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BUCHBESPRECHUNG/001: Nelson Peary - Black Fire (Ethno) (SB)


Nelson Peary


Black Fire - The Making of an American Revolutionary



In einem Gespräch des amerikanischen Senders WHYY aus Philadelphia stellte der Afroamerikaner Nelson Peary am 2.10.94 seine Memoiren unter dem Titel 'Black Fire' vor. Im Alter von 71 Jahren hat der ehemalige Fliesenleger damit ein freimütiges Zeugnis über sein Überleben unter Weißen abgelegt, das in der angreifbaren Position der einzigen schwarzen Familie im Umkreis von über 100 Meilen im Minnesota der Zwanziger Jahre begann. Seine Biographie beschreibt einen unnachgiebig geführten Kampf gegen den täglichen Rassismus, den der Autor zeitlebens im körperlichsten Sinne des Begriffs ausfocht.

Der Vater hatte seinen beiden Söhnen beigebracht, bei den immer gleichen Beleidigungen weißer Rassisten keinen Zentimeter preiszugeben und offensiv die Initiative zu übernehmen. In einer derart schwachen und verletzlichen Position als isolierte schwarze Familie in einer weißen Gemeinde könne man sich keinen Rückzug erlauben, weil man dann jeden Respekt verlöre und künftigen Angriffen Tür und Tor öffne. Die einzige Möglichkeit sei, von vorneherein anzugreifen, eine Devise, die sich Nelson Peary für sein Leben zu eigen gemacht hat, denn er bekundet, beinahe immer zuerst zugeschlagen zu haben.

So berichtet er von seiner Begegnung mit einem Brüderpaar der weißen Nachbarschaft, das mit den Worten auf die Brüder zugeht: 'Mein Vater sagt, daß du ein schwarzer Nigger bist'. Daraufhin schlug Nelson Pearys Bruder den ältern Jungen nieder, und Nelson nahm es selber mit dem kleineren der beiden auf. Später wurden sie sehr gute Freunde, da die Kinder keinen Schimmer von der Bedeutung der elterlichen Indoktrination gehabt hatten. Als Nelson und sein Bruder zuhause von dem Vorfall erzählten, gerieten ihre Eltern darüber in Streit, denn der Vater vertrat praktisch, daß seine Jungen jeden töten sollten, der so etwas wieder zu ihnen sagte.

Obwohl er die USA als ein Land empfand, das Schwarze unterdrückte, meldete er sich nach der Lektüre von Hitlers "Mein Kampf" freiwillig bei der Armee, denn er meinte, daß das, was Hitler über die Schwarzen geschrieben habe, noch schlimmer sei als der Rassismus der Amerikaner. In der Armee traf er jedoch auf eine Rassentrennung, die extremer war und gewalttätigere Folgen hatte als alle Segregationserscheinungen des normalen alltäglichen Lebens. Schwarze und Weiße hatten jeweils eigene Unterkünfte, waren in eigenen Einheiten zusammengefaßt und in Armeecamps im Süden wie im Norden fanden regelrechte Rassenkriege statt, wobei es auch zu Schießereien kam. Dem Autor zufolge waren die weißen Soldaten offensichtlich der Meinung, schwarze Soldaten an jedem Ort auch außerhalb der USA abzutrennen und herabwürdigen zu müssen.

Nelson Peary beteiligte sich das erste Mal bei diesen Auseinandersetzungen, als eine Einheit der damals ausschließlich weißen Air Force versuchte, in den Bars des naheliegenden Ortes Nogales Rassentrennung durchzusetzen. Das Mittel, mit dem das erreicht werden sollte, war denkbar einfach - jeder Schwarze, der die für die weißen Soldaten vorgesehenen Bars aufsuchte, wurde zusammengeschlagen. Als die Männer von Pearys Regiment davon erfuhren, schlossen sich unter wesentlicher Beteiligung des Autors 70 Soldaten zu einer generalstabsmäßig organisierten Aktion zusammen. Sie planten vorher genau, wie sie zu der betreffenden Bar gelangen und wie sie es anstellen wollten, die weißen Soldaten auf die Straße zu bekommen, um sie dort zu verprügeln. Nachdem sie dieses Vorhaben mit ziemlicher Gründlichkeit erledigt hatten - Originalton Peary: 'We beat hell out of these soldiers' -, durften die Soldaten dieses Regiments die Orte, in denen weiße Soldaten verkehrten, nicht mehr betreten.

