Schattenblick →INFOPOOL →BUCH → MEINUNGEN

REZENSION/001: "Terrorjahre - die dunkle Seite der CIA in Italien" (Gerhard Feldbauer)


"Terrorjahre - die dunkle Seite der CIA in Italien"

Fehlstellen sowie etwas unseriösen Praktiken in einer sonst recht interessanten Buchveröffentlichung

Von Gerhard Feldbauer


Als 1997 Regine Igels Buch "Andreotti - Politik zwischen Geheimdienst und Mafia" im Herbig-Verlag erschien, habe ich es schon bald rezensiert (UZ, 14. Nov. 1997). Es handelte von der Rolle der CIA und der italienischen Geheimdienste bei faschistischen Putschversuchen zum Sturz der verfassungsmäßigen Ordnung, der praktizierten Spannungsstrategie und der Manipulierung linksradikaler Organisationen bis hin zum reaktionären Komplott, das zur Ermordung Aldo Moros führte. Das Buch war spannend geschrieben und hatte einen für die damalige Zeit recht beachtlichen Informationsgehalt. Verständlich, dass ich mit großem Interesse dem neuen Buch der Autorin unter dem Titel "Terrorjahre. Die dunkle Seite der CIA in Italien", das 2006 ebenfalls bei Herbig erschien, entgegensah. Eigene Publikationen (1) und die Verfolgung der Ereignisse in Italien, die im April dieses Jahres zu einem neuen schockierenden Wahlsieg des Hitlerbewunderers Berlusconi und seiner AN-Faschisten und Lega-Rassisten führten, brachten es mit sich, dass ich mich erst jetzt der Lektüre widmen konnte.

Wer Regine Igels Andreotti-Buch nicht kennt, dem kann ich die "Terrorjahre" durchaus empfehlen. Allerdings mit einigen Einschränkungen: Zunächst wird der Leser nicht den zum Zeitpunkt des Erscheinens neuesten Stand erfahren, denn der Wissensinhalt des Buches endet, von einigen wenigen Einschüben abgesehen, dort wo die Autorin schon ihr Andreotti-Buch abschloss. Im Grunde genommen sind die "Terrorjahre" eine Wiederauflage ihres vor fast 10 Jahren erschienenen Buches. Selbst die Gliederung ist, von einigen Umstellungen abgesehen, im wesentlichen die Gleiche. Ist dem Verlag nicht aufgefallen, dass ihn seine Autorin hier etwas hinters Licht führte? Auch sonst sprechen einige Praktiken nicht gerade von Seriosität. Nehmen wir einige Beispiele.

Die Verfasserin führte mit dem Mitglied der Parlamentskommission zur Untersuchung des Moro-Mordes, Senator Sergio Flamigni, dem Untersuchungsrichter Guido Salvini (untersuchte u. a. den faschistischen Terroranschlag auf die Mailänder Landwirtschaftsbank im Dezember 1969), dem Untersuchungsrichter Felice Casson (wies u. a. die verfassungswidrige Tätigkeit der CIA-geführten Gladio-Truppe in Italien nach) und dem Mitbegründer der Brigate Rosse Alberto Franceschini Gespräche, die in 14 Anmerkungen als Quellen/Belege angeführt werden. Das erweckt den Anschein von Exklusivität. Dem Kenner der Materie (2) wird jedoch nicht entgehen, das hier nichts Neues geboten wird. Was beispielsweise von Flamigni zitiert wird, ist durchweg alles in seinen bisherigen Publikationen nachzulesen. Dasselbe trifft auf Salvini zu, der auf der Konferenz der 1,2 Millionen Mitglieder zählenden Associazione Ricreativa Cultura Italiana (ARCI) im September 2002 in Bretonico nahe des Gardasees zum Thema "Politik und Terrorismus in Italien" sprach.

Der Abgeordnete Marco Boato, Mitglied der Parlamentskommission zur Untersuchung der Staatsmassaker und Senator Giovanni Pellegrino, Mitglied der Moro-Kommission des Parlaments, referierten dort mit hohem Informationsgehalt zum Thema. Sie spannten den Bogen vom instrumentalisierten Terror des Mussoliniregimes über den Reichstagsbrand und den Terror der Nachkriegszeit, der in Italien, wie in Griechenland oder Chile in die von der CIA inszenierte Spannungsstrategie mündete, bis zu den Anschlägen des 11. September 2001, ihren Hintergründen und ihrem Zusammenhang mit der von US-Präsident Bush eingeschlagenen Methode der "Terrorbekämpfung", die als "Entfesselung eines nicht mehr endenden Krieges charakterisiert wurde. Konferenzteilnehmer brachten auch zur Sprache, ob Moro den USA deshalb so gefährlich geworden war, weil ihm eine Finnlandisierung Italiens vorschwebte, er in einer Geheimreise nach Moskau den Austritt Polens aus dem Warschauer Pakt verhandeln und als Gegenleistung Italiens Austritt aus der NATO bewerkstelligen wollte.(3) Diese Problematik hatte Flaminio Piccoli, Moros Nachfolger als DC-Vorsitzender, bereits am 6. August 1978 in der Südtiroler Zeitung "Alto Adige" zur Sprache gebracht. Er schrieb: "Ich bin überzeugt, dass, wenn die Wahrheit über die Entführung und Tötung Moros herauskommt, wir entdecken werden, dass er ausgeschaltet wurde, weil er nicht wollte, dass Italien der Schauplatz von Konkurrenzkämpfen geheimer Mächte wird, wie im Ersten und Zweiten Weltkrieg; er wurde ausgeschaltet, weil er in den letzten drei Monaten in Gesprächen mit Amerikanern und den Russen seine Fähigkeit gezeigt hat, Initiativen zur Herstellung des nationalen Ausgleichs zu ergreifen."

