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UNIVERSITÄT/135: Augsburg - Trauer um Wladyslaw Bartoszewski (Universität Augsburg)


Universität Augsburg - Pressemitteilung vom 27. April 2015

Die Universität Augsburg trauert um Wladyslaw Bartoszewski

Der am vergangenen Freitag im Alter von 93 Jahren in Warschau verstorbene Historiker, Publizist und ehemalige Außenminister Polens war seit 2001 Akademischer Ehrenbürger der Universität Augsburg


Augsburg/KPP - In Würdigung seiner beispielhaften Bereitschaft, erlittenes Unrecht zu verzeihen, und in Anerkennung seines engagierten Wirkens für die polnisch-deutsche Versöhnung hat die Universität Augsburg den damals amtierenden Minister für Auswärtige Angelegenheiten der Republik Polen, Prof. Dr. Wladyslaw Bartoszewski, 2001 in den Kreis ihrer Akademischen Ehrenbürger aufgenommen. Jedoch bereits seit den 1980er Jahren war der Historiker Bartoszewski der Universität Augsburg aufgrund mehrerer Gastprofessuren verbunden. "Wladyslaw Bartoszewskis Tod", so Präsidentin Prof. Dr. Sabine Doering-Manteuffel, "ist auch für die Universität Augsburg ein großer Verlust. Wir trauern um unseren Akademischen Ehrenbürger."

Wladyslaw Bartoszewski hat die Schrecken der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft durchlitten, sich unter Lebensgefahr für seine jüdischen Landsleute eingesetzt und sich nach dem Krieg dafür entschieden, den Teufelskreis der Gewalt zu durchbrechen und sich für die Versöhnung zwischen Polen und Deutschen einzusetzen.


In Auschwitz und in stalinistischen Gefängnissen

Wladyslaw Bartoszewski wurde 1922 in Warschau geboren. Eines seiner Abiturfächer im Jahr 1939 war Deutsch. Nach dem Überfall Hitlers auf Polen nahm er Kontakt zum Widerstand auf. Er wurde im September 1940, nach einer Razzia gegen polnische Intellektuelle, ins Konzentrationslager Auschwitz verschleppt und im April 1941 schwer erkrankt entlassen. Während des Studiums an der geheimen Warschauer Universität begründete er mit anderen eine katholische Hilfsaktion zugunsten der verfolgten Juden des Warschauer Ghettos. Er nahm 1944 am Warschauer Aufstand teil. Nach kurzer Tätigkeit als Journalist geriet er ins Visier der Kommunisten, die inzwischen die Macht in Polen übernommen hatten. Insgesamt sechs Jahre verbrachte er in stalinistischen Gefängnissen. Nach der Rehabilitation im Jahr 1955 konnte er wieder als Publizist und Wissenschaftler arbeiten. Sein politisches Engagement führte ihn in die Gewerkschaft Solidarnosc. Nach der Verhängung des Kriegsrechts in Polen wurde er 1981 erneut verhaftet und schließlich durch die Hilfe jüdischer Freunde befreit.


Enge und ausgleichende Kontakte mit dem ehemaligen Feind Deutschland

In den Folgejahren pflegte Bartoszewski u. a. als Gastprofessor in München, Eichstätt und mehrfach auch an der Universität Augsburg enge und ausgleichende Kontakte zum ehemaligen Feind Deutschland. Nach der Wende bekleidete er von 1990 bis 1995 das Amt des polnischen Botschafters in Wien, von Juni 2000 bis September 2001 das des Ministers für Auswärtige Angelegenheiten der Republik Polen, das er kurzzeitig auch 1995 bereits innegehabt hatte.


Für eine versöhnte europäische Völkergemeinschaft

Die unverwechselbare Persönlichkeit Bartoszewskis und sein Lebenslauf reflektieren das Profil eines polnischen Patrioten, eines glaubwürdigen Christen, eines Journalisten und Zeithistorikers, der persönliches Erleben stets mit der Objektivität des Wissenschaftlers zu verbinden vermag. Angehörige der Universität Augsburg, die Bartoszewski in den 1980er Jahren noch als Gastprofessor am Lehrstuhl für Politische Wissenschaften kennengelernt haben, wissen aus eigener Anschauung, wie Bartoszewski in seiner Doppelrolle als politisch aktiver Mensch und reflektierender Historiker gerade junge Menschen für den Aufbau einer versöhnten Völkergemeinschaft in europäischen Dimensionen zu begeistern vermochte.

Als denjenigen, der sich unter Todesgefahr für die verfolgten Juden des Warschauer Ghettos eingesetzt und selbst am Warschauer Aufstand teilgenommen hatte, machte der Staat Israel Bartoszewski 1991 zu seinem Ehrenbürger. Dem Pionier der deutsch-polnischen Aussöhnung, der wie kaum ein anderer polnischer Intellektueller und Staatsmann zum Freund der Deutschen geworden war, galt 1986 die Auszeichnung mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. 1997 wurde Wladyslaw Bartoszewski als erstem polnischen Staatsbürger das Große Verdienstkreuz mit Stern des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen.

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Quelle:
Pressemitteilung UDP 65/15 vom 27. April 2015
Universität Augsburg, Pressestelle
Klaus P. Prem / Michael Hallermayer
Telefon: 0821/598-2094
E-Mail: klaus.prem@presse.uni-augsburg.de / michael.hallermayer@presse.uni-augsburg.de
Internet: www.uni-augsburg.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. April 2015

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