SuedKultur - 26. März 2019
3falt - Kunst - Kultur - Kreativität
Resümee der kulturellen Erprobung der leerstehenden Dreifaltigkeitskirche Neue Str. 44
Stellungnahme:
Das Projekt "3falt - Kunst, Kultur, Kreativität" war ein Projekt, das eine
kulturelle Umnutzung der in Harburg seit gut 10 Jahren leerstehenden
Dreifaltigkeitskirche auszuloten versuchte. Dies verlief binnen weniger
Monate mehr als erfolgreich: vielfältige Kulturveranstaltungen jeglicher
Couleur und jeden Genres fanden ein breites und offenes Publikum, ein
kultureller Ort der Begegnung entstand und die "3falt" wurde schnell zu
einer neuen Marke Harburgs und zudem für den Hamburger
Stadtteilkulturpreis nominiert. Nun muß der Gebäudekomplex wieder komplett
geräumt werden, soll eine Firma beauftragt werden und eine Ausschreibung
auf den Weg bringen. Vor Frühjahr 2020 wird somit außer Leerstand nichts zu
erwarten sein.
Auf der Seite der Kulturschaffenden, die das Projekt 3falt mit hunderten
Stunden Ehrenamt stemmten und mehr als nur einen Impuls gaben, was Harburg
braucht und in diesem Komplex möglich ist, bestehen begründete Zweifel
daran, dass der Bezirk in Fragen der kulturellen Entwicklung des Bezirks
transparent agiert, die Kirchengemeinde anderes beabsichtigt als ein
Höchstbieterverfahren zum Verkauf des Komplexes und Fragen der
Stadtentwicklung bzw. lokalen Relevanz des Gebäudes überhaupt erörtert
wurden oder werden.
Insbesondere die Initiative SuedKultur weist ausdrücklich darauf hin, dass
der Bezirk umso mehr in der Verantwortung steht, dem hier besonders
augenscheinlich gewordenen Bedarf an kulturellen Räumen gerecht zu werden
und Abhilfe zu schaffen. Wenn nicht hier - und eine Ausschreibung ist
nicht vor Jahreswechsel zu erwarten - dann andernorts!
Um dies zu untermauern, haben wir nun eine Abfolge der Ereignisse
zusammengestellt, die im Groben aufzeigt, was der Anlass des
Kulturprojektes 3falt war und was nun daraus gemacht wurde.
zur Abfolge:
Im Stadtentwicklungskonzept IEK Eißendorf-Ost findet sich auf Seite 31 der
Hinweis:
[...] Die perspektivischen Projekte beschreiben jene Maßnahmen und
Projekte, die aufgrund ihrer zu geringen Projektreife noch nicht in den
Zeit-Maßnahmen-Kostenplan aufgenommen werden können. Dennoch sind es
Projekte, die das Potenzial besitzen, während der Förderlaufzeit noch die
Projektreife zu erlangen, um gefördert zu werden.
Die Dreifaltigkeitskirche wurde bis 2013 als Klangkirche für Konzerte
genutzt. Heute stehen die Räumlichkeiten der Kirche trotz der guten
innerstädtischen Lage größtenteils leer. Die Erstellung eines
Nachnutzungskonzepts für die Kirche könnte eine Maßnahme während des
Gebietsentwicklungsprozesses werden, um die mindergenutzten Flächen zu
revitalisieren. [...]
Dies war Ende 2017 Anlass und Grund genug für Kulturschaffende der Initiative SuedKultur, die seit Jahren Mangel an Räumen für Kunst und Kultur beklagt, sich der einst als "Hamburger Klangkirche" bekannten Dreifaltigkeitskirche anzunehmen. Denn die einstige Zwischennutzung für Konzerte aus Klassik und Jazz legte nahe, dass eine außergewöhnliche Akustik gute bis sehr gut Bedingungen für vielerlei Kulturaktivitäten lokaler Initiativen böte und zudem durch die zentrale Lage weitere Attraktivität gewinnt und auch den oft beschworenen Brückenschlag ins Hafengebiet inhaltlich beförderte.
So wurde im November 2017 im Quartiersbeirat der Antrag auf "Erkundung der grundsätzlichen Eignung der Dreifaltigkeitskirche (Neue Straße 44 in Hamburg-Harburg) für kulturelle Aktivitäten unterschiedlicher Art mittels "Testbespielung" und Bewertung der Räumlichkeiten durch Aktive aus dem Stadtteil" gestellt.
