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SF-JOURNAL/064: Akzente... "Riverworld", von SF zum US-Heimatfilm (SB)


Zur Verfilmung von SF am Beispiel "Riverworld"


Was Sie in den Filmen, bis auf wenige Ausnahmen,
sehen, ist keine echte Science Fiction."

(Philip José Farmer, 1983)

Riverworld
Science-Fiction TV Movie, 84 Min.

USA/Australien/GB/Kanada 2002, gedreht in Neuseeland nach der vierteiligen Science-Fiction-Romanreihe 'Flußwelt' von Philip José Farmer. Für den ersten Band 'Die Flußwelt der Zeit' erhielt der Autor den Hugo-Award als bester SF-Roman des Jahres 1972.

Regie: Kari Skogland
Drehbuch: Stuart Hazeldine
Autor: Philip José Farmer
Komponist: Victoria Kelly
Kamera: Allen Guilford
Schnitt: Chris Plummer

Darsteller (Rolle)

Brad Johnson (Jeff Hale)
Emily Lloyd (Alice Liddell Hargreaves)
Jonathan Cake (Nero)
Cameron Daddo (Sam Clemens)
Jeremy Birchall (Lev Ruach)
Karen Holness (Mali)
Kevin Smith (Valdemar)
Brian Moore (Monat)
Paolo Rotondo (Flavius)

"Kari Skogland inszenierte diesen packenden Streifen nach der vierteiligen Science-Fiction-Romanreihe 'Flusswelt' von Philip José Farmer. Gedreht an atemberaubenden Locations in Neuseeland, besticht der Streifen durch seine großartigen Bilder und eine routinierte Regieführung. Skogland schafft es virtuos, die Spannung stetig zu steigern - bis zur letzten Minute!" (Pro7 - Presseinformation)


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Weder diese reißerischen Hinweise des Fernsehsenders Pro7 noch der Inhalt des mit viel Liebe zum Detail hergestellten Abenteuerfilms dürften für den Science Fiction-Freund von vorrangigem Interesse sein als vielmehr das, was dreißig Jahre später aus der Buchvorlage von Philip José Farmer gemacht worden ist, beziehungsweise grundsätzliche Fragen zur Verfilmung von Science Fiction-Literatur.

Zum Inhalt der Buchvorlage

Der Roman von Philip José Farmer erzählt die Abenteuer des britischen Forschungsreisenden Sir Richard Burton, der im Jahr 1890 in Triest einer Herzattacke erlag. Zeit seines Lebens glaubte er nicht an ein Leben nach dem Tod. Er sollte sich getäuscht haben; denn kurz nach seinem Ableben kommt er in einer Wiederbelebungskapsel in einem Raum fern unserer Erde zu sich und findet sich kurz darauf in einer Flußlandschaft wieder, in der alle Menschen, die seit dem Beginn der Rasse bis zum Ende des 20. Jahrhunderts existiert haben, nach ihrer Wiedererweckung angesiedelt wurden. Burton gibt sich mit der bloßen Tatsache seiner Wiedergeburt nicht zufrieden. Er will herausfinden, wer ihn um seinen Tod betrogen hat und wer mit der menschlichen Rasse diese Posse treibt. Zusammen mit einer gemischten Gruppe von Gleichgesinnten, darunter beispielsweise eine ehrenwerte Lady ebenso wie ein frühmenschlicher Kannibale (später schließt sich sogar Hermann Göring der Expedition an), macht er sich auf den Weg, um der Sache auf den Grund zu gehen. Eine gigantische, fast unlösbare Aufgabe angesichts der primitiven Mittel, die der Gruppe zur Verfügung stehen und vor allem hinsichtlich der überwältigenden Probleme sozialer und politischer Art.


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Zum Inhalt des Fernsehfilms

Der Film behandelt im Großen und Ganzen dieselbe Geschichte, allerdings mit einschneidenden Unterschieden. Man schreibt das Jahr 2009: Bei dem Eintritt in die Erdatmosphäre kommt der Astronaut Jeff Hale ums Leben. Doch er erwacht wieder - in einer völlig fremden, mysteriösen Welt. Bald erfährt er, daß er mit mehreren Menschen zu den Auserwählten gehört, die in der 'Riverworld' wiedererweckt wurden. Es dauert nicht lange, und er erkennt, daß er von einer höheren Macht bestimmt wurde, an diesen Ort seinen Mann zu stehen und auch hier für das Gute zu kämpfen. Eine Mission, die von jedem Mitglied seiner Gruppe alles abverlangt...


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Kritik

Wie sollte es in einem amerikanischen Spielfilm anders sein, so ist auch hier der Held natürlich kein britischer Forschungsreisender, sondern der typische Vertreter eines US-Soldaten mit ausgeprägten Führungsqualitäten, muskelbepackt und moralisch einwandfrei. Kurz gesagt: ein echter Gutmensch. Und das scheint dann auch das Hauptthema dieses SF-Fantasy-Abenteuerfilms jenseits unserer Zeit zu sein. Der Held und Anführer der Gruppe namens Jeff Hale ist so charismatisch, so freiheitsliebend, tapfer und edel, daß jeder, der sein Herz am rechten Fleck trägt, sich sogleich zu ihm hingezogen fühlt beziehungsweise ihm, ohne mit der Wimper zu zucken, freiwillig das Kommando überläßt... auf daß alle fernsehschauenden Menschen wieder einmal auf unterhaltsame Weise ihre Lektion über die amerikanischen Werte eingeimpft bekommen und sie ihnen bitte schön in Fleisch und Blut übergehen mögen.

