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BUCHBESPRECHUNG/084: Treibgut der Sterne (Perry Rhodan) (SB)


Treibgut der Sterne


Perry Rhodan Silberband 99



Schneller, höher, weiter - das ist das Motto, das die Perry-Rhodan-Serie seit beinahe einem halben Jahrhundert vorangetrieben hat. Die Raumschiffe fliegen immer schneller, die Anforderungen, die der Kreis der Zellaktivatorträger um Perry Rhodan zu bewältigen hat, werden immer höher, und die Expeditionen führen ständig weiter durch Raum und Zeit. Hatten die Terraner und ihre Verbündeten in der Milchstraße geglaubt, daß mit der Bedrohung durch den Schwarm bereits eine kosmische Dimension erreicht ist, die nicht so schnell überboten wird, so wurden sie mit dem Auftreten der Laren eines Besseren belehrt. Sieben Völker, die über mehrere Galaxien herrschen, hatten sich zu einem Konzil zusammengeschlossen, nun sollte mit der Milchstraße eine weitere Galaxie hinzukommen. Perry Rhodan als Führer des dominanten Solaren Imperiums sollte ihr Sachwalter sein - nur mit der gewiß zu vernachlässigenden, kaum ins Gewicht fallenden Bedingung, daß er sich dem Konzil zu unterwerfen habe ... selbstverständlich hat er nicht mitgespielt.

Der vorliegende Silberband 99, "Treibgut der Sterne", handelt bereits von der Phase nach der 125 Jahre währenden Laren-Herrschaft. Die Besatzer waren mit ihren einstmals technologisch unbezwingbaren SVE-Raumschiffen, die aus reiner Formenergie bestanden, in eine Falle gelockt worden, aus der es kein Zurück gab. Sie hinterließen ein Machtvakuum, das ihre Verbündeten und brutalen Handlanger, die Überschweren, nicht zu füllen vermochten. Deren letzte Bastion fällt. Aus Jägern werden Gejagte, der Zorn der Unterdrückten entlädt sich gegen die früheren Peiniger.

Es entspricht der Machart der Perry-Rhodan-Heftromanserie, Beschreibungen großer kosmischer Ereignisse mit denen von Einzelschicksalen zu mischen. Der Sammelband beginnt mit dem Los der leidgeprüften und sich mit zweifelhaften Geschäften über Wasser haltenden Besatzung der LOTOSBLUME, einer 60-Meter-Korvette, die schon bessere Tage gesehen hat. Ständig fallen auf ihr Aggregate aus, die nur notdürftig ersetzt werden können. Irgendwie geht auf dem Raumschiff alles schief, was nur schiefgehen kann.

Wenn Murphys Gesetz nicht schon im 20. Jahrhundert alter terranischer Zeitrechnung aufgestellt worden wäre, so müßte es angesichts der folgenden Ereignisse erfunden werden: Nachdem die Crew den Befehl ihrer Kommandantin Patricia Dela Baree befolgt und eine wuchtige Kiste an Bord geholt hat, öffnet sich diese und setzt einen robotischen Wurm frei. Der hat nichts Eiligeres zu tun, als mit seinem von stahlharten Zähnen bewehrten Maul zunächst die eigene Behausung aufzufressen, dann unverzögert zu diversen Einrichtungsgegenständen des Schiffs überzugehen und sich sogar durch den Boden in das darunterliegende Deck zu mampfen. Alle Versuche, den gefräßigen Robo-Wurm zu stoppen, scheitern. Erst dank des verzweifelten Zusammenspiels der rauen, aber herzlichen Besatzung kann der Nimmersatte aus der Luftschleuse ins All bugsiert werden - wobei er ausgerechnet auf dem Snacker landet! Dort haben die Plünderer ihre gesamte Habe untergebracht. Der Wurm ist nicht wählerisch ...

