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SF-JOURNAL/047: Bücher... Über dimensionsreisende Pervekte und Basare (SB)


Humor in der Science Fiction, Die Dämonenserie von Robert Asprin


"Aber Ihr habt doch gesagt, Ihr seid ein Dämon?"

"Das stimmt. Ich stamme aus einer anderen Dimension. Ein Dimensionenwanderer, oder kurz gesagt ein Dämon. Kapiert?"

"Was ist eine Dimension?"

"Und du willst wirklich Garkins Lehrling gewesen sein?" schalt der Dämon. "Ich meine, er hat überhaupt nichts von Dimensionen erzählt?"

"Nein", antwortete ich. "Ich will sagen, ja, ich bin sein Lehrling, aber er hat mir niemals etwas von Dämon-Sonnen erzählt."

"Dimensionen heißt das", verbesserte er. "Also, eine Dimension ist eine andere Welt, genauer gesagt eine von mehreren Welten, die gleichzeitig mit dieser, aber auf verschiedenen Ebenen existiert. Kannst du mir soweit folgen?"

"Nein", versicherte ich überzeugend.

"Na, dann nimm einmal einfach an, daß ich von einer anderen Welt stamme. Und in dieser Welt bin ich ein Magiker wie Garkin. [...]"

"Aber Ihr habt doch gesagt, Ihr wärt ein Dämon", sagte ich mißtrauisch.

"Das bin ich doch auch! Schau, Kind. In meiner Welt wärst du ein Dämon, ein Geist, aber im Augenblick befinde ich mich in deiner, also bin ich der Dämon."

"Aber ihr sagtet doch, Ihr wärt ein Zauberer."
(aus Robert Asprin: Ein Dämon zuviel, 1978 by Asprin, Bastei- Verlag, Bergisch Gladbach 1979, ins Deutsche übertragen von Sylvia Pukallus, Seite 22 )

Haben Sie in diesem Text das altvertraute Genre Science Fiction wiedererkannt? Kann man doch über diese ernste Materie (Schock und Gefahr) und eine so dramatische und knifflige Situation, in die der Zauberlehrling Skeeve gerät (im Pentagramm sitzt nach einer Beschwörung drohend der Dämon Aahz), schlecht Witze machen, oder? Tatsächlich ist humorvolle Science Fiction eher selten. Nur Anfang der 80er Jahre waren solche alternativen Utopien regelrecht "in". Einige Autoren versuchten zu dieser Zeit, die Science Fiction mit ungewohnten sprachlichen Stilmitteln, die aus dem Lebensgefühl Ende der 70er Jahre stammten - irrwitzige Logik, abgefahrene neue Wortkonstruktionen und temporeiche Dialoge, die von Mißverständnissen leben - zu beleben. Typische Vertreter dieser etwas sorglosen Art, sich mit alternativen Formen des Zusammenlebens auseinanderzusetzen, von der Technikgläubigkeit abzuwenden und mit wissenschaftlichen Konstruktionen wie Zeitreisen, außerirdischen Lebensformen und anderen Dimensionen zu spielen, sind Douglas Adams mit dem beispiellos erfolgreichen Kultroman "Per Anhalter durch die Galaxis" und Robert Asprin mit seiner "Dämonenserie".

Das Erfolgsrezept dieser Romane ist verblüffend einfach: Man erfinde ausgeprägte Charaktere - Klischees ihrer sozialen Herkunft -, versetze sie in skurrilste Konfliktsituationen (etwa: Wie werde ich ein auf mich fixiertes Drachenbaby wieder los? - Wie gewinne ich mit wenigen Mitstreitern gegen eine ganze Armee? - Wie gelange ich wieder in meine Dimension zurück?), lasse ihre unterschiedlichen Absichten aufeinandertreffen, und auf der Stelle ergeben sich Dialog für Dialog die komischsten dramatischen Höhepunkte. Die ausgeflippten Typen dieser Zeit wurden einfach in den Weltraum versetzt und trafen auf noch abgedrehtere Individuen, und so machten die Autoren Endzeitgefühle über die drohende Zerstörung der Erde mit schwarzem Humor erträglich.

