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MELDUNG/118: Graduiertenkolleg - Romantik als markantes globales Phänomen (idw)


Friedrich-Schiller-Universität Jena - 29.05.2020

Romantik als markantes globales Phänomen

DFG fördert Graduiertenkolleg zum "Modell Romantik" an der Universität Jena bis 2024 / Forschungsansatz und Ausbildungskonzept von weltweiter Strahlkraft


Was verbindet die australischen Dichter David Malouf und Samuel Wagan Watson mit Jena? Wo liegen die Schnittstellen zwischen Romantik, Kolonisation und dem afrikanischen Kamerun?

Im Graduiertenkolleg zum Thema "Modell 'Romantik'. Variation - Reichweite - Aktualität" wird an der Universität Jena seit 2015 der Einfluss der Romantik auf heutige Formen der Weltdeutung, der Selbstreflexion, der ästhetischen Gestaltung und der Lebensvollzüge erforscht. Behandelt werden Themen der politischen Diskurs- oder Ideengeschichte sowie Formen von Religiosität, naturwissenschaftliche Aspekte, romantisch inspirierte Kunst oder Phänomene der Sub- und Massenkultur. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Literatur-, Sprach-, Musik- und Kunstwissenschaft, aus Geschichte, Theologie, Computerlinguistik und Soziologie untersuchen mit Partnern aus Jena, Deutschland und der ganzen Welt die Romantik als markantes europäisches aber auch außereuropäisches Phänomen.

Zweite Phase von der DFG gefördert

So konnte im Sommer 2019 die aus Tasmanien stammende Wissenschaftlerin Dr. Ruth Barratt-Peacock ihre Promotion zur romantischen Weltdeutung in der zeitgenössischen Poesie Australiens am Beispiel des bekannten Autors David Malouf und des indigenen Dichters Samuel Wagan Watson abschließen. Gegenwärtig arbeitet Pascal Ongossi Assamba, dessen Heimat Kamerun von 1884 bis 1916 deutsche Kolonie war, am Dissertationsprojekt "Deutsche Romantik - Kolonisation - Nationalbewusstsein Kameruns". Zwei Beispiele für die außereuropäische Strahlkraft des Jenaer Graduiertenkollegs, für das nun die zweite Förderphase beginnt.

2015 war von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) eine Förderung in Höhe von 3,8 Millionen Euro bewilligt worden, um in Jena erstmals Romantik als Deutungsmodell, als Darstellungs- und Wahrnehmungsmodell sowie als Handlungsmodell zu erforschen. Der neue Förderbescheid der DFG läuft bis September 2024 und hat ein Volumen von insgesamt 4,5 Millionen Euro.

Anerkennung für Forschungsansatz sowie Betreuungs- und Qualifizierungskonzept

Kollegsprecher Prof. Dr. Stefan Matuschek wertet die Fortsetzung der Förderung als Anerkennung sowohl für den Forschungsansatz, das Fortwirken der historischen Romantik als Modellbildungsprozess zu untersuchen, als auch für das 2015 entwickelte, neuartige Betreuungs- und Qualifizierungskonzept für die Kollegiatinnen und Kollegiaten. Derzeit forscht bereits die zweite Kohorte von 14 Doktorandinnen und Doktoranden und zwei Postdoktorandinnen am Kolleg. Neben der Arbeit an den Dissertationen bietet ihnen das Studienprogramm praktische Ausbildungsabschnitte in Dichterhäusern, Stiftungen und Museen, im Stadtmarketing und im Kulturjournalismus. Als Partner des Kollegs kann Prof. Matuschek neben großen und kleineren Kulturinstitutionen der Region inzwischen u. a. auf das Freie Deutsche Hochstift in Frankfurt a. M., an dem gerade das erste zentrale deutsche Romantikmuseum entsteht, den C. H. Beck Verlag, die Frankfurter Allgemeine Zeitung, das Walden Woods Project in Lincoln, Massachusetts und das Deutsche Historische Institut Warschau verweisen. Diese breite Aufstellung ermöglicht es den Promovierenden, sich in außeruniversitären Berufsfeldern auszuprobieren oder sie vor Ort in Workshops kennenzulernen. Dafür gewinnt das Kolleg namhafte Akteure, wie zum Beispiel Uwe Ebbinghaus, Redakteur im Feuilleton der F.A.Z. Er war bereits im Mai und Juni 2017 in Jena zu Gast und leitet in diesem Jahr erneut einen journalistischen Workshop.

Jena als authentischer Geburtsort der Romantik

Nicht zuletzt sei es natürlich die Stadt Jena als authentischer Geburtsort der Romantik, sagt Prof. Matuschek, die dem Graduiertenkolleg internationale Aufmerksamkeit verschafft. In Jena hatten im November 1799 Friedrich von Hardenberg, bekannt als Novalis, Ludwig Tieck und Friedrich Wilhelm Schelling als Gäste in der Wohngemeinschaft der Brüder August Wilhelm und Friedrich Schlegel gemeinsam mit Caroline Schlegel, spätere Schelling, und Dorothea Veit, spätere Schlegel, eine ganz neue Form freier, intellektueller Geselligkeit gelebt und revolutionäre Impulse für die Philosophie, Religion, Literatur und Kunst gesetzt. Durch dieses kurze, legendäre Treffen ist Jena bis heute ein prominenter Ort auf der kulturgeschichtlichen Landkarte des modernen Europa - mit einer auch über Europa hinausreichenden Wirkung.

Zwei Jahrhunderte später ist das Romantische allgegenwärtiger Teil von Alltagssprache und -kultur. Selbst ein Marketingslogan wie "Romantikhotel" hebt auf mit dem Begriff verbundene und inzwischen sehr vage Sehnsüchte nach Harmonie und Erfüllung ab. Tief wirkt das von den Romantikern Gedachte in heutige Vorstellungen von der Rolle des Individuums, von Partnerschaft, Liebe und Glück.

Nicht zuletzt reichen auch die Wurzeln der zeitgenössischen Literatur in die Romantik. Wie, das hat das Kolleg seit seiner Gründung wiederholt am "praktischen Beispiel" gezeigt und zu öffentlichen Vorlesungen und Vorträgen bekannte Autorinnen und Autoren wie Ingo Schulze, Felicitas Hoppe oder Clemens Meyer nach Jena eingeladen.



Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution23

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Friedrich-Schiller-Universität Jena, 29.05.2020
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Juni 2020

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