Die Aufgabe des kritischen Fernseh-Konsumenten bestünde dann lediglich darin, über diese Kleinigkeit hinwegzusehen, und bei gleichzeitigem Zudrücken beider Augen, Überhören der heldenhaften Sprüche, sowie dem Verschließen der Nase ob der dabei emporsteigenden, üblen Gerüche, das TV-Spektakel einfach nur zu genießen.


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Hintergrundinformationen zu Philip José Farmer und zur Entstehung der 'Flußwelt'

Philip José Farmer, 1918 in North Terre Haute/Indiana geboren, gehört zu den bekanntesten Science-Fiction-Autoren der Gegenwart und ist ein Profi auf der ganzen Linie. Bei all seinen unzähligen Produkten dominiert eindeutig die abenteuerlich-spannende Komponente. Auf die Frage, was ihn an seinem Beruf als Autor besonders reizt, antwortete er einmal in einem Interview: "Ich glaube, damit erfülle ich in erster Linie eigene Kindheitsphantasien. Ich hatte schon immer den Wunsch, Schriftsteller zu werden, und als ich die Bücher über Tarzan, das Land Oz und Sherlock Holmes las, um nur einige zu nennen, wollte ich die Handlungen über ihre Grenzen hinaus weiterführen."

Die erste 'Flußwelt'-Version entstand bereits im Jahr 1952 und ist ein immerhin 550 Seiten dickes Schnellprodukt, entstanden für einen Wettbewerb. Farmer war damals wieder einmal in Geldnot und hatte nur einen Monat Zeit, dieses Buch zusammenzuschustern. Beim Schreiben des Manuskripts halfen seine Ehefrau Betty, ein guter Nachbar, sowie sein Freund Randall Garrett mit. Drei oder vier weitere Personen tippten dann in aller Eile das Manuskript. Den Siegerscheck über 4000 Dollar gewann Farmer damals leider nicht, aber fast zwanzig Jahre später hatte er die 'Flußwelt'-Idee dann schließlich doch noch verkaufen können.


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Was würde der Autor zur Verfilmung seiner 'Flußwelt' sagen?

Nach meiner Einschätzung ist Philip José Farmer vor allem Geschäftsmann, und somit würde er bestimmt auch diese Film-Version gutheißen; hat er doch selbst die 'Flußwelt' so oft neu verfaßt, daß er sich nicht mehr an jede Variante erinnern kann. Das muß jedoch nicht heißen, daß seine private Meinung dazu eine ganz andere ist.

Über den Propagandawert und die Verfilmung von SF macht sich Philip José Farmer auf jeden Fall nichts vor und zeigt sich, in einem Interview danach befragt, nüchtern und abgeklärt. Wenn man beispielsweise zum Thema Nahrungsmittelverknappung, ein Thema das Farmer persönlich große Zukunftsängte bereitet, die Bevölkerung in Kenntnis setzen würde, indem man einfach so viele Stories darüber schreibt, bis das Problem allgemein bekannt wäre, hätte das seiner Meinung nach eher den gegenteiligen Effekt.

Farmer wörtlich: "Der Leser würde durch das Überangebot gelangweilt reagieren. Die wollen nicht über solche Dinge nachdenken. Ich glaube nicht, daß Science Fiction-Stories mit dem Thema Überbevölkerung die Welt davon überzeugt haben, Maßnahmen zur Geburtenkontrolle einzuführen. (...) Ich glaube nicht, daß Science Fiction in Zukunft einen großen Einfluß auf die Allgemeinheit haben wird, allein schon aus dem einfachen Grund, weil die Mehrheit der Bevölkerung keine Science Fiction liest."

Noch deutlicher nimmt Farmer zum Thema Verfilmung von Science Fiction- Literatur Stellung: "Was Sie in den Filmen, bis auf wenige Ausnahmen, sehen, ist keine echte Science Fiction. Das sind Geschichten, Abenteuer, die wirkungslos bleiben."


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Schade eigentlich, doch vielleicht ja auch ermutigend. Erweckt es doch zumindest den Eindruck, es gäbe noch so etwas wie echte und ernsthafte Science Fiction. Zumindest zum Zeitpunkt des Interviews im Jahre 1983. Heute, mehr als zwanzig Jahre später, steht es um das Genre um einiges schlechter. Ist die Science Fiction-Literatur möglicherweise mit ihren Visionen am Ende? Daß die moderne Filmwelt auf eine dreißig Jahre alte Abenteuergeschichte zurückgreift, spricht für sich.


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Literatur: "Bizarre Beziehungen" - Drei Romane in einem Band von Philip José Farmer. Ein Interview mit Philip José Farmer, geführt von Darrell Schweitzer aus dem Jahr 1983 (S. 645-668) schließt dieses Buch ab. Heyne Verlag, München 1992, Hg. Jeschke


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Akzente
Hinweise auf
- Bemerkenswertes, Erfreuliches und Wissenswertes
- Höhepunkte und Tendenzen in der Entwicklung
- neue literarische Richtungen
- gesellschaftliche Einflüsse

Erstveröffentlichung 2004

9. Januar 2007