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BUCHBESPRECHUNG/159: Jason Hickel, Die Tyrannei des Wachstums (Sachbuch) (Klaus Ludwig Helf)


Jason Hickel
Die Tyrannei des Wachstums.
Wie globale Ungleichheit die Welt spaltet und was dagegen zu tun ist

Klaus Ludwig Helf, November 2018


Es ist ein Skandal, dass die acht reichsten Menschen auf der Erde insgesamt so viel Vermögen besitzen wie die ärmste Hälfte der Weltbevölkerung. 4,3 Milliarden Menschen - über 60% der Weltbevölkerung - leben in Armut und kämpfen mit weniger als dem Gegenwert von fünf US-Dollar pro Tag. Der Blick auf die Dimensionen der Einkommens- und Vermögensverteilung weltweit macht das ganze Ausmaß der globalen Ungleichheit und Ungerechtigkeit deutlich. Dies - so Jason Hickel in seinem neuen Band - sei kein "natürliches" Phänomen, sondern vielmehr die Folge eines bewusst so entworfenen Systems, dass einige Wenige - reiche Länder, multinationale Konzerne und mächtige Individuen - auf der großen Mehrheit davon profitieren. Um 1500 habe kein nennenswerter Unterschied in den Einkommen und im Lebensstandard zwischen Europa und dem Rest der Welt bestanden.

Der Sozialwissenschaftler und Journalist Jason Hickel wuchs in Swasiland auf und lebt in London. Er lehrt als Anthropologe an der "London School of Economics and Political Science", forscht dort über Südafrika (Demokratie, Gewalt und Rituale) und über Globalisierung. Hickel hat zahlreiche Fachbücher und Aufsätze veröffentlicht.

Der vorliegende Band ist geschrieben für die "Verdammten dieser Erde". Nach einem Vorwort folgen vier Kapitel, eine Danksagung und ein Anmerkungsapparat. Hickel stellt fünf Ideen für die Schaffung einer globalen und gerechten Wirtschaft vor: Schuldenschnitt für Entwicklungsländer / globale Demokratie / fairer Welthandel mit festen Regeln / globale Mindestlöhne und Rückeroberung der Gemeingüter. Von der praktizierten Entwicklungshilfe hält Hickel nichts, da diese die Kluft nur noch vergrößere und neue Abhängigkeiten schaffe. Arme Länder bräuchten keine Hilfe von den "entwickelten", reichen Ländern. Diese sollten aber aufhören, die anderen immer ärmer zu machen. Dazu müssten die strukturellen Ursachen der globalen Armut beseitigt werden, vor allem die ihr zugrundeliegende Architektur der Extraktion und Akkumulation von Wohlstand. Hickel fordert eine generelle Umstellung der Wirtschaftsziele und der Regeln, die Armut erst erzeugen und die Zerschlagung der Architektur der Umverteilung nach oben: "Wenn die reichen Länder bewusst eine Schrumpfung ihrer materiellen Volkswirtschaften mit dem Ziel organisieren, die Lebensqualität ihrer Bewohner zu erhalten oder gar zu verbessern, wird das die ökologischen Freiräume erschaffen, die die armen Länder benötigen, um den Mindeststandard an menschlichen Wohlergehen zu erreichen" (S.389). Neben seinen ernüchternden und deprimierenden Analysen und Befunden zur Lage der Weltwirtschaft entwickelt Jason in seinem Band durchaus realisierbare Visionen für eine humane, nachhaltige und gerechtere Zukunft. Sie sind radikal im guten Sinne von "an-die-Wurzel-des-Übels-gehen", indem sie auch als Grundlage einen substanziellen Abschied von der "Tyrannei des Wachstums" einfordern.

Jason schreibt flüssig, kurzweilig und zugespitzt und er schafft es, trotz trüber Analyse, Mut zu machen für ein Engagement für eine frohere und gerechtere Zukunft für die Weltgesellschaft: "Wollen wir die großen Probleme der globalen Armut und Ungleichheit, der Hungersnöte und kollabierenden Ökosysteme lösen, dann muss die Welt der Zukunft ganz anders aussehen als die Welt, wie wir sie heute kennen" (S. 13). Jason Hickel fordert mit Recht diesen Paradigmenwechsel in der Tradition des "Club of Rome".

Jason Hickel
Die Tyrannei des Wachstums.
Wie globale Ungleichheit die Welt spaltet und was dagegen zu tun ist.
Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2018
432 Seiten
28,00 EUR.

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Quelle:
© 2018 by Klaus Ludwig Helf
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. November 2018

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