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SF-JOURNAL/007: Geschichtliches... Goldene Zeitalter (SB)


Geschichte der Science Fiction

Goldene Zeitalter


Science Fiction-Literatur als Abbild des Zeitgeistes: vom Fortschrittsglauben zur Weltuntergangsstimmung, zu Umwelt- Antiutopien, New Wave und den unverfänglicheren Themen der fantasy- orientierten SF


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Einleitung: Grundsätzliches

Ein geschichtlicher Überblick über die Entwicklung der Science Fiction-Literatur kann unter den verschiedensten Aspekten erfolgen, zum Beispiel unter zeitgeschichtlichen, künstlerischen, publikationsgeschichtlichen, autoren-, themenbezogenen oder soziologischen Gesichtspunkten. Hier soll zunächst nur eine kleine Orientierungshilfe durch den Dschungel der jahrzehntelangen Veröffentlichungen für den Neuling erfolgen, die sowohl die Erfolgszeiten der Autoren als auch die Thematiken berücksichtigt, die ohne zeitgeschichtliche Kenntnisse über das Genre in ihrer Intensität oft gar nicht mehr unmittelbar nachvollziehbar wären.

Als Fan des Genres neigt man dazu, sich möglichst umfangreiches Informationsmaterial zuzulegen - das bei allzu schneller Aneignung eher zur Verwirrung beitragen mag. Da stellt sich dann sehr bald die ganz persönliche Frage, welche Funktion eine systematische Sammlung von Material - etwa eine historisch orientierte - über den bloßen Genuß am Konsumieren hinaus haben soll. Und schon wird die Auseinandersetzung mit Science Fiction-Literatur grundsätzlicher und ernsthafter. Welche Funktion erfüllt diese Literatur eigentlich für die treue Leserschaft, bei der man von Anfang an eine starke Beteiligung und eine ungebrochene Faszination nachweisen kann? Es wird der Science Fiction sogar nachgesagt, daß sie für viele eine Erfahrung von fast übersinnlichem Charakter ist. Gemeinsam haben Leser und Autor wohl, gleich zu welcher Zeit, daß sie die Frage nach der Zukunft der Menschheit ein kleines Stück weit beantworten wollen. Es hat einen Reiz, dem man sich kaum entziehen kann, gemeinsam zu spekulieren, weiterzudenken, zuende zu denken, zu warnen - oder einfach nur mit allen Möglichkeiten zu spielen.

Allerdings stößt man dabei auch an die Grenzen des menschlichen Denkvermögens, zwischenmenschlicher Interessen, Wahrnehmungsfähigkeiten und Absichten, und das reicht schon weit über die Funktion hinaus, die andere Literatur erfüllt - was den Wert der Science Fiction-Literatur nur steigert. Exakte Vorhersagen über die Zukunft können allerdings nur Zufallstreffer bleiben, wenn man sich auf die Reproduktion schon bekannter wissenschaftlicher Erkenntnisse beschränkt und bekannte Elemente einfach neu zusammensetzt oder schnelle Lösungen sucht, statt das Problem tiefer zu durchdenken und entwickelbar zu halten.

Science Fiction-Literatur setzt Zeitgeist um, ist eine Abbildung zeitgenössischer Realität und ohne die Kenntnis des geschichtlichen Kontextes schwerer zu verstehen.

Auf dem Hintergrund dieser Klärung der Funktion von Science Fiction- Literatur kann man die inhaltliche Entwicklung und die Absicht der Autoren als Ausdruck eines historischen Zeitabschnitts verstehen, der dem jeweiligen Kenntnisstand der wissenschaftlich-technischen Forschung entspricht.


