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SPRACHE/729: Experte - Sächsischer Dialekt weitgehend ausgestorben (idw)


Universität Leipzig - 16.02.2011

Experte: Sächsischer Dialekt weitgehend ausgestorben


Den sächsischen Dialekt gibt es nach Ansicht von Prof. Dr. Beat Siebenhaar vom Institut für Germanistik an der Universität Leipzig genau genommen gar nicht mehr. Ein Dialekt folge einem geschlossenen Sprachsystem, habe klare Regeln in der Aussprache, in der Bildung der Wörter und in der Syntax, sagte er anlässlich des "Tages der Muttersprache", der am 21. Februar international begangen wird.

"Der sächsische Dialekt ist vor 100 bis 150 Jahren weitgehend ausgestorben", erklärte Prof. Siebenhaar, der sich am Lehrstuhl für Variationslinguistik der Universität Leipzig unter anderem mit den regionalen Eigenheiten des sächsischen Dialekts befasst. Das gesprochene Sächsisch heute orientiere sich an der Standardsprache, dem heute gebräuchlichen Ausdruck für "Hochsprache". Was vom Dialekt noch übrig ist, seien regionale Färbungen.

Ein Leipziger Sachse beispielsweise erkenne den Dresdner Sachsen an seiner Aussprache. Es ist bisher Siebenhaar zufolge nicht erforscht, worin sich das aktuelle regional gesprochene Sächsisch lautsprachlich voneinander unterscheidet. Das möchte der Variationslinguist herausfinden. Dazu zieht er die Sprachmelodie, -tempo, -akzente zu Hilfe, die dafür vermutlich aussagekräftiger ist als herkömmliche lautliche Untersuchungen. Ergebnis soll vorerst eine Erforschung der sprachlichen Variation der Stadt Leipzig sein - eine wissenschaftliche Erfassung der Stadtsprache von Leipzig als erster ostdeutscher Stadt.

Dialekte stehen nach seinen Worten für Vielfalt und zeigen, woher Menschen kommen, schaffen Identität und sagen viel über Heimat. Da, wo die Dialekte verschwunden sind, übernehmen das regionale Umgangssprachen. Diese sind für viele die Muttersprache - die Sprache, die man spricht, ohne zu überlegen, ob das richtig sein könnte oder nicht.

Experten wie Prof. Dr. Siebenhaar bezeichnen die Muttersprache als "Erstsprache" - als die Sprache, in der wir als Kinder grammatische Regeln lernen und lernen zu sprechen, um unsere Gedanken, Wünsche, Bedürfnisse auszudrücken. Dennoch beschreibt der Begriff "Muttersprache" genau das, was den Variationslinguisten interessiert. "Muttersprache ist ein emotionaler Begriff, der ausdrückt, wie wir durch die Sprache mit unserer Heimat verbunden sind", sagt Prof. Beat Siebenhaar. "Wenn eine Sprache verloren geht, geht auch ein Teil der Kultur verloren", fügt er hinzu.

Prof. Dr. Beat Siebenhaar interessiert die gesprochene Sprache in allen Ausprägungen. Dazu gehören Dialekt, Mundart, Regionalsprache, Umgangssprache, Jugendsprache, Fachsprache - die bunte Vielfalt sprachlicher Formen, als die Sprache auftritt. Die Vorliebe dafür hat der gebürtige Schweizer aus seiner Heimat mitgebracht. Als er vor drei Jahren an das Leipziger Institut für Germanistik berufen wurde, suchte er zunächst einige Schweizer in der Stadt auf und fragte sie nach ihrer Meinung zum Sächsischen. Er fand heraus, dass sie den Dialekt mögen. "Menschen, die selbst Dialekt sprechen, haben meist eine positive Haltung zu den regionalen Eigenheiten der Sprache, nicht nur zu den eigenen", erklärt er.

Der "Tag der Muttersprache" will Sprachen als Zeichen kultureller Identität erhalten. Gut die Hälfte aller weltweit gesprochenen Sprachen ist vom Aussterben bedroht. Heute werden Sprachen, die von nicht mehr als 10.000 Menschen gesprochen werden, oft nicht mehr an die nachfolgenden Generationen weitergegeben und geraten in Vergessenheit. Sprachen mit weniger als hundert Sprechern sind noch nicht einmal erfasst.

Katharina Beck

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution232


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Universität Leipzig, Susann Huster, 16.02.2011
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Februar 2011