Einige Vorläufer schafften es schon früher, die staubtrockenen Themen der Science Fiction mit Humor zu beleben:

Zurückblickend läßt sich sagen, daß der eine oder andere Autor durchaus versucht hat [...], dem Verlangen des Lesers, über die Vergangenheit oder die Zukunft zu lachen, Genüge zu tun - oder sich selbst und den eigenen Bestrebungen: Henry Kuttner und Robert Block in den 30er und 40er Jahren, in den 40er und 50er Jahren William Tenn [...] mal solo, mal gemeinschaftlich, dann in den 50er Jahren Mack Raynolds und Frederic Brown, ebenso einzeln oder zusammen Frederik Pohl und Cyril Kornbluth sowie Robert Sheckley in den 50er und 60er Jahren."
(aus James Gunn, Hrsg.: Von Huxley bis Heinlein, Wege zur Science Fiction, 4. Band, 1979 by James Gunn, 1988 Heyne Verlag, S. 300)

Der erste wirklich große Meister humorvoller Science Fiction war Lyon Sprague de Camp (*1907): Dozent, Ingenieur, Patentanwalt, Werbetexter, Offizier, freier Autor und Herausgeber, ein Freund Isaac Asimovs und Robert Heinleins. Zusammen mit dem Preisboxer Fletcher Pratt (1897-1956) schrieb er zahlreiche Geschichten, in denen Personen mittels mathematischer Formeln in magische Welten entrückt werden. In den 50er Jahren entstanden die "Tales from Gavagan's Bar", der erste wirkliche Geheimtip für Liebhaber humorvoller Science Fiction, eine Sammlung, die den Zeitgeist der 50er Jahre spiegelt - aber diese schier unglaublichen Erzählungen sind einer weiteren Empfehlung wert.

Der Grad der Überspitzung nahm später in den 70er Jahren zu, die gesellschaftskritischen Anteile ab. Der Schwerpunkt lag weniger darauf, gesellschaftliche Mißstände aufzudecken und konsequent weiterzudenken, als auf dem Spiel mit gesellschaftlichen Widersprüchen und dem Versuch, sie durch neue Blickwinkel ad absurdum zu führen, sie um des Effektes willen zu verzerren -eine an sich angepaßte, unkritische Haltung. Natürlich bestand nicht mehr der Anspruch, wissenschaftliche Spekulation in den Mittelpunkt zu stellen, angesichts der überwältigenden und nicht mehr zu verschleiernden Weltprobleme neigte man dazu, lieber vor der Wirklichkeit in Scheinwelten zu entfliehen. Die Zerstörung der Lebensräume wurde einfach durch die Erfindung neuer Räume und die Konzentration auf Charakterdarstellung ersetzt.

Robert Asprin ist nahezu ein Meister darin. In der "Dämonenserie" entwickelt er Figuren, die alles andere als stereotyp sind und jede Menge Dynamik entfalten, weil sie den aufgebauten Erwartungen widersprechen, ihre Handlungsweisen und Entscheidungen voller Überraschungen stecken. Man kann sich darauf verlassen, daß der Konfliktstoff jedes einzelnen Bandes hochexplosiv ist. Die Hauptpersonen Skeeve (der ahnungslose und lebensunerfahrene Zauberlehrling) und Aahz (der Dämon aus der Dimension Perv) sind sich ebenbürtig in ihrer Starrköpfikgkeit, ihre Ziele sind die gleichen, ihre Herangehensweisen jedoch sehr unterschiedlich, und das ergibt die so beliebte Situationskomik, die dem Bedürfnis nach temporeicher Unterhaltung und Abwechslung entgegenkommt. Der Leser steckt mittendrin, denn in jedem Roman muß er sich auf's Neue Sorgen um das Wohlergehen und die richtigen Entscheidungen der beiden "Partner" machen, die sich durch Selbstüberschätzung oder Schusseligkeit und Unkenntnis in immer aussichtslosere Lagen bringen. Die Umgebung des unvergleichlichen Basars der Dimension Tauf scheint dafür besonders gut geeignet zu sein und bleibt diesbezüglich in lebhaftester Erinnerung ("Wenn ich auch wußte, daß meine Heimatdimension nicht besonders farbenprächtig war, so hielt ich sie doch nicht für trostlos ... bis ich einen ersten Blick auf den Basar von Tauf warf." [aus "Ein Dämon zuviel", Bd. 1, S. 124]).