Und dort hieß es zur Zielsetzung:
"Erst einmal geht es uns "nur" um eine "Testbespielung & Ersterkundung"
im kommenden Frühjahr. Wenn dabei Mitte 2018 von den Aktiven im Stadtteil
am Ende gesagt wird:
"Der Ort hat Charme & Eignung" und der Eigentümer sich eine diesbezügliche
Entwicklung generell vorstellen kann, soll danach (voraussichtlich Mitte
2018) in eine intensive Phase eingetreten werden, wo u.a.
• Nutzungs- und Raumplanung inkl. baulicher Optimierung
(Barrierefreiheit, Energie etc.), als auch
• die Entwicklung & Erprobung spezieller Kulturformate im Vordergrund
steht.
Am Ende dieser Phase (nicht vor Mitte 2019) soll dann eine belastbare
Aussage getroffen werden können,
• ob und wie eine Nutzung der Kirche möglich ist,
• welche etwaigen Anpassungen vorgenommen werden müssten und
• wie unter städtebaulichen Gesichtspunkten ein Interessensausgleich
zwischen den verschiedenen Akteuren aussehen könnte."
Dies war also sowohl der Stadtentwicklungsgesellschaft Steg, der Bezirksverwaltung Harburg als auch der Gemeinde St. Trinitatis bekannt und ist im Antrag an den Quartiersbeirat dokumentiert.
In Ermangelung von alternativen Angeboten und nach dem ein weiterer
Interessent Ende Februar 2018 seine Interessensbekundung zurück gezogen
hatte, kamen Eigentümer-Gemeinde, der Verein Stadtkultur Hafen e.V. wie
auch die Initiative SuedKultur zu einer Testbespielung überein. Es wurde
eine Anhandgabe bis Ende Februar 2019 vereinbart, die den Kulturschaffenden
ermöglichte auch Einblick etwa in die Bauakte zu nehmen und die
erforderlichen Rahmenbedingungen (Zwischennutzungsbestimmungen zu
Brandschutz etc.) auf direktem Wege zu klären.
In der gemeinsam verfassten Presseerklärung ließ Pastorin Sabine
Kaiser-Reiß die Bemerkung einfließen: "Das ist der letzte Versuch, eine
neue Nutzung für dieses Gebäude zu finden."
Im Juni 2018 waren bereits einige Grundbedingungen geklärt und noch vor den Sommerferien ein "Tag der offenen Tür" für alle lokalen Kulturschaffenden initiiert, um sich selbst ein praxisorientierten Überblick über Gebäudestruktur, - zustand und -beschaffenheit zu verschaffen. Es wurde getanzt, gelesen, musiziert, vorgetragen, ausgekundschaftet und diskutiert. Nachfolgend kamen erste konkrete Vorschläge zutage, die konkrete Einzelbespielungen der diversen Räume nach den Sommerferien nach sich zogen. Letztlich wurden es bis Ende Februar mehr als 100 Veranstaltungen verschiedener Kulturgenres aus Sub- und Hochkultur als auch zahlreiche Gespräche mit interessierten Institutionen, Vereinen & Einzelpersonen und VertreterInnen aus Politik & Verwaltung (Senat, Behörde und Bezirk). Neben den über 3.500 BesucherInnen, den über 500 künstlerisch Mitwirkenden wurde das Projekt auch zum Stadtteilkulturpreis Hamburg 2019 nominiert und fand auch in den Medien Hamburg weit Aufmerksamkeit.
Parallel wurde ein inhaltliches Konzept erarbeitet, das zunächst die vielfältigen Aspekte auch des Gebäudes, seiner Geschichte als einstige Hauptkirche Harburgs an der Elbe, seiner außergewöhnlichen Nachkriegsarchitektur des Ehepaares Spengelins als auch seiner örtliche Relevanz beleuchtete und Ansätze zur Vertiefung bot. Ebenso wurde erarbeitet, was an dringlichen Instandhaltungsmaßnahmen erforderliche wäre, um vordringliche Energieeinsparungen oder Nutzbarkeit aller Räume überhaupt zu ermöglichen. Gespräche mit dem Denkmalschutzamt und auch Bauexperten der Steg, des Vereins Barrierefreies Hamburg, des Stadtmuseums Harburgs und der Hamburger Kreativgesellschaft fortgeschritten, dass Möglichkeiten zum Erhalt des Gebäudekomplexes aber auch zur Mitfinanzierung seiner Instandsetzung sichtbar wurde. Das war Ende September 2018.
Im Oktober 2018 fand ein weiteres Gespräch mit der Stadtentwicklungsgruppe RISE Eißendorf-Ost statt, an dem Vertreter aus Bezirksverwaltung, der Steg und eben der Kulturschaffenden zusammen fanden.
