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ENGLISCH/816: False Friends (3) und weitere Enträtselungsmöglichkeiten (SB)


F A L S E    F R I E N D S    III


Dritte Begegnung mit alten Enträtselungskünstlern,

dogmatischen Werken und die Befreiung durch den Anhaltspunkt



Beginnen wir noch einmal mit dem Ende

Einfach war die Abschlußaufgabe der letzten Folge nun wahrlich nicht. Doch mit etwas Kombination à la Shelly Holmes müßte eigentlich jeder darauf gekommen sein. Nummer 1. "microscope" entspricht, wie man sich denken konnte, dem deutschen "Mikroskop". Viele wissenschaftliche Ausdrücke, die sich aus dem Griechischen und Lateinischen ableiten, werden sowohl in Deutsch als auch in Englisch für die gleiche Sache verwendet.

Wer dennoch nie im Leben ein Mikroskop gesehen oder von ihm gehört hat, konnte das Präfix "micro" für "klein" der Liste entnehmen. "scope" oder das deutsche "skop" wird meist für optische Geräte bzw. mit Linsen versehene Röhren verwendet, durch die etwas sichtbar gemacht wird, z.B. Teleskop für Sternenkundler, Periskop für Unterwasserfahrzeuge, Spektroskop (Apparat zur Bestimmung von Wellenlängen), Stethoskop (Hörrohr für Ärzte) usw.

1. microscope
b) an instrument to make small objects large to see

"Audition" kann man mit Hilfe der Liste enträtseln:

2. audition
c) the act or sense of hearing

Wenn man nun weiß, daß "audi" hören und "phon" für Schall oder Laut steht, kann man auch die Erklärung der Begriffe 3 und 4 nicht mehr verwechseln ...

3. phonoscope
d) an instrument which tests the quality of strings for musical

4. audiometer
e) an instrument for measuring hearing instruments

... wobei man die Nachsilbe -meter ebenfalls von vielen Meßinstrumenten her kennt (Amperemeter, Voltmeter, Tachometer beispielsweise).

So bleibt für 5 nur noch eine Erklärung übrig. Obwohl die griechische Nachsilbe "-logy" (deutsch: -logie) mit der Bedeutung "Lehre, Kunde, Wissenschaft" (Beispiel: biology, geology usw.) nicht in der Liste vermerkt war.

5. audiology
a) the science of hearing

Vielleicht haben Sie festgestellt, daß es erstaunlicherweise Spaß machen kann, auf diese Weise neue Worte oder sogar einen ganzen Text zu entschlüsseln.

Noch vor 250 Jahren war es kaum anders möglich, sich mit der englischen Sprache und Kultur auseinanderzusetzen, als über solche Brücken. Die ersten zweisprachigen Wörterbücher erschienen nämlich erst Mitte des 18. Jahrhunderts.

Erst im 18. Jahrhundert wurde der kulturelle Austausch zwischen Deutschland und England vor allem durch Wieland und Lessing intensiviert. Bei aller Bewunderung für Milton, Shakespeare und andere große englische Autoren ging es erstmals nicht nur um schöne Literatur (die teilweise schon in deutschen Übersetzungen vorhanden war, jedoch auch immer gern im Urtext gelesen wurde), sondern man zeigte allgemein auch großes Interesse an der englischen Philosophie und der Theologie. Auch in den Naturwissenschaften und den technischen Fächern war das Angebot an innovativen Veröffentlichungen aus England groß, gute Übersetzungen gab es dagegen kaum. Den gebildeten Bürgern des 18. Jahrhunderts kam dabei zugute, daß sie im Sprachenlernen und im Umgang mit fremdsprachigen Texten erfahren waren. Man war es quasi gewohnt, sich ein gewisses Leseverstehen auf autodidaktischem Wege selbst zu erarbeiten. Mit selten mehr als einer Grammatik und einem Wörterbuch ausgestattet, ging man daran, den fremdsprachigen Text zu entschlüsseln. Wenn darüber hinaus schon andere Übersetzungen z.B. französische oder holländische vorlagen, wurden diese parallel zu Rate gezogen. Im Vergleich zu den heutigen Möglichkeiten erscheint uns dieses Verfahren der Sprachaneignung äußerst mühselig. Man kann sich jedoch vorstellen, daß das, was man sich mit soviel Mühe erobert hatte, auch nicht so schnell wieder in Vergessenheit geriet.