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Höhepunkte

Es gibt eine Reihe von Höhepunkten in der Entwicklung des Genres, die sich anfänglich mit der Geschichte der SF-Magazine deckt. Siehe dazu auch:

SF-JOURNAL/004: Akzente... SF-Magazine, frühe Publikationsform der SF

Fast alle Autoren, die sich mit der Geschichte der Science Fiction befaßt haben, teilen sie in folgende Perioden ein:

1. "Amazing" - die Gernsback-Ära, von 1926 - 1938

* Fortschrittsoptimismus, naturwissenschaftlich geprägt, hoher abenteuerlicher Anteil


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2. "Astounding" - die Campbell-Ära, das erste Goldene Zeitalter

Zwischen 1938 und 1950

* Campbell, der Herausgeber des Magazins "Astounding", ist der Apostel des Fortschrittsglaubens

* Vertrauen in die Überlegenheit des Menschen, in seine Fähigkeit, jede Herausforderung im All zu meistern und sich das Universum anzueignen

* viele neue Autoren und eine Flut neuer Magazine


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3. "The Magazine of Fantasy and Science Fiction" (F&SF) und "Galaxy", das zweite Goldene Zeitalter 1950 - 1965

* Science Fiction ist nicht mehr länger rein technisch-
naturwissenschaftlich orientiert

* die neue Autorengeneration sagt sich von den Magazinen zugunsten einer größeren Individualität los

* zwischen 1952 und 1956 zweites Goldenes Zeitalter


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4. 1966 "New Worlds" von Michael Moorcock

* New Wave


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5. 70er Jahre

* Aufblühen der Fantasy

* SF-Kultfilme

* Zyklen


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"Amazing" - die Gernsback-Ära, von 1926 - 1938

Fortschritte auf technisch-wissenschaftlichem Gebiet, die um die Jahrhundertwende bei Jules Verne und H.G. Wells bis in die 20er Jahre noch neu und aufregend erschienen waren, wirkten nun traditionell und einige Ideen sogar altmodisch.

Science Fiction-Themen waren: Zeitreisen, Unsichtbarkeit durch chemische Prozesse oder hohe Geschwindigkeit, Angriffe Außerirdischer. Die Personendarstellungen beziehungsweise Charaktere blieben schablonenhaft.

Die technischen und wissenschaftlichen Entwicklungen hatten zu dieser Zeit großen Einfluß auf den Alltag und das Privatleben des einzelnen: Hertz' Beschäftigung mit den Radiowellen, Röntgens Entdeckung der nach ihm benannten Strahlen und Thomsons Entdeckung des Elektrons; neue Techniken ermöglichten Erfindungen wie den Film, die Verbrennungsmaschine, die Glühlampe und den Phonographen. Neue Druckverfahren verbilligten die Herstellung von Zeitungen und Magazinen, was zu einer größeren Verbreitung dieser Literaturform führte. 1926 wurde "Amazing", das erste SF-Magazin, von Hugo Gernsback gegründet. In dieser Zeit gab es einige berühmte Autoren der ersten Stunde, zum Beispiel Hans Dominik in den 20er Jahren, Edgar Rice Burroughs ("Under the Moons of Mars", 1912), Jack Williamson, E.E. "Doc" Smith, Clifford Simak und H.G. Wells. 1926 wurde der Fritz Lang-Filmklassiker "Metropolis" bekannt, einige Jahre später "Flash Gordon".

Die Themen waren stark beeinflußt von den Erfindungen und der enormen technischen Entwicklung dieser Zeit und den Auswirkungen der Industriellen Revolution.

1924 bewies Edwin F. Hubble die Existenz anderer Galaxien. Das hatte zur Folge, daß die Erde nicht mehr als der Mittelpunkt des Universums betrachtet werden konnte, und selbst das Sonnensystem hatte jetzt nur noch einen unbedeutenen Platz in einem der Spiralarme einer Galaxie. Zur gleichen Zeit wurde das Atom in immer kleinere Partikel gespalten (Schroedingers Theorie von der Wellenmechanik und Heisenbergs Quantenmechanik zwischen 1924 und 1926 und 1938 die Urankernspaltung). In diesem unermeßlichen Universum, in dem sogar die Materie immer unbedeutender wurde, hatte die Menschheit keine zentrale Stellung mehr. In den 30er Jahren wurde diese Wertminderung noch durch die Weltwirtschaftskrise verstärkt. Es war also nur logisch, daß Science Fiction-Autoren von den Weiten und abenteuerlichen Möglichkeiten des Weltraums träumten - oder auf ihn auswichen?


