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PRODUKTREFLEXION/002: "Inglourious Basterds" - Die Rache des Quentin Tarantino (SB)


"Inglourious Basterds" - Die Rache des Quentin Tarantino


Der Filmemacher Quentin Tarantino hat mit seinen tragikomischen und ungewöhnlich brutalen Trashstreifen "Pulp Fiction", "Reservoir Dogs", "Jackie Brown" oder "Kill Bill" amerikanischen, italienischen und asiatischen B-Movies zu internationalem Kultstatus verholfen. Nun erfüllt er sich mit seinem neuesten Werk, das am 20. August in die deutschen Kinos kommt, einen lang gehegten Wunsch und widmet sich dem Nationalsozialismus und dem deutschen Film jener Zeit.

Tarantino heißt sich selbst willkommen in den gesetzteren Gefilden des Blockbuster-Hollywoods, wo World-War-II-Kolportagen, die als Subgenre des Kriegsfilms bereits in den 70er und 80er Jahren Blüte trieben, als Hochglanz-Tabubruch abermals für Furore sorgen können. Eine aus amerikanischen und deutschen Juden gebildete Guerillatruppe, die "Inglourious Basterds", hat sich im feindbesetzten Frankreich zum Ziel gemacht, so viele Nazis zu foltern und zu töten wie möglich und Hitler ein für alle Mal in den Tod zu stürzen. Aber auch eine andere Attentatsgruppe, die sich um die jüdische Pariser Kinodirektorin Shosanna versammelt, deren Familie von den Nazis ermordet wurde, plant, den Führer umzubringen... Der erfahrungsgemäß gut für die Rolle des am Rande des Wahnsinns stehenden Gesetzlosen einsetzbare Brad Pitt spielt den kaputten Anführer der "Basterds", Aldo Raine, und stellt schon im kompromisslos blutig bebilderten Werbespann zum Film klar, was er von seinen Männern erwartet:

"Mein Name ist Aldo Raine und ich brauche acht Soldaten. Wir werden als Zivilisten getarnt über Frankreich abgesetzt und wir haben nur eine Aufgabe, eine einzige: Nazis töten. Mitglieder der Nationalsozialistischen Partei haben Europa unterworfen durch Mord, Folter, Einschüchterung und Terror, und genau das werden wir jetzt tun: Wir werden grausam zu den Nazis sein, dann werden sie wissen, wer wir sind. Die Spuren unserer Grausamkeiten finden sie in den ausgeweideten, zerstückelten und entstellten Körpern, die wir ihnen zurücklassen, und sie werden nicht mehr aufhören können, sich die Grausamkeiten vorzustellen, die ihre Brüder durch unsere Hände erlitten haben, und durch die Absätze unserer Stiefel, und die Klingen unserer Messer. Die Deutschen werden sich vor uns in die Hose scheißen. Die Deutschen werden über uns reden. Die Deutschen werden uns fürchten. Nazis verdienen keine Menschlichkeit, sie müssen vernichtet werden. Jeder Soldat unter meinem Kommando schuldet mir einhundert Naziskalps. Und ich will meine Skalps. Klingt das gut?"

Aber natürlich! Denn sogar ein Skandalregisseur verdingt sich brav der von Israel diktierten allgemeingültigen political correctness und schlägt damit in die Kerbe, die jedem (deutschen) Kind der jüngeren Generationen mindestens seit der Grundschulzeit bekannt sein dürfte: Nazis sind böse und bleiben böse und böse Juden sind auch irgendwie böse, aber sie dürfen das, weil die Nazis vorher böse waren. Und wer etwas anderes sagt, aus welchen Gründen auch immer, ist selbst ein Nazi... Dabei kann Widerstand doch nicht nur gewalttätiges Aufbegehren der Unterdrückten gegen ihre Unterdrücker sein, sondern muss zum Aufbegehren des Menschen gegen seine aus dem Ruder gelaufene Grausamkeit werden, ohne diese zu verleugnen. So gefesselt aber verbietet sich die Frage nach einer das ewige Dilemma von Nazi-Schuld und deutscher Sühne lösenden Auseinandersetzung, die über die alteingeschliffene Rechtfertigungsmaschinerie Aug um Auge, Zahn um Zahn hinausgehen könnte, von Anbeginn und bis in alle Ewigkeit auch auf dem Gebiet des sonst so viele Tabus brechenden Unterhaltungstrashs. Ob auch die bei aller Grausamkeit wohlschmeckende, weil nicht moralisierende Entlarvung menschlicher Abgründe, die Tarantino weltweit zugesprochen wird, hier auf der Strecke bleibt, ist abzuwarten.

