Schattenblick →INFOPOOL →BILDUNG UND KULTUR → LITERATUR

SF-JOURNAL/009: Autoren... Robert A. Heinlein, Meister der Intrige (SB)


Robert A. Heinlein, (1907 - 1988)


"Der erfindungsreichste und wortgewaltigste aller amerikanischen Science Fiction-Autoren", so wird er auf zahlreichen Buchrücken charakterisiert - eine hohe Auszeichnung für Robert A. Heinlein, den vierfachen Hugo-Preisträger, der auch unter den Psyeudonymen Anson McDonald, Lyle Monroe, Caleb Saunders, John Riverside und Simon York veröffentlichte.

Seine Romane und Kurzgeschichten gelten als provokativ und haben die kontroversesten Reaktionen ausgelöst. Fest steht: Kein anderer Autor hat das Genre über so viele Jahre so stark geprägt und war so wenig auf eine Richtung festgelegt wie Heinlein.

Liest man sich in sein Werk ein, so verblüfft immer wieder die außerordentliche Beweglichkeit, die Heinlein hinsichtlich wissenschaftlicher Themenstellung, sozialer Zusammenhänge und hochwertiger Unterhaltung zeigt. Seine Sehnsucht nach Abenteuern im All ist einfach mitreißend. Die folgende Beschreibung von seinem Kollegen und Bewunderer Damon Knight enthält die wohl vollständigste Charakterisierung:

Der ideale Science Fiction-Autor ist leicht zu definieren. Er muß ein talentierter und einfallsreicher Schriftsteller sein, ausgebildet in den Natur-, Sozial- und technischen Wissenschaften, mit gründlicher und vielseitiger Menschenkenntnis, und zwar nicht nur über Wissenschaftler und Ingenieure, sondern auch Sekretärinnen, Rechtsanwälte, Gewerkschaftsführer, Werbeleute, Journalisten, Politiker, Geschäftsleute. Das Problem ist, daß niemand, der seinen Verstand beisammen hat, die Zeit aufbringen würde, all dies Wissen zu erwerben, nur um Science Fiction schreiben zu können. Aber Heinlein besitzt es.
(aus der Einleitung von Damon Knight zur "Future History, Die Vergangenheit der Zukunft", München 1988, S. 11)


*


Persönliche Daten

Robert A. Heinlein wurde am 7. Juli 1908 in Buttler/Missouri als Nachfahre eines um 1700 nach Amerika ausgewanderten Bayern geboren. Er besuchte die High School in Kansas City und danach fünf Jahre lang die US Naval Academy von Annapolis, die er 1929 als einer der besten in einer Klasse von 243 Schülern abschloß. Fünf Jahre lang diente er auf den verschiedensten Kriegsschiffen, auch auf dem modernsten Flugzeugträger seiner Zeit, der USS Lexington, auf der er Geschützoffizier wurde. Dort zog er sich Tuberkulose zu und mußte 1934 den Dienst quittieren. Er verbrachte zwei Jahre im Bett und wurde im Alter von 27 Jahren pensioniert.

Auch sein Studium der Mathematik und Physik an der University of California in Los Angeles brach er aus gesundheitlichen Gründen ab. Eigentlich wollte er seinen alten Traum verwirklichen, Astronom zu werden.

In den nächsten Jahren wechselte er von einem erfolglosen Zwischenspiel in der Politik zum Silberbergbau, zum Immobiliengeschäft, zur Landwirtschaft und zur Architektur.

Dann wandte er sich - eher zufällig - dem Schreiben von Science Fiction zu, weil er ein auf die Praxis ausgerichtetes, körperlich aktives Leben, das er vorgezogen hätte, nicht mehr führen konnte. Vor seiner Krankheit war Heinlein beidhändig ein sehr guter Pistolenschütze, 1925 Marinemeister im Degenfechten, Experte im waffenlosen Kampf und ein ausgezeichneter Eiskunstläufer gewesen.