Die Besatzung ebenfalls nicht. Entschlossen kappt sie die Verbindung zu dem Snacker. Nun erreicht die LOTOSBLUME ohne Wurm und ohne Beute ihr eigentliches Ziel, einen Raumschifffriedhof mit verlassenen SVE-Raumern der Laren. Hier hofft man, auf enorme Schätze zu stoßen. Und tatsächlich, der von der Crew angesteuerte Laren-Raumer besitzt alles Erforderliche, um die Korvette zu reparieren. Schon glaubt die Besatzung, sie habe endlich eine Abzweigung zur Straße des Glücks erwischt, da erscheint ein durchaus höflicher Lare auf der Szene und nimmt ihnen mit gezückten Strahlern die LOTOSBLUME ab.

Es handelt sich bei dem Laren um keinen geringeren als Hotrenor-Taak, den Verkünder der Hetosonen und obersten Anführer der ehemaligen Besatzer. Diese Figur hat im Laufe der Serie eine ungewöhnliche Wandlung erfahren. Galt Hotrenor-Taak anfangs als durchtriebener Stratege, so gerät er jetzt in die Opferrolle, wobei seine vormalige Durchtriebenheit in Überlebensschläue umgewandelt wird. Ein Rollenwechsel, der von der Leserschaft mühelos mitvollzogen werden kann, da die Figur in sich schlüssig bleibt. Hotrenor-Taak wird zu einem Sympathieträger.

Der Lare muß ein Notsignal aussenden, da die LOTOSBLUME defekt ist, und wird von der WOLAN aufgebracht, einem Raumschiff der GAVÖK, der Galaktischen Völkerwürde-Koalition. Jetzt soll der Lare hingerichtet werden, doch setzt sich der Neu-Arkonide Daroque für ihn ein und fordert ein ordentliches Gerichtsverfahren. Damit verkörpert er trefflich den Typus des neuen, moralisch integren Arkoniden, der die Dekadenz seiner übersättigten Ahnen erfolgreich überwunden hat.

Andere haben noch nicht diesen hohen moralischen Stand erreicht und bekriegen sich. Arkoniden und Blues schießen aufeinander. Als die GAVÖK-Führung davon erfährt, mischt sie sich ein, scheint ihr doch die galaktische Lage nach dem Verschwinden der Laren als viel zu instabil, als daß solchen Ereignissen ihren Lauf gelassen werden dürfte. Kershyll Vanne, der sieben Bewußtseine in sich birgt, und der Zellaktivatorträger Ronald Tekener, der mit dem Bewußtsein des verstorbenen Mutanten Tako Kakuta "nur" einen weiteren Gast aufgenommen hat, kümmern sich um den Vorfall und nehmen den Laren an Bord. Aber selbst auf dem terranischen Kugelraumer ALHAMBRA bleibt Hotrenor-Taak nicht gegenüber Attentatsversuchen gefeit, so tief und verbreitet ist der Haß unter den Bewohnern der Milchstraße.

Die ALHAMBRA fliegt den Handelsstützpunkt Olymp an. Dort leben die Freifahrer mit ihrem "Kaiser" Anson Argyris, der nichts anderes als der Hochleistungsroboter Vario 500 ist und sprichwörtlich in verschiedene Rollen schlüpfen kann. Wie andere einen Schrank mit Anzügen besitzen, verfügt der Vario 500 über einen Raum mit biologisch lebenden Ganzkörpermasken, die er je nach Rolle aussucht und in die er hineingleitet. Auf Olymp trifft heimlich eine Gruppe von Molekülverformern ein, die den Körperwechsel auf natürliche Weise beherrschen: Sie können die Gestalt von anderen Wesen übernehmen, einschließlich deren Wissen. Das macht die Gys-Volberaah so gefährlich.

Sie hegen den Plan, das Neue Einsteinsche Imperium (NEI), das von Exil-Terranern unter der Laren-Herrschaft in der Provcon-Faust errichtet wurde, zu übernehmen, und die Menschen dazu zu bringen, daß sie nach dem geheimnisvollen Tba suchen. Das Tba zu finden ist Sinn und Zweck der Existenz der Molekülverformer ... ach ja, und natürlich die Herrschaft über das ganze Universum zu übernehmen.

