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BERICHT/017: Ex-Bibliotheksdirektor Havekost als Buchmacher (UNI-INFO Oldenburg)


UNI-INFO Nummer 6 - Juli 2008
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg

"Himmel und Hölle"

Ex-Bibliotheksdirektor Hermann Havekost als Buchmacher


Die Idee entstand bei einer Flasche Rotwein: Hermann Havekost, der erste Direktor der Oldenburger Universitätsbibliothek, dachte über die anstehende Ausstellung "Artist's Books" nach und spielte mit einem Blatt Papier, faltete es an einer Diagonalen, öffnetet es an der anderen Diagonalen: "Himmel und Hölle". Für die ungewöhnliche Schau mit Künstlerbüchern und Buchobjekten, die auf Initiative des Oldenburger Kunsthistorikers Klaus Groh zustande kam und an der sich über 200 KünstlerInnen aus 28 Ländern beteiligten, musste ein Katalog her, der einzigartig war, für den Druck geeignet und bindbar. Das war Mitte der achtziger Jahre.

Havekost verbreiterte die Papierfalz des alten Kinderspiels zum Buchrücken, so dass ein quadratisches Klappbuch herauskam mit dreieckigen Seiten, simultan lesbar für vier Personen. Der Katalog umfasst 1.500 Seiten. Abgebildet und beschrieben sind alle Exponate: Objekte von Joseph Beuys, Jiri Kolar, Milan Krisak, Pino Poggi, Klaus Staeck, Wolf Vostell und anderen. Besonders gefallen dem pensionierten Bibliothekar die "Betrachtungen zur Vor- und Nachgeschichte des Buches" von Rudolf zur Lippe, die in kalligrafisch schöner Handschrift von Seite zu Seite springen.

"Einfach weil es Spaß macht", hat Havekost sich überreden lassen und ist in diesem Jahr für kurze Zeit zurückgekehrt in die Universitätsbibliothek, genauer: in die Buchbinderei unterhalb der eigentlichen Benutzerräume. Nach dem Tod des Buchbinders Friedel Haffner drohte die Kunst, die schönen Faltbücher anzufertigen, in Vergessenheit zu geraten. In einer Anleitung hat Havekost daher detailliert alle Schritte festhalten, wie der Stoß Blätter bedruckt, beschnitten, verklebt, geheftet und gebunden wird.

Spaß macht dem handwerklich versierten Bibliothekar vor allem die Gestaltung der Bucheinbände. Es scheint kein Material zu geben, das er nicht zu verwenden wüsste. Eine Vitrine im Eingangsbereich der Universitätsbibliothek gibt einen Überblick über seine Kreativität. Da finden sich Buchbeutel und Einbände, gefertigt aus Packpapier, Zeitungen, Fell und Fahrradschläuchen. Lederhose, Schuhe, Tornister und eine alte Offset-Druckplatte wurden zu originellen Einbanddecken. Als Verzierung der Unikate dienen Fundsachen der unterschiedlichsten Art: ein SED-Parteiabzeichen, das Havekost nach der Maueröffnung am Brandenburger Tor von der Straße aufgelesen hat, deutschchinesische Freundschaftsbuttons und sonstige Devotionalien.

Sammler und Liebhaber können, so Hans-Joachim Wätjen, auf dessen Initiative diese Verkaufsausstellung zustande kam, die Buchobjekte zum Selbstkostenpreis erwerben. Der Nachfolger von Havekost und heutige Leiter der Bibliothek trägt sich mit der Idee, auch die Schätze zu heben, die seit der Ausstellung 1986 in den Archiven lagern: Fast alle beteiligten KünstlerInnen hatten der Bibliothek Exponate überlassen, so dass die Sammlung etwa 300 Künstlerbücher und Buchobjekte umfasst. Am liebsten wäre Wätjen eine Doppelausstellung in Kooperation mit dem Neuen Museum Weserburg Bremen, bei der die Objekte aus dem Umkreis von Pop-Art, Fluxus, Mail-Art und Concept-Art präsentiert werden.


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Quelle:
UNI-INFO Nr. 6 - Juli 2008, Seite 2
35. Jahrgang
Herausgeber: Presse & Kommunikation
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
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Das UNI-INFO erscheint in der Vorlesungszeit monatlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Juli 2008