Seine erste Kurzgeschichte erschien 1939: "Lifeline", der Auftakt zur "Future History". Wie es zu der Veröffentlichung kam, ist nahezu klassisch für die Zeit: "Thrilling Wonder Stories", ein SF-Magazin, hatte gerade einen Amateurwettbewerb ausgeschrieben. Aber Heinlein schickte seine für die Ausscheidung verfaßte Story nicht etwa dorthin, sondern an "Colliers", und als diese ablehnten, an John W. Campbells Magazin "Astounding". Campbell nahm die Story an - und hatte den Autoren gefunden, der maßgeblich das Goldene Zeitalter für sein Magazin gestalten sollte. Heinlein schrieb schnell und viel, so daß Campbell ihn auch unter Psyeudonymen veröffentlichte, da er nicht zwei Geschichten des gleichen Autors in eine Ausgabe setzen wollte.

Heinleins Tätigkeit als Schriftsteller wurde durch den Kriegseintritt der USA unterbrochen. Während des Zweiten Weltkriegs arbeitete er als ziviler Maschinenbauingenieur an der Entwicklung von Radaranlagen mit, und zwar in dem Forschungslaboratorium der US Navy, der Naval Air Experimental Station in Philadelphia, in dem auch die SF-Autoren De Camp und Asimov tätig waren.

1941 war er Ehrengast auf dem SF World Convent in Denver; bei einer Fan-Umfrage wurde er dort zum populärsten SF-Schreiber gewählt.

Nach Kriegsende kehrte Heinlein zur schriftstellerischen Tätigkeit zurück. Viele seiner Romane und Kurzgeschichten wurden nun ausgezeichnet. Als erster Autor entschloß er sich, nicht mehr nur in SF-Magazinen zu veröffentlichen, sondern er verkaufte vier Kurzgeschichten an "The Saturday Evening Post", darunter auch die klassische Story "The Green Hills of Earth", 1947. In diesem Jahr schrieb er auch seinen ersten SF-Roman für Jugendliche.

Heinleins rothaarige Frau Ginny war Chemikerin, Biochemikerin, Flugtest-Ingenieurin und Experimentier-Gärtnerin und Mitglied der Universitätsteams im Schwimmen, Turmspringen, Basketball und Hockey. Nach ihrem Abschluß an der New York University nahm sie erfolgreich als Eiskunstläuferin an Wettbewerben teil. Außerdem hatte sie acht Sprachen gelernt. Sie war Heinleins Vorbild für einen ganz bestimmten Frauentyp in seinen Romanen und Kurzgeschichten: selbständig, fachlich talentiert, rothaarig, unangepaßt und kritisch.

Heinlein wuchs in einer großen Familie auf. Seine fünf Geschwister machten allesamt Karriere. Einer seiner drei Brüder wurde Professor für Elektrotechnik, der zweite Professor für politische Wissenschaften und der dritte Generalmajor, der "von der Pike auf" gedient hatte. Von Heinlein selbst hieß es, er habe schon Schach gespielt, bevor er lesen konnte.

Robert A. Heinlein starb 1988 im Alter von 81 Jahren.


*


Werke

Typisch für Heinleins Art zu schreiben ist die Präzision, mit der er vorgeht und bis ins Detail genau definiert, welche praktischen Schwierigkeiten seine Hauptfiguren haben. Viele Beschreibungen beruhen auf seiner eigenen Erfahrung, der gewissenhafte Nachforschungen oder jahrelange Übung zugrunde liegen.

Zudem dokumentieren alle Romane und Geschichten eine ausgezeichnete Menschenkenntnis mit deutlicher Stellungnahme und einem nahezu liebevollen Verständnis für den, der in Schwierigkeiten steckt und nicht aufgibt.

Heinlein weiß eine Menge über die Gewaltverhältnisse zwischen Menschen, was dazu führte, daß er sich einen Heldentyp ausdachte, der mit zwischenmenschlichen Problemen fertig werden kann. Dieser kommt in allen seinen Romanen vor: Er beschreibt intelligente Menschen von hoher fachlicher Kompetenz, die erfolgreiche, verantwortungsbewußte Staatsbürger sind, was auch bedeuten kann, daß sie sich mutig über Gesetze hinwegsetzen. Sie leben nach den Werten Ehre, Selbstbeherrschung und Selbstaufopferung aus Pflicht oder Liebe, beherrschen aber auch List und Intrige in meisterhafter Weise. Der Autor besteht auf einer individuellen Handlungsfreiheit. Wer sich selbst bemitleidet und beschwert, kommt bei ihm nicht gut weg.