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"Astounding" - die Campbell-Ära, das erste Goldene Zeitalter zwischen 1938 und 1950

1938 begann Campbells Herausgeberschaft beim SF-Magazin "Astounding". Er war damals 28 Jahre alt und Herausgeber bei Street & Smith gewesen. Nun gestaltete er "Astounding" nach seinen persönlichen Vorstellungen. Er warb viele neue Autoren an und prägte sie inhaltlich in seinem Sinne. Sein Fortschrittsoptimismus war so ansteckend, daß er zeitweise für das ganze Genre richtungsweisend war. Man nannte ihn den Apostel des Fortschrittsglaubens. Die optimistische Grundhaltung war sicher auch auf die allmähliche Erholung von der Weltwirtschaftskrise zurückzuführen. Für Leser und Autoren gab es keinen Zweifel, was Science Fiction war: das, was in "Astounding" veröffentlicht wurde.

Campbell legte Wert darauf, daß der wissenschaftliche Teil einer Story plausibel dargestellt wurde. Forscher und Techniker sollten die zentralen Figuren sein. Darüber hinaus wollte er Geschichten mit ausgefallenen Ideen veröffentlichen, sofern diese durchdacht waren und überzeugend wirkten.

Außerdem suchte er auch Autoren aus und ermutigte sie. In "Astounding" erschienen Stories von Sprague de Camp, L. Ron Hubbard, Eric Frank Russell, Lester del Rey, Robert A. Heinlein, A.E. van Vogt, Theodore Sturgeon, Isaak Asimov, Henry Kuttner und C.L. Moore.

Wer mehr über die Persönlichkeit von J.W. Campbell jr. wissen möchte, findet in nahezu jedem Vor- oder Nachwort seiner Autoren eine Beschreibung der Zusammenarbeit mit ihm.

Ende der 40er Jahre verschwanden die großen "Pulps" und machten Magazinen in Digest-Größe Platz. Bis 1953 waren 34 Magazine auf dem amerikanischen Markt.

Weltraum-Raketenversuche und der erste Sputnik-Start waren jetzt greifbar. Angesichts der Raketenwaffen und der Atombombe kam Kriegsangst auf, was zur Folge hatte, daß die Unterhaltungsindustrie einen Boom erlebte, darunter besonders die Science Fiction-Literatur, die zu dieser Zeit sicher auch als Flucht vor dem Alltag benutzt wurde. In diese Richtung sind wohl die damalige UFO-Hysterie zu deuten und die ersten Versuche, die technische Orientierung der Science Fiction mit Märchenmotiven zu verknüpfen. Es entstand eine Fan-Kultur, durch die Autoren unterstützt wurden, und aus deren Reihen Autoren und Herausgeber hervorgingen.

Hardcover-Verlage mit neuer Herausgabe für SF-Romane und Massenproduktionen von Filmen über die Invasion von Außerirdischen oder den US-Army-Einsatz gegen Ungeheuer machten das Genre bekannt und leiteten einen neuen Boom ein, der die Science Fiction aus dem Magazinghetto herausholte.

Science Fiction fand nun auch in anderen Ländern verstärkt Aufmerksamkeit, man kann von einem weltweiten Durchbruch sprechen: in Australien, Schweden, Italien, Frankreich und Deutschland (mit den "Weltraumbüchern" vom Gebrüder Weiß Verlag und Heftreihen vom Pabel Verlag).