Archaische Lehrmethoden...

Genau das haben wohl auch heutige Englischlehrer im Sinn, wenn sie ihren Schülern raten, von Anfang an ein English/English-Dictionary zu verwenden, d.h. ein einsprachiges, englisches Lexikon ohne deutsche Übersetzung. Wenn man genügend Zeit, Spaß an Sprache und schon einen gewissen Grundwortschatz zur Verfügung hat, kann das Sprachenlernen zum Abenteuer werden. Doch auf wen treffen schon solche Voraussetzungen zu? Wer aber beim Nachschlagen fremder Begriffe nur auf weitere "Unbekannte" stößt, die dann ebenfalls nachgeschlagen werden müssen, verliert schnell den Faden bzw. die ursprüngliche Frage aus den Augen und dabei möglicherweise auch die Motivation. Für alle Tüftler, Rätseler und Kniffler, die genügend Fanatismus mit sich bringen, um einer Sache wirklich auf den Grund zu gehen, ist diese Art der Vorgehensweise allerdings das richtige und führt auf lange Sicht auch zu einem großen, fundierten Wortschatz.

Übrigens: Der Begriff "Bedeutung" (the meaning in diesem Falle) ist wieder einmal so ein "falscher Freund", setzt man ihn doch oft fälschlicherweise für die "Meinung" (the opinion) ein, die man sich darüber gebildet hat.

... und ihre moderne dogmatische Auslegung?

Auch für das englischsprachige Lexikon gilt: Es ist vor allem wichtig, daß man es richtig nutzen und die Informationen der Begriffe an sich und die des Kontextes richtig deuten kann. Ein Anfänger muß sich daher erst durch sämtliche Kürzel und Hinweise zur richtigen Benutzung durchfressen.

Das ist für den Anfänger zunächst natürlich besonders schwer. Betrachten Sie den folgenden Auszug aus einem amerikanischen Lexikon und Sie werden verstehen, warum ich vor dem dogmatischen Gebrauch warne.

pre—fix [entry word] (pre-fîks'; also pre 'fîks' forsense l) [preferred and alternate pronunciation] tr.v. -fixed, -fixing, [principal parts of the verb] -fixes. 1. To put or fix before, 2. Archaic. to settle or arrange in advance. -n.(pre'fiks'). 1. Abbr. pref. Grammar. An affix put before a word, changing the meaning (as dis- in disbelieve) or modifying the meaning (as pre- in preheat). See combining form. 2. A title placed before a person's name. [New Latin praefixum, a prefix, from Latin praefigere (past particple praefixus), to fix before: prae, before + figere, to fix (see dhigw- in Appendix).] - pre'fix—al adj. - pre'fix'al—ly adv.

Auszug aus dem American Heritage Dictionary, Boston 1979, Erkläuterungen zu der Funktion in []-Klammern

Hier wurde nicht absichtlich ein besonders abschreckendes Beispiel gewählt, sondern schlicht ein Begriff, der in der vorangegangenen Folge eingeführt wurde, und den man eigentlich schon aus dem Kontext heraus verstehen sollte.

prefix = Präfix oder Vorsilbe.

Tatsächlich läßt sich das Durcheinander entschlüsseln, wenn man nur weiß wie:

Abgesehen von einigen verlagstechnischen Unterschieden (ein Blick in die Zeichenerklärung gibt hier Aufschluß), beginnt jeder Eintrag mit dem Stichwort (entry word - entry = Eintragung von Begriffen und Bedeutungen in ein Wörterbuch) gefolgt von der bevorzugten und alternativen Aussprache (das ' zeigt dabei immer die betonte Silbe an). Nach dieser "Klammer" kommt als Abkürzung die Angabe über die "part of speech" in diesem Fall ein tr.v.= transitiv verb. Es könnte aber auch ein n. = noun (s. Lexikonauszug weiter unten), ein adj. = Adjective bzw. adv. = adverb sein.

Die Aufzählung -fixed, -fixing, fixes, gibt darauf die Formen des Verbs (Principal parts of the verb) an, wobei man gleich erkennt, daß es sich hier um ein "regular" verb, also ein regelmäßiges Verb handelt. Bei einem "irregular" bzw. unregelmäßigem stünde hier auch das Past Participle.