Das Kino Quentin Tarantinos fokussiert nicht mehr die filmische Handlung im Sinne von "eine Geschichte erzählen", sondern lebt von Anspielungen und Parallelitäten, die sich auf die gegenwärtige Wirklichkeit beziehen und auch als solche entschlüsselt werden sollen. Wen also würde der Regisseur in der außerfilmischen Gegenwart an die Stelle der zu tötenden Nationalsozialisten setzen? Israel und die USA vielleicht? Paradoxerweise rekrutiert sich doch seine amerikanisch-jüdische Guerillatruppe gerade aus den fiktiv-historischen Vorfahren jener Landsmänner, die im Laufe der Jahre die perfide Folterforschung der Nazis fortgeführt haben und ihre Kenntnisse in den größten Konzentrationslagern der Welt bis heute ständig verfeinern. Aber nein, natürlich darf ein solcher Vergleich weder hier noch dort auch nur angedeutet werden.

Im schlimmsten Falle sägt Tarantino mit seinem Werk über die bestimmt umfassend gerechtfertigten und brutal abgefeierten Film-Taten der jüdischen Rachehenker und ihrer Mitstreiter an dem Ast, auf dem er selber sitzt. Er unterwirft die Enklave "Undergroundfilm", eine der letzten der Pop-Kultur, die einer unkonventionellen Infragestellung bestehender Herrschaftsstrukturen noch Platz bieten könnte, dem weltpolitischen Mainstream und gibt sie der amerikanisch-israelischen Eintrittskarte Holocaust frei. Der Film wird in seiner berechneten Unanständigkeit so anständig sein, dass die zitatgetränkte Handlung mit ihrem garantiert genreübergreifenden Witz wahrscheinlich auch eingefleischte Fans nicht mehr vom Kinositz haut.

Schon seit über acht Jahren wollte der Regisseur und Autor diesen Stoff verfilmen. - Was bei aller Cannes-Feierlichkeit die Frage aufkommen lässt, ob der Dreh für ihn und seine sich in Hollywood tummelnden deutschen Schauspieler nicht eher Pflichtübung als Herzensangelegenheit war. Doch später hätte es nicht werden dürfen, das leuchtet ein. Zu vermuten ist nämlich, dass die Freude des Publikums an rachenehmenden Opfern des Naziregimes (nicht nur in Deutschland) langsam aber stetig abnimmt - die dauernde Aufbereitung der nie wieder gutzumachenden Schuld am industriellen Massenmord unter dem mahnenden Slogan "wider das Vergessen" dürfte schon jetzt Trotzreaktionen auslösen, die den Wunsch, doch endlich vergessen zu dürfen, nur fördern.

Die besondere Ästhetik der filmgeschichtlichen Epochen ist im Schaffen des Kino-Weisen Quentin Tarantino von großer Wichtigkeit. Sein bekanntes Faible für den Nationalsozialismus muss deshalb nicht zwingend als eine der vielen Stimmen im Chor der World-War-II-Fetischisten interpretiert werden, die vor allem in den USA mit dem durch Filme vermittelten, zum Kult avancierten "konservativen Lifestyle" der Nazis kokettieren. Wenn der preistragende Regisseur in Cannes aber von sich behauptet, er sei kein amerikanischer Filmemacher, sondern mache seine Filme für "Planet Earth" klingt an, was ihn am Dritten Reich wohl noch fasziniert: die Weltherrschaft.

19. August 2009