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"The Magazine of Fantasy and Science Fiction" und "Galaxy", das zweite Goldene Zeitalter, 1950 - 1965

1949 kam eine starke Konkurrenz für "Astounding" auf. Man kann sagen, das führende Magazin wurde durch zwei neue abgelöst, durch "The Magazine of Fantasy and Science Fiction" (F&SF) und "Galaxy". Die Herausgeber von F&SF, Anthony Boucher und J. Frances McComas und Horace L. Gold von "Galaxy" setzten andere Schwerpunkte. Die wöchentlichen Poker- und Diskussionsrunden von Horace Gold mit seinen Autoren sind aufgrund der inhaltlichen Auseinandersetzungen berühmt geworden.

Einhergehend mit dem einsetzenden Boom auf dem Hardcover-Markt, den neuen tonangebenden Magazinen und in der Folge den neuen Autoren kann man von einer thematischen Verlagerung sprechen. Die Jahre der All- Eroberung, der unbegrenzten Möglichkeiten und des optimistischen Glaubens an eine glänzende Zukunft waren vorbei. Viele neue Geschichten zeigten sich in der Tendenz pessimistisch, der Glaube an die Allmacht von Wissenschaft und Technik schlug um in Skepsis. Auschwitz und Hiroschima saß den Autoren in den Knochen und der Kalte Krieg und McCarthys Jagd auf Kommunisten und seine Bespitzelungen durch schwarze Listen, Hearings, Prozesse und Säuberungsaktionen ließen ahnen, daß die Menschheit sich in eine dunkle Zukunft steuerte. Zusätzlich kamen erste Mahnungen von Forschern über die Zerstörung der Umwelt und die Grenzen des Wachstums und der Energieressourcen. Außerdem wurden Kernreaktoren und die Wasserstoffbombe perfektioniert, der Laserstrahl erfunden, und der politische Schaukampf beim Wettlauf um die erste Mondlandung begeisterte nicht jeden. An den Universitäten sorgten Vietnamkriegsgegner und Bürgerrechtler für starke Gesellschaftskritik, die bis zum Aufruhr führte.

Eine allgemeine Tendenz, sich von den Naturwissenschaften abzuwenden, zeichnete sich ab. Die sogenannten "soft sciences", die "weichen Wissenschaften" wie Theologie, Philosophie, Psychologie, Soziologie und ethnische Aspekte wurden modern, und Personencharakteristiken nahmen an Bedeutung zu. Darüber hinaus wurden Tabus gebrochen: Neuerdings spielten Sex, Religion und Politik, vereinzelt Humor und Satire eine Rolle in der Science Fiction.

Neue Autoren wie Bradbury, Blish, Sheckley, Bester und Dick faßten im zweiten Goldenen Zeitalter Fuß. Viele blieben auch "Astounding" nicht mehr treu und wechselten aus finanziellen Gründen, aber auch wegen geringerer inhaltlicher Einschränkungen für ihre Geschichten. Seit 1950 wurden erstmalig SF-Preise verliehen. Die "Hugos" galten als Gradmesser für literarische Leistungen.

Bei F&SF hatte gute literarische Qualität Erfolg. Man schätzte auch guten Stil. "Galaxy" legte mehr Wert auf Unterhaltung. Nicht Wissenschaftler und Techniker sollten mehr die Hauptfiguren sein, sondern der Durchschnittsbürger, der eine fremde Welt erlebte und sich darin beweglich zeigen mußte.

Man kann zusammenfassend sagen, daß in den 50er Jahren die Science Fiction realistischer und menschlicher wurde und vom Weltraum auf die Erde zurückkehrte. In dieser Zeit dominierte das Anti-Utopische als Folge zweier Weltkriege, des heißen Kriegs in Korea, der Befreiungskämpfe in Vietnam, Marokko und Algerien, die dazu beitrugen, eine ganze Generation zu desillusionieren.