Peary kritisiert die Tendenz in der schwarzen und liberalen Presse, die Leistungen farbiger Soldaten in den Kämpfen des Zweiten Weltkriegs nachträglich herauszustellen, weil damit der eigentliche Kampf des schwarzen GI gegen die weiße Vorherrschaft in den Streitkräften ganz untergehe. Der von der Gradlinigkeit Pearys etwas unangenehm berührte Interviewer stellt ihm schließlich die Frage, wie er es denn mit dem Prinzip der Gewaltlosigkeit halte, denn das sei ja einer der Grundpfeiler der Bürgerrechtsbewegung, mit deren Forderung nach Rassengleichheit Peary ja übereinstimme. Der Autor fühlt sich ob dieser Aufforderung zu einem prinzipiellen Bekenntnis keineswegs bemüßigt, körperlicher Gewalt als Mittel bürgerlicher Durchsetzung abzuschwören, sondern meint, daß Gewaltlosigkeit zwar manchmal zu einer moralischen Überlegenheit verhelfe, daß man jedoch am Beispiel der deutschen Juden im Dritten Reich erkennen könne, was Gewaltlosigkeit im Zweifelsfalle wert sei. Peary hält Gewaltverzicht für eine Taktik, die man in seine Überlegungen mit einbeziehen kann, im Kampf um Würde und Freiheit könne es aber kein Prinzip sein.

Nelson Peary nimmt für sich in Anspruch, für alle zu sprechen, die sich in aussichtsloser Lage mit gewaltsamen Mitteln etwas erkämpft haben, wenn er sagt, daß gerade jemand mit einschlägigen Erfahrungen dieser Art Probleme lieber friedlich lösen würde. Wenn es jedoch um prinzipielle Positionen ginge wie etwa die Behauptung, daß er als menschliches Wesen weniger wert als andere sei und auch so behandelt werden solle, dann sei die Grenze jeder Akzeptanz erreicht. Er bezeichnet es als die Tragödie der Rassentrennung, daß man sich nicht kennt, daß man nicht weiß, wie wunderbar der andere ist und daß jeder gerne in einer liebenswerten Stadt mit freundlichen Nachbarn leben würde. Der Autor läßt an seiner grundlegenden Sympathie für die USA und deren Bewohner keinen Zweifel und liest dazu abschließend einen Auszug aus seinem Buch.

Ich bin erst 18 Jahre alt, aber ich kenne dich, Amerika. Du Hurenmutter der Demokratie, du erwürgst die Träume, denen du zum Leben verholfen hast. Ich kenne deine Weizenfelder, deine Kupferminen und Hobodschungel. Auf deiner Prärie habe ich meinen Schweiß vergossen, und mich als Adler auf den Gipfeln der Rocky Mountains niedergelassen. Ich habe deine verschwenderische Schönheit von Kansas bis Oregon gesehen. Gewähre mir einen Wunsch: Sei doch eher gut als schön, zeige mir Lämmer und Baumwolle und Stahl und Kohle, die nicht von Korruption und Tränen besudelt sind. Ohne deine Mörder und deine Lynchmobs wärst du wunderbar. Eines Tages werde ich deine Klauen herausreißen - komm näher, ich liebe dich.

Als Patriot ist Nelson Peary glaubwürdiger als viele seiner fähnchenschwingenden weißen Landsmänner, denen der Anblick von Old Glory und die Parade am 4. Juli das Herz erwärmt, die aber die Drittweltverhältnisse im eigenen Land zumindest gutheißen, wenn nicht sogar aktiv aufrechterhalten. Aus der Position der Moral Majority ist es mehr als bequem, das eigene Land hochleben zu lassen und es zur Nummer Eins in der Welt zu erklären. Als Mitglied einer ethnischen Minorität allerdings, die jede Gleichbehandlung erkämpfen muß, bleibt sich Peary auch in seiner Liebeserklärung an Amerika treu. Die von der Distanzlosigkeit eines angreifenden Fighters geprägte Androhung zur Bereinigung der weißen Feindseligkeit läßt keinen Zweifel an der Ernsthaftigkeit, mit der der Autor seine Position vertritt. Von daher wirkt auch der Untertitel 'The Making of an American Revolutionary' keineswegs überzogen, denn mit diesem Begriff wird in einem Land, dessen Revolutionskrieg erst ein Vierteljahrtausend vorüber ist, keineswegs sparsam umgegangen.

Als Beispiel einer 'Literatur von unten' scheint sich die Lektüre von Nelson Pearys Buch auf jeden Fall zu lohnen, und auch die hier nahezu unbekannte Problematik der Rassentrennung im amerikanischen Militär dürfte einen interessanten Lesestoff bieten. Afroamerikaner waren zumindest im Vietnamkrieg in den unteren Diensträngen überproportional vertreten, da wohlhabendere Weiße über mehr Möglichkeiten verfügten, sich der Wehrpflicht zu entziehen. Außerdem stellt die Armee auch heute noch für Schwarze eine gute eine Möglichkeit dar, der Arbeitslosigkeit zu entgehen. Pearys Kritik an der nachträglichen Würdigung der Kampfeinsätze schwarzer Soldaten dürfte auch unter der afroamerikanischen Bevölkerung nicht ohne Widerspruch bleiben. Diese Bevorzugung unpopulärer Standpunkte, mit denen er bereits beim Interviewer auf unverhohlene Skepsis stieß, ist auch in der Literatur ethnischer Minoritäten in Amerika eine Seltenheit und sollte daher Beachtung finden.


Nelson Peary
Black Fire - The Making of an American Revolutionary