Gleich im ersten Band macht man mit dem Basar Bekanntschaft. Die Einführung erfolgt in einem großen Handlungsbogen, der mehrere Szenen mit jeweils atemberaubenden Höhepunkten umfaßt. Die Schreibtechnik Robert Asprins wird hierbei besonders deutlich:

Mit Aahz zusammen wandert Skeeve an Zelten und Buden vorbei. Aahz "[...] tauchte in die Menge und ließ mir keine andere Wahl, als seiner Spur zu folgen.

Der widerliche Gestank wurde merklich stärker.

"Das", erklärte Aahz feierlich und blieb vor einem kuppelförmigen Zelt stehen, "ist der Duft der Küche von Perf." [...]

"Hier warten? Warum kann ich nicht mitkommen?"

"Ich glaube nicht, daß dir das gefallen würde. Für jemanden, der nicht von Perf stammt, sieht es noch schlimmer aus, als es riecht."

Es fiel mir schwer, dies zu glauben.
[...]

"Ich will dir was sagen, Kerlchen, das Hauptproblem bei Perfekter-Gerichten ist, das Zeug davon abzuhalten, aus dem Teller zu kriechen, während man es ißt."

"Ich werde auf dich warten", entschied ich."

(Bd. 1, S. 125f)

Während Aahz seinen kulinarischen Genüssen nachgeht, besieht sich Skeeve einen Pferch voller riesiger Drachen der verschiedensten Arten. Als er gerade gehen will, wird er am Ärmel gezupft.

Ich sah mich um. Da stand doch genau hinter mir ein kleiner Drache! Nun, er war etwa 1,20 m hoch und drei Meter lang, doch wenn man die anderen Drachen gesehen hatte, wirkte er klein dagegen. Er war grün, hatte riesige blaue Augen und zeigte erste Ansätze zu einem weißen, herunterhängenden Bärtchen.
(Bd. 1, S. 27)

"Gliep", sagt er (und so heißt er dann auch) und in dem nun folgenden aberwitzigen Streitgespräch mit dem Drachenpferchbesitzer stellt sich heraus, was jeder in Tauf weiß - nur Skeeve nicht -, daß man einem Drachen nichts zu fressen geben darf, auch nicht den Ärmel, denn dann wird man ihn sein ganzes Leben lang nicht mehr los ...

Schließlich macht sich Skeeve, nun um ein Drachenbaby reicher, daran, das Perv-Restaurant und damit Aahz zu suchen.

"Das Zelt, das direkt neben Eurer Bude stand."

"Das Perf-Restaurant!?!" Entsetzen schwang in der Stimme des Täuflers mit.

"Gliep", erklärte der Drache.

"Warum solltet Ihr ein solches Lokal aufsuchen, junger Herr? Ihr scheint wohlerzogen und guter Herkunft."

"Ein Freund von mir befand sich in dem Zelt, als es
verschwunden ist."

"Ihr habt einen Perverser zum Freund?" Seine Stimme verlor alle Freundlichkeit.
(Bd. 1, S. 135)

Da sich herausstellt, daß das Restaurant ständig seinen Standort wechseln muß, gerät Skeeve im folgenden auf der Suche danach im buchstäblichen Sinne des Wortes unter die Räuber, wobei sich zwischen Skeeve und dem Drachen eine Zusammenarbeit entwickelt und der Leser neuen und alten Bekannten und späteren Begleitern begegnet.