Im Protokoll wurde u.a. festgehalten:
- "Ein 6-7-Seitiges Paper mit Grundlagen zur Immobilie sowie ersten
Grundüberlegungen zur Überführung der Kirche in eine kulturelle Nutzung
haben die Nutzer bereits verfasst. Es liegt dem Fachamt vor.
- Ein Konzept bzw. dessen Entwurf liegt bislang noch nicht vor, soll jedoch
laut Anhandgabevertrag bis Ende Februar 2019 durch die Nutzer vorgelegt
werden.
- Frau K. berichtet von einer positiven Stimmung gegenüber dem Projekt im
Kulturausschuss, in dem Herr Lintl und Herr Langanke das Projekt kürzlich
vorgestellt haben.
- Die Anhandgabenehmer wünschen sich vom Bezirk Unterstützung bei der
Planungssicherheit. Konkret wünschen sie sich eine klare Positionierung des
Bezirksamtes/der Politik, gegen eine B-Planänderung, um z.B. für die
Wohnungsbauwirtschaft attraktiv zu werden."
Des weiteren wurden weitere notwendige Schritte bis Ablauf der Testphase zu
Ende Februar 2019 benannt:
"Für ein Konzept würden bei Herrn Lintl und Herrn Langanke bis Februar
weitere umfangreiche Arbeiten anfallen. Ohne eine Finanzierung dieser
Konzepterstellung kann dies nicht geleistet werden. Mittel für eine
Konzepterstellung und im Weiteren für die Projektentwicklung in Höhe von
ca. 40.000 erscheinen Herrn Lintl und Herrn Langanke angemessen ("Angebot"
folgt)."
Auch die Schwachstellen der Konzeptentwicklung wurden klar benannt, da sich bereits abzeichnete, dass die Kirchengemeinde als Verpächterin des Gebäudes ausscheidet.
Auszug aus dem Protokoll vom 10. Okt. 2018:
- Es gibt noch keine endgültig favorisierte rechtliche Konstruktion.
- Aus Sicht von Herrn Lintl bedarf es noch rechtliche Unterstützung in Bezug auf steuerliche Belange, was eine mögliche Rechtsform angeht. (Genossenschaft oder Stiftungen wären zwei von vielen Möglichkeiten).
- Aus Sicht von Herrn Langanke und Herrn Lintl wäre es von Vorteil, wenn die Kirche Eigentümerin bleibt.
- An Kosten fallen u.a. Kaufpreis bzw. Erbbauzins, Betriebskosten und Instandhaltungsrücklagen an.
- Eine schrittweise Erhöhung der Zahlungen an die Kirche, falls diese Eigentümerin bleibt, wäre denkbar (von der reinen Zahlung von Betriebskosten im ersten Jahr bis zur Zahlung eines Mietzinses und ggf. schrittweise jährliche Erhöhung). - Herr Lintl spricht eine Landesbürgschaft im Falle einer Kreditaufnahme an.
1. Verabredungen
Übermittlung folgender Unterlagen an das Fachamt SR:
- Herr Lintl und Herr Langanke kündigen an, dem Bezirk (SR 3) ein Angebot über Projektentwicklerleistungen (inklusive der Konzepterstellung für die Zeit von Nov. 2018 bis Feb. 2019 zu schicken).
- Ein neuer Termin soll zeitnah gefunden werden.
Ein Angebot zu einer Projektentwicklung, die bauliche, rechtliche, inhaltliche und stadtentwicklerische Aspekte einbezieht, wurde am 6. November 2018 von Mathias Lintl (Stadtkultur Hafen e.V.), Heiko Langanke (für SuedKultur) und Architekt Carsten Lünzmann eingereicht.
Bis Ende Februar 2019 gab es darauf keine Reaktion, dann die Absage mit der
Begründung: "vielen Dank für Ihr Initiativangebot vom 6.11.2018 zur
Projektentwicklung "3falt - Kunst, Kultur, Kreativität"
zur kulturellen Umnutzung der leerstehenden Dreifaltigkeitskirche.
Der Eigentümer hat über den weiteren Umgang mit dem Objekt noch nicht
entschieden. Insofern ist auch noch nicht klar, ob der Eigentümer eine
Projektentwicklung wünscht. Überdies kann ein Auftrag für eine
Projektentwicklung nur durch den Eigentümer und nicht durch das
Bezirksamt erfolgen.
Ich bitte um Verständnis, dass ich Ihnen aufgrund der beschriebenen
Situation aktuell keine andere Auskunft geben kann."