Auf besagter Konferenz war Regine Igel nicht anwesend. Dafür kann es Gründe geben. Nicht aber dafür, dass die Thematik in dieser Breite in ihrem jüngsten Buch bis auf eine kurze Erwähnung des 11. September 2001 völlig ausgeblendet wird.

Einer der Drahtzieher des Mordkomplotts gegen Moro war der Agent Corrado Simioni. Flamigni nennt ihn den eigentlichen Chef der Brigate Rosse. Er wurde in Zusammenarbeit von CIA und Pro Deo, dem Geheimdienst des Vatikans, eingesetzt. Dafür spricht die weitere Karriere Simionis, die Regine Igel entgangen ist, oder wollte sie diese wegen ihrer Brisanz im Zusammenhang damit, dass am Umsturz in Polen die CIA und Pro Deo kräftig mitwirkten, nicht erwähnen.

Die Rolle von Pro Deo bleibt überhaupt sehr unterbelichtet. Bereits Anfang der 80er Jahre lenkte der fanatisch antikommunistische Wojtyla den klerikalfaschistoiden Orden Opus Dei zur Arbeit in sein Heimatland Polen, wo er sich in die Konterrevolution einreihte und nach 1989 die kapitalistische Restauration vorantrieb.(4) Die finanzielle Hilfe, die Wojtyla der Solidarnosce Leszek Walesas für ihre Untergrundarbeit zukommen ließ, wird auf weit über 100 Millionen $ geschätzt.(5) Bei der Solidarnosce setzten CIA und Pro Deo einen ihrer erfahrensten Agenten, eben den erwähnten Corrado Simioni ein. Im November 1992 empfing Johannes Paul II. den Agenten nach erfolgreichem Einsatz in Polen in Privataudienz, begleitet von dem führenden Pro Deo-Mann Abbé Pierre.(6)

Ein echter Mangel ist das Fehlen eines Literaturverzeichnisses. Um Quellen nachzulesen muss der Leser sich mühsam durch die auch noch am Ende des Buches aufgeführten 383 Anmerkungen hindurcharbeiten. Die zweifelsohne umfangreichen Quellen weisen für den historisch Interessierten dennoch einige Lücken auf. Sergio Flamigni zum Beispiel hat zum Terror und zur Rolle der Geheimdienste sechs Bücher geschrieben, von denen die Autorin nur zwei anführt, bei einem dritten (Atlantische Dramen) hat sie in FN 179 den Titel vergessen und nur das Erscheinungsjahr 1996 angeführt. Hilfreich wäre auch gewesen, in Deutsch vorliegende Quellen anzuführen, so Giorgio Galli mit "Staatsgeschäfte, Affären, Skandale, Verschwörungen (Hamburg 1994) oder Giovanni Ruggeri und Mario Guarini mit Berlusconi - Showmaster der Macht", einer tiefgründigen Abhandlung der Rolle der P2. Bei solchen Fehlstellen hat man manchmal den Eindruck, die Verfasserin verschweigt einfach Quellen, um ihren eigenen Informationsstand herauszustellen bzw. ihn nicht herabzusetzen.

Die Autorin vermeidet auch, aktuelle Gesichtspunkte dergestalt einzublenden, dass die von der CIA inszenierten Terrorjahre in Italien eine reaktionäre Wende bewirkten, die den Hitlerbewunderer Berlusconi zusammen mit AN-Faschisten und Lega-Rassisten an die Regierung brachte. Das reicht bis in die Gegenwart.


Fußnoten:

(1) Zu Italien: "Benedikt XVI. und das Bündnis der Kurie mit Reaktion und Faschismus" und "Die Recherchen des Commissario Palotta: Warum Aldo Moro sterben musste. Eine Kriminalgeschichte nach Tatsachen", beide offensiv, Hannover 2008. Außerdem erscheint in diesen Tagen bei Papyrossa Köln "Geschichte Italiens vom Risorgimento bis heute".

(2) Unser Rezensent ist als solcher ausgewiesen u. a. durch sein Buch "Agenten, Terror, Staatskomplott. Der Mord an Aldo Moro. Rote Brigaden und CIA": Papyrossa, Köln 2000.

(3) Gladio und der 11. September. Politik und Terrorismus in Italien. Internationale Konferenz der ARCI in Bretonico. Ein Bericht von Prof. Siegfried Prokop. "junge Welt", 28./29. Sept. 2002.

(4) Vgl. G. Feldbauer: Opus Dei - ein Stoßtrupp der Konterrevolution bezieht Stellung in Moskau. Geheim 4/2007.

(5) E. R. Carmin. Das schwarze Reich. Geheimgesellschaften und Politik im 20. Jahrhundert. München 2000, S. 465.

(6) Corriere della Séra, 14. März; Espresso, 28. März 1993.


18. Juli 2008


Regine Igel
Terrorjahre
Die dunkle Seite der CIA in Italien
Herbig Verlag, München, 2007
469 Seiten
ISBN: 978-3-7766-2465-6


*


Quelle:
Von Gerhard Feldbauer, Juli 2008
Mit freundlicher Genehmigung des Autors.


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Juli 2008