Eine Ziffer kündigt immer auf eine weitere Bedeutung hin (1. Definition, 2. Definition etc.). Nach der Ziffer kommt, meist vom Druck besonders hervorgehoben, die Klassifizierung (in Englisch heißen sie "usage labels"). In diesem Auszug sind es Archaic. (altes Englisch) oder Abbr. = Abbreviation
(Abkürzung)

In den eckigen Klammern steht der Ursprung des Wortes (origin of word (etymology)) in diesem Beispiel [New Latin "praefixum", a prefix, from Latin praefigere (past particple praefixus), to fix before: prae, before + figere, to fix ...].

Zum Abschluß werden noch abgeleitete Worte erwähnt, hier: das Adjektiv prefixal und das Adverb prefixally.

Selten enthalten Wörterbücher oder Lexika alle Bedeutungsimplikationen, die in einem Stichwort enthalten sind. Je nach Verwendungszweck des Wörterbuchs (Schul-, Reise-, Business- Wörterbuch) wird eine höchstwahrscheinlich mögliche Auswahl getroffen.

Kommen wir noch einmal auf das "Kleingedruckte", mit dem man sich so ungern befaßt, und das doch so wichtig ist, wenn man sich keine falschen Freunde anlachen will. Dabei sollten Sie auf die folgenden Punkte besonders achten.

a. Für die Rechtschreibung und Silbentrennung ist es z.B. wichtig zu wissen, wie die Anzahl der Silben in ihrem Wörterbuch gekennzeichnet wird. In den meisten Wörterbüchern wie z.B. in dem obigen Beispiel durch einen auffälligen — !

b. Aussprache: Schauen Sie sich das phonetische Alphabet in ihrem Wörterbuch an, auch hier gibt es oft Unterschiede.

c. Prüfen Sie, wo sich in Ihrem Wörterbuch die irregulären Verben befinden. In der Regel findet man sie in einer Liste hinten im Wörterbuch.

d. Einige Eintragungen sind mit "slang (sl.)", colloquial (coll.), archaic, poetic, informal usw. klassifiziert. Das ist wichtig, um sich darüber ein Bild zu machen, wer ein solches Wort in welchem Zusammenhang verwenden könnte.

slang - not ususally acceptable
colloquial - words, expressions not formal (umgangssprachlich)
archaic - no longer used (altertümlich, heute ungebräuchlich)
poetic - connected with poetry or expressing great feeling (poetisch)
informal - not formal

e. In einigen Englisch-Englisch Lexika werden auch Synonyme angegeben, die zur Verständlichkeit beitragen können, aber auch manchmal in anderen Zusammenhängen stehen.


*


Und ganz ohne Wörterbuch mit Context Clues

Es ist allerdings gar nicht unbedingt erforderlich jedes Wort, über dessen Bedeutung Sie Zweifel haben, sicherheitshalber noch einmal nachzusehen. Selbst wenn Sie bei entsprechender Übung Weltmeister im Nachschlagen von Worten geworden sind, gibt es auch andere Möglichkeiten, ein unbekanntes Wort zu entschlüsseln, und das ist in vielen Fällen die schnellere. Eine Methode habe ich Ihnen schon in der letzten Folge vorgestellt, die zweite nennt sich:

Context Clues sind Anhaltspunkte

In den meisten Fällen ahnt man schon aus dem Textzusammenhang heraus, was das Wort bedeuten soll oder welches Wort hier eigentlich stehen müßte. Je fundierter der eigene Grundwortschatz, umso schneller wird man im Aufschlüsseln von Texten ohne Wörterbuch und ohne Sherlock Holmes. Ein Nebensatz kann viel verraten, aber auch die Satzstellung, Kommasetzung etc.

Sehen Sie sich einmal die folgenden Sätze an und überlegen Sie, welches Wort in die Lücke passen könnte. Dann haben sie ein Beispiel für "Context Clues"

1. John removed the ... from the shelf and began to read.
2. Charles Denver, aged 56 had been working for his firm for over 30 years, when he was ... last week.
3. Gordon is a thief, he would ... the gold from his friends' teeth and not feel guilty.
4. Stuart has got a new ... for his 18th. birthday. It is a sports model, white with red interior and a star in front of it.

Die Auflösung verate ich Ihnen wie gehabt bei unserer nächsten und voraussichtlich letzten Begegnung mit falschen Freunden, die Sie dann hoffentlich nicht mehr fürchten müssen ...

See you


Erstveröffentlichung 1998
Neue, überarbeitete Fassung
24. November 2008