Heinlein wurde berühmt, als er Stories für Campbell in "Astounding" veröffentlichte. Am erwähnenswertesten in dieser Phase ist eine Serie von Geschichten über die unmittelbare Zukunft, die Campbell 1941 als FUTURE HISTORY veröffentlichte, eine detaillierte, mit Zeittafeln genau geplante Geschichte der Zukunft. Werke wie "Requiem", "Die Straßen müssen rollen", "Coventry" und "Universe" gehören dazu. 1941 erschien darunter auch der Roman "Methusalem's Children", der Heinleins Lieblingsfigur Lazarus Long vorstellte, die in seinen späteren philosophischen Romanen eine bedeutende Rolle spielt. Die "Future History" ist kein geschlossener Verbund von Geschichten und Romanen. Sie hat einen pyramidenartigen Aufbau. Ihre Welt ist einwandfrei die unsere, nur ein paar Jahre oder Jahrzehnte in die Zukunft projiziert.

In den 50er Jahren begann Heinlein auch spannende Jugendromane zu schreiben, zum Beispiel "Zwischen den Planeten" und "Farmer im All". Viele dieser Romane und Erzählungen sollten hauptsächlich der Unterhaltung dienen, was ihm nahezu immer gelang. Seine direkte, schnörkelfreie Sprache, der hohe Anteil an Ereignissen in seinem Handlungsaufbau, die prägnanten Charaktere, überraschende Wendungen und absolute Begeisterung für Weltraumabenteuer machten seine Geschichten so beliebt und dienten vielen Autoren als Vorbild.

Heute ist relativ unbekannt, daß sein umstrittenster Roman, "Sternenkrieger" ("Starship Troopers"), eine Space Opera, in den 50er Jahren als Jugendroman geschrieben wurde. Er wurde vom Verlag Scribner als zu militaristisch abgelehnt und sorgte für reichlichen Diskussionsstoff unter den Lesern. Sie verglichen ihn immer wieder mit seinem ersten wirklich erfolgreichen Roman aus dem Jahr 1961 "Stranger in a Strange Land" ("Ein Mann in einer fremden Welt") und es blieb ihnen unverständlich, daß die beiden Romane scheinbar so gegensätzlich waren. "Stranger in a Strange Land" wurde zu einem Kultbuch der Hippies, auch außerhalb der SF-Szene. Genaugenommen nahm er die Hippie-Bewegung vorweg. Sieben Millionen Exemplare wurden verkauft, und die Hippies belagerten Heinleins Haus, woraufhin er es schließlich mit einer hohen Mauer umgab.


*


"Leseprobe"

Das folgende Zitat charakterisiert in aller Kürze und Prägnanz eine für Heinlein typische Hauptfigur. Etwas oberflächlich wird ihm eine "Vorliebe für autoritäre Starrköpfe" unterstellt.

Jubal Harshaw aus "Ein Mann in einer fremden Welt", bissig, gerissen, Lebenskünstler, Feinschmecker, Schriftsteller und Philosoph:

Hier wird niemand zu seinem Glück gezwungen, meine Liebe. Jeder tut, was ihm Spaß macht ... und wenn er dann etwas tut, das mir mißfällt, werfe ich ihn hinaus.
(aus: Robert A. Heinlein: "Ein Mann in einer fremden Welt", 1961 by Heinlein, München 1984, S. 73)


*


Autoren
- Persönliche Daten
- neue Akzente für die Science Fiction-Literatur
- Zur Schreibtechnik
- Stellungnahmen zur Science Fiction
in Interviews und Romanen
- Werke mit Auszeichnungen und Verfilmungen
- Leseproben

Erstveröffentlichung 1998

5. Januar 2007