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BUCHBESPRECHUNG/088: Atlan - Komet der Geheimnisse (SB)


Atlan


Komet der Geheimnisse

Blaubuch Bd. 31



Der weltweit größten Science-fiction-Saga "Perry Rhodan" wurde schon in frühen Jahren eine Spinoff-Serie um den Arkoniden Atlan zur Seite gestellt. In mancher Hinsicht wirkte diese Figur interessanter als die des Perry Rhodan, dem häufig die Rolle des gewieften Taktikers und Strategen, weniger die des Haudegens, Genießers und Schwerenöters zugeschrieben wurde. Eigenständige Atlan-Abenteuer waren somit mehr als gerechtfertigt.

Die ursprünglichen Heftromane hat der Pabel-Moewig Verlag schon 1992 begonnen, in einer Art Zweitverwertung zu überarbeiten, zusammenzufassen und als "Zeitabenteuer" herauszugeben. Diese "Blaubücher" vermögen zwar ein Manko, das sich auch in den Silberbänden zeigt, in denen die ursprünglichen "Perry Rhodan"-Heftromane auf ähnliche Weise präsentiert werden, nicht zu beheben, nämlich daß es aufgrund der Vorgaben zu teils krassen Handlungssprüngen kommt und Erzählstränge am Ende eines Sammelbands offen bleiben, doch bildet das vorliegende Blaubuch Band 31 "Komet der Geheimnisse" eine angenehme Ausnahme. Das liegt nicht zuletzt an der von Peter Terrid konzipierten und geschriebenen Miniserie um den Barbaren Ra. Diese Handlungsebene wird über längere Strecken beibehalten und am Ende mit dem zweiten Erzählstrang um den 19jährigen Kristallprinzen Atlan verknüpft und abgeschlossen.

In "Komet der Geheimnisse" rettet der Barbar Ra den mysteriösen Arkoniden Bel Etir Baj aus Raumnot, wird aber dann von ihm überwältigt. Denn Etir Baj gehört zum Volk der Con-Treh, die einen tief verwurzelten Haß gegen das Adelsgeschlecht der Gonozals, aus dem auch Atlan stammt, mit dessen Freundschaft sich Ra zuvor gerühmt hatte, hegen. War es doch einst ein Gonozal, der beschlossen hat, zu Ruhm und Ehre Arkons drei Planeten von ihren ursprünglichen Bahnen zu entfernen und zu einem symmetrisch angeordneten Dreiersystem zu positionieren. Mit diesem technologisch höchst anspruchsvollen, an Hybris grenzenden Plan wollte der Herrscher Arkons seine Stellung sowohl gegenüber anderen Adelshäusern als auch außerarkonidischen Völkern behaupten. Der Triumph der Technologie im Dienste der Herrschaftssicherung forderte reichlich Opfer. Die Con-Treh, die sich äußerlich von den albinoiden Arkoniden durch eine dunkle Haut, dunkle Haare und eine andere Augenfarbe unterscheiden, verloren ihren Planeten und wurden vertrieben.

Deshalb beschließt Etir Baj in dem Moment, in dem er vernimmt, daß Ra Atlan aus dem Hause Gonozal seinen Freund nennt, seinen Retter zu töten. Ra gelingt es allerdings dank seiner körperlichen Durchsetzungsfähigkeit und seines offenherzigen Gemüts, Etir Baj und die übrigen Con-Treh von der Lauterkeit seiner Absichten zu überzeugen. Schnell werden Ra und Etir Baj Kampfgefährten, die das Abenteuer suchen und es gemeinsam überstehen.

Auf dem Planeten Arkon II nimmt Ra an Arenakämpfen teil, setzt sich gegen Bestien und Gladiatoren durch und bestreitet den Endkampf gegen einen maskierten Schwertkämpfer. Ra gewinnt - beinahe. Hinter der Maske, die