*


Alle Freunde und Mitstreiter der beiden Hauptpersonen sind auf dem Basar von Tauf anzutreffen, als da wären:

* Tanda, die ausgebildete Mörderin,

* Ajax, der Bogenschütze von Archäa mit seinem Bogen Blackie, eine skelettartige Gestalt, mit staubig-weißer Hauttönung, runzeligem Gesicht und struppigem Bart, eigentlich ein Greis,

* Gus und Berfert, der feuerspeiende Salamander - Gus, der Wasserspeier, ein Scheusal aus grobem, grauen Stein mit Flügeln und krallenbewehrten Händen und geschwungenen Dornen an den Ellenbogen, mit faltigem Gesicht; das eingeätzte, entnervende Lächeln zeigt die spitzen Zähne,

* der Gremliner, ein kleiner, koboldhafter Typ mit bösartig blitzenden Augen und blauer Haut, der immer gerade verschwunden ist, obwohl man doch soeben noch mit ihm geredet hat; deshalb behaupten viele auch, daß es Gremliner gar nicht gibt.

Aber hier soll nicht vorgegriffen werden, schließlich reichen diese Informationen über diese schrägen Typen schon, um sich vorzustellen, welche Abenteuer das Magiergespann mit ihnen erlebt. Und in Schwierigkeiten stecken die beiden immer wieder bis über beide Ohren...


*


"Robert Asprin lebt in Ann Arbor, Michigan, USA, und ist die eine Hälfte des Autorengespanns mit seiner Frau Lynn Abbey. [...] Bevor er zu schreiben begann, war er Fechtlehrer, mongolischer Reiterführer, Klingone, Finanzhai und galaktischer Söldner - oder er behauptet es zumindest." (Buchrücken von Bd. 4 der Dämonenserie)

Hier einige Titel aus der "Dämonenserie" von Robert Asprin:

* Robert Asprin: Ein Dämon zuviel, 1978 by Asprin, Bastei-Verlag, Bergisch Gladbach 1979, ins Deutsche übertragen von Sylvia Pukallus, Bd. 1

* Robert Asprin: Drachenfutter, 1981 by Asprin, Bastei-Verlag, Bergisch Gladbach 1983, ins Deutsche übertragen von Sylvia Pukallus, Bd. 2

* Robert Asprin: Ein Dämon auf Abwegen, 1982 by Asprin, Bastei- Verlag, Bergisch Gladbach 1986, ins Deutsche übertragen von Ralph Tegtmeier, Bd. 3

* Robert Asprin: Ein Dämon kommt selten allein, 1983 by Asprin, Bastei-Verlag, Bergisch Gladbach 1986, ins Deutsche übertragen von Ralph Tegtmeier, Bd. 4

* Robert Asprin: Ein Dämon macht noch keinen Sommer, 1984 by Asprin, Bastei-Verlag, Bergisch Gladbach 1986, ins Deutsche übertragen von Ralph Tegtmeier, Bd. 5

* Robert Asprin: Dämonenfutter, Bastei-Verlag, Bergisch Gladbach Bd. 6

* Robert Asprin: Ein Dämon mit beschränkter Haftung, 1985 by Asprin, Bastei-Verlag, Bergisch Gladbach 1988, ins Deutsche übertragen von Ralph Tegtmeier, Bd. 7

* Robert Asprin: Ein Dämon für alle Fälle, Bastei-Verlag, Bergisch Gladbach, Bd. 8

* Robert Asprin: Ein Dämon dreht durch, 1987 by Asprin, Bastei- Verlag, Bergisch Gladbach 1990, ins Deutsche übertragen von Ralph Tegtmeier, Bd. 9


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Erstveröffentlichung 2001

8. Januar 2007