Kershyll Vanne, auch Sieben-D-Mann genannt, weil er in Dimensionen denkt, die noch nie ein Mensch zuvor betreten hat, stellt fest, daß sich der Stern Kobold - ein Weißer Zwerg, der nahe der Sonne Sol positioniert wurde -, zu einem Black Hole entwickelt. Nun ist aber geplant, daß die Erde, die einst mitsamt dem Mond in eine andere Galaxie versetzt wurde, wieder an ihren Ursprungsort zurückkehrt. Ein Black Hole könnte den Transfer irritieren.

Womöglich wurde aber die Wandlung Kobolds von der Superintelligenz ES absichtlich eingeleitet, weil der Transfer auf andere Weise gar nicht zu bewerkstelligen ist, vermutet der siebendimensional denkende Vanne richtig. In der weit entfernten Galaxis Ganuhr geschieht nämlich etwas ähnliches mit der Sonne Medaillon, die von der Erde umkreist wird. Auch Medaillon wandelt sich in ein Black Hole. Beide Schwarzen Löcher sollen miteinander interagieren und Erde samt Mond wieder an ihren angestammten Platz ins Solsystem befördern. Der Transfer gelingt.

Der Sammelband "Treibgut der Sterne" beschreibt eine Zeit der Rückkehr und des Versuchs der Konsolidierung. Das Solsystem erhält die Erde zurück, einige der in der Milchstraße versprengten Menschen treffen auf ihrer alten Heimat ein, und zahlreiche Exilterraner des NEI verlassen den sicheren Schutz der Provcon-Faust, um am Neuaufbau Terras mitzuarbeiten. Aber natürlich bleiben auch einige auf Gäa, der dortigen Kernwelt der Exil-Terraner, zurück. Zu ihnen gesellt sich Hotrenor-Taak.

Und es betritt ein neuer Gegner die kosmische Bühne: Der albinotische Mutant Boyt Margor aus der Provcon-Faust. Wie die Gys-Volberaah strebt auch er nichts Geringeres als die Weltherrschaft an. Dank seiner überwältigenden suggestiven Fähigkeiten bringt er andere Gäaner und die Besatzungen ganzer Raumschiffe unter seine Kontrolle. Er manipuliert den Wissenschaftler Payne Hamiller, so daß er sich für den neu zu schaffenden Posten des Terranischen Rats für Wissenschaft bewirbt.

Der Plan geht auf. Am 1. Januar 3586 NGZ wird Hamiller in das neue Amt gewählt. Erwartungsgemäß wird der Zellaktivatorträger Julian Tifflor zum Ersten Terraner ernannt, und der Zellaktivatorträger Roi Danton erhält das Amt des Obersten Terranischen Rats. Nun ruft Tifflor die Liga Freier Terraner (LFT) aus, die Nachfolgerin des Solaren Imperiums und des NEI sein soll. Ihr Hauptsitz ist Terrania City. Die LFT wird Mitglied der GAVÖK und will den galaktischen Völkerzusammenhalt fördern.

So werden die wesentlichen politischen Strukturen geschaffen, damit es auf Terra eine Regierung gibt, die zugleich den Platz der Terraner in der Galaktischen Völkerwürde-Koalition behauptet, und handlungsfähig ist. Das muß sie auch sein, denn Boyt Margor geht über Leichen, um sein Ziel zu erreichen, und er agiert aus dem Verborgenen. Man wird noch von ihm hören ...


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In den vorliegenden Sammelband sind folgende Heftromane eingeflossen: "Fremde auf Olymp" (844) von H. G. Ewers, "Treibgut der Sterne" (845) von Hans Kneifel, "Die Flucht des Laren" (846) von Ernst Vlcek, "Metamorphose" (847) von H. G. Ewers, "Titan - Die letzte Bastion" (848) und "Sprung über den Abgrund" (849) von Kurt Mahr, "Heimat der Menschen" (853) und "Mutanten von Gäa" (854) von H. G. Francis sowie "Spektrum des Geistes" (855) von Ernst Vlcek.

4. Februar 2008


Treibgut der Sterne
Perry Rhodan Silberband 99
Pabel-Moewig Verlag, Rastatt 2007
ISBN 978-3-8118-4084-3
400 Seiten