(Mail vom 22. Feb. 2019)
Nebenher ergab eine Anfrage zum Gebäudekomplex (Drucksache 20-4439.012
Bezirk HH-Harburg) im Rahmen des Stadtentwicklungskonzeptes Eissendorf-Ost
Folgendes:
"Frage: Wurde bei der Erstellung des IEK darüber mit der Eigentümergemeinde
St. Trinitatis Harburg kommuniziert?
Nein, es gab keine direkten Gespräche mit Gemeindevertretern. Aber
Gemeindevertreter sind bzw. waren bereits zum Zeitpunkt der Erstellung des
IEKs im Beirat und haben diese Formulierungen mitgetragen.
Sind im Rahmen des IEK Gelder für die Reaktivierung als Klangkirche
eingepreist worden und wenn ja, in welcher Höhe und für welche
Maßnahmen?
Nein, die Reaktivierung zur Klangkirche war und ist kein RISE Projekt,
eine Kostenschätzung hat nicht stattgefunden.
Bestehen derzeit andere Konzepte als die der kulturellen Umnutzung, wie sie
die Initiative SuedKultur und der Verein Stadtkultur Hafen e.V.
anstreben?
Zur Zeit nicht. Im Übrigen befindet sich das Bezirksamt mit dem
Eigentümer im Gespräch über die Nachnutzungsmöglichkeiten."
Nun, nach Beendigung der kulturellen Testphase gab es derweil zwei Werkstattgespräche des Bezirksamts HH-Harburg zum Gebäudekomplex. An nur einem davon (am 12. Febr. 2019) waren die Kulturschaffenden beteiligt und zwar in Form einer Einladung, um "über Ihre Erfahrungen mit der Anhandgabe der Dreifaltigkeitskirche berichten (max. 15 Minuten)."
In ihrer Pressemitteilung vom 20. März 2019 wiederum ließ nun die
Eigentümergemeinde St. Trinitatis verlauten: "Der Kirchengemeinderat der
Ev. - Luth. Kirchengemeinde St. Trinitatis Harburg hat in seiner Sitzung am
12.03.2019 beschlossen, dass ein öffentliches Interessenbekundungsverfahren
(IBkV) für die Nachnutzung des Gebäudeensembles Neue Str. 44
(Dreifaltigkeitskirche) durchgeführt wird. Die damit verbundenen Kosten
trägt die Kirchengemeinde. Die Bezirksversammlung und das
Bezirksamt Harburg, sowie das Hamburger Denkmalschutzamt befürworten dieses
Verfahren, das derzeit vorbereitet wird.
Die Kulturinitiative Dreifalt ist informiert und ist aufgefordert, sich im
Rahmen des IBkV mit ihrem Konzept zu bewerben.
Eine Nutzung der Kirche während des Verfahrens wird es nicht geben.
(Ausnahme: Nutzung als Wahllokal zu Europa- und Bezirksversammlungs-Wahl am
26.05.2019)"
In diesem Zusammenhang sehen wir als Impulsgeber mit dem Projekt "3falt - Kunst, Kultur, Kreativität" folgende Bemerkungen für irritierend oder gar als Indiz dafür, dass eine kulturelle Nutzung weder "ein letzter Versuch" war, noch generell eine Ernsthaftigkeit besteht, den Gebäudekomplex einer wirklichen kulturellen Nutzung zuzuführen:
• "Die Kulturschaffenden müssen auch aus dem Quark kommen und ein Konzept vorlegen" (Zitat Holger Böhm, SPD-Bezirkspolitiker, im Hamburger Abendblatt v. 28. Feb. 2019)
• "Das uns vorliegende Konzept der Initiative 3falt ist zwar inhaltlich in Ordnung, aber der Gemeinderat ist nicht überzeugt, dass es auch finanziell nachhaltig wäre", sagt Pastor Friedrich Degenhardt, "deshalb haben wir uns entschlossen, die Nachnutzung noch einmal öffentlich auszuschreiben. Die Initiative 3falt hat die Möglichkeit sich an dem Verfahren zu beteiligen." (Hamburger Abendblatt v. 20. März 2019)
Fazit siehe Stellungnahme zu Beginn.
V.i.S.d.P.
Mathias Lintl, Heiko Langanke, Carsten Lünzmann
*
Quelle:
SuedKultur - Initiative Kulturschaffender des Hamburger Südens
E-Mail: kontakt@sued-kultur.de
Internet: www.sued-kultur.de
veröffentlicht im Schattenblick zum 28. März 2019
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