sind die chinesischen Kindergärten in Verruf gekommen. Probleme gibt es aber auch an den Schulen, und Chinas Universitäten sind bekannt dafür, dass sich das Studium vor allem auf das Auswendiglernen von Wissen beschränkt.


Verbote verteuern Bildung

Britische Eliteschulen haben in einigen chinesischen Städten Niederlassungen, doch stehen sie lediglich ausländischen Schülern offen, weil das die chinesische Regierung so will. "Das ist keine kluge Entscheidung", meint dazu Wu. "Sie zwingt uns dazu, dreimal so viel in den Schulbesuch unserer Kinder zu investieren."

Dennoch hat sich die Zahl der Chinesen, die in Großbritannien Eliteschulen und Universitäten besuchen, in den letzten zehn Jahren auf 47.000 verzehnfacht. Zahlen des britischen Statistikamts für höhere Bildung zufolge ist China das Nicht-EU-Land, das die meisten jungen Leute zum Lernen ins Königreich entsendet. Auch auf die USA hat ein regelrechter Run von Chinesen eingesetzt. So verbuchten die US-Hochschulen und Universitäten im akademischen Jahr 2009-2010 mit 128.000 chinesischen Neuzugängen einen Rekordzuwachs. (Ende/IPS/kb/2010)


Links:
http://www.etoncollege.com/
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=53776


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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 10. Dezember 2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Dezember 2010