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Anfang der 60er Jahre gingen viele Magazine ein, unter anderem, weil die billigere Herstellungsart der Taschenbücher (seit den 40er Jahren) sie verdrängte. Der Boom von Hardcover-Veröffentlichungen und Paperbacks auf dem Buchmarkt hielt an. Außerdem kamen ab Mitte der 60er Jahre viele Originalanthologien nun in Buchform heraus, was sich als echte Alternative zu den Magazinen erwies. Doch bald war der Markt überschwemmt. Neue Autoren machten sich in dieser Zeit einen Namen: Vonda McIntyre, Susan Janice Anderson, Ed Byrant, Robin Scott Wilson.

Die 60er Jahre brachten neben starken Einflüssen aus der Popmusik und der Fortsetzung der Jugendrevolte den genetischen Kode, die ersten Robotersonden auf Mars und Venus, die Entdeckung der Pulsare - und die Ladung auf dem Mond. Das machte einige Neuerungen in den Science Fiction-Stories aus, Tendenz "Dark Future" mit Bunkerkulturen und Katastrophenromanen aller Art. Zum Beispiel: überall alarmierende Rohstoffverknappung, der Weltraumflug kommt zu spät, um neue Quellen erschließbar zu machen; Umweltverschmutzung, Seuchen oder eine Katastrophe im All lassen alles menschliche Leben von der Erde verschwinden, die Aliens kommen; das Alltagsleben eines Menschen vor dem zukünftigen Hintergrund einer vom Menschen verseuchten und übervölkerten Welt, in der Rohstoffe und Energievorräte aufgebraucht, Meere vergiftet, die Luft verpestet, die Nahrung verseucht ist, und Arbeitslosigkeit, die Allmacht der Konzerne, Gewalt und Kriege ein fast schon realistisches Bild von heute abzeichnen.

Zusätzliche Veränderungen kamen später von den Autoren Poul Anderson, James Blish, Larry Niven, Ursula K. LeGuin, John Brunner, Philip K. Dick und Silverberg. Neue Autoren wie Roger Zelazny, Delany und Harlan Ellison wurden berühmt. Neben Asimov und Heinlein ist Arthur C. Clarke der erfolgreichste SF-Autor der letzten vier Jahrzehnte.

Die deutsche SF hatte es schwer, nach der Isolation während des Dritten Reiches den Anschluß an die internationale Entwicklung der Science Fiction zu finden. Berühmt wurden in dieser Zeit "Die Triffids" von John Wyndham (die Natur, durch riskante Züchtungsexperimente vergewaltigt, schlägt zurück - der größte Teil der Menschheit erblindet).

Die Popularität der Science Fiction wuchs so stark an, daß Mitte der 60er Jahre der erste Autorenverband gegründet wurde: Science Fiction Writer of America (SFWA), der jährlich den Nebula Award verleiht.


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1966 "New Worlds" von Michael Moorcock, New Wave

In England entstand bei einigen unzufriedenen Autoren die Tendenz, sich gegen die herkömmliche Science Fiction auszusprechen und sie schlicht zu ignorieren. Hier seien nur in Kürze einige Informationen zur Entstehungsgeschichte einer Bewegung aufgezählt, die im SF- Journal noch eine eigene Ausführung erfahren wird.

Der Herausgeber Ted Carnell bot dem Autor Michael Moorcock die Führung des 1946 gegründeten englischen SF-Magazins "New Worlds" an, das zu dieser Zeit auf recht wackeligen Füßen stand. Moorcock nahm an. Er war schon immer äußerst experimentierfreudig gewesen und wollte den Autoren von Anfang an mehr künstlerische Freiheit lassen und ein Interesse fördern, das größeren Wert auf literarische Neuheiten als auf wissenschaftliche Utopien legte. Damon Knight schloß sich Moorcock an, und es folgten begeistert Brian W. Aldiss, John Brunner, Charles Platt und die Amerikaner Thomas Dish, John Sladek, Norman Spinrad. Formal sollten extreme Stilformen, inhaltlich eine neue Moral bestimmend sein.

Als die Autorin und Herausgeberin Judith Merril, bei Campbell bekannt geworden, nach England kam, zeigte sie sich so begeistert von dem "New Worlds"-Experiment, daß sie es auch in den USA verbreiten wollte. Sie nannte es "New Wave".

Das neue "New Worlds"-Magazin hatte von Anfang an finanzielle Schwierigkeiten und verlor mit der neuen Richtung auch einige Leser. Doch das Magazin konnte schließlich mit der Unterstützung des British Arts Council weitergeführt werden. Namen wie Roger Zelazny und Gene Wolfe waren inzwischen auch dabei.

Es hielt sich nach atemberaubendem Auf und Ab allerdings doch nur bis zur Mitte der 60er Jahre.


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70er Jahre

Man kann sagen, daß sich in den 60er und 70er Jahren die Science Fiction zu einem selbständigen Genre entwickelt hat. Filme wie Kubricks "2001 - A Space Odyssey" (1968) haben dazu beigetragen.

Seit den 70er Jahren eroberten Frauen das Genre: Ursula K. LeGuin, Joanna Russ, Vonda McIntyre, C.J. Cherryh, James Tiptree. Gleichzeitig vollzog sich ein interner Wandel zur mehr fantasy- orientierten Science Fiction.

Die Zahl der Autoren, die hauptberuflich schrieben, stieg an. Neue Autoren tauchten auf: Joe Haldeman, George R.R. Martin, Gregory Benford, Alan Dean Foster, Jerry Pournelle, Josephine Saxton, Ed Bryant, George Alec Effinger, Joan Vinge, Gordon Eklund. Viele schrieben sofort Romane wie C.J. Cherryh oder Tanith Lee. Die Popularität von Zyklen stieg. Magazine führten ein Schattendasein.

1971 wurde der Film von Stanley Kubrick "2001 - Odyssee im Weltraum" nach Arthur C. Clarks Kurzgeschichte "Der kosmische Wächter" zum Kultfilm. Ein weiterer filmischer Höhepunkt war "Blade Runner" von Ridley Scott nach Philip K. Dicks Story "Träumen Roboter von elektrischen Schafen?" Die wachsende Beliebtheit der Science Fiction kommt auch durch Filme wie "Krieg der Sterne" und "Alien" zustande.

Aktuelle Themen aus der Mitte der 70er Jahre: Protest gegen Umweltzerstörung, Protest gegen Lagerung und Transport chemischer Kampfstoffe, Protest gegen die Entwürdigung des Menschen in totalitären Systemen.

Ab 1977 wurden Zyklen beliebt: Die Saga von Dray Prescot (Alan Bert Akers); der Amber-Zyklus von Zelazny; Farmers Flußwelt-Zyklus; Moorcocks Elric von Melniboné; LeGuins Erdsee-Trilogie, C.J. Cherryhs Morgaine-Zyklus.


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Es bleibt nur noch, einen kleinen Ausblick darüber zu geben, was als Fortsetzung im SF-Journal unter "Geschichte der Science Fiction" näher beschrieben und kritisch beleuchtet werden wird. Es geht um die Mitte der 80er und um die 90er Jahre mit ihrer Entwicklung zu einem neuen thematischen Schwerpunkt, dem "Cyberpunk" - härteste Hardcore- SF oder Dark Future?

Die Präsentation der neuen Themen und ihr SF-Anteil ist eine kritische Analyse wert. Es geht um Datenverarbeitung und Datenkontrolle, die Jagd auf Daten und Einbruch in Datenbanken, um den Traum von der direktesten Kommunikation mit Computern über in den menschlichen Schädel implantierte Interface-Geräte und um den Computer als Droge.

Erstveröffentlichung 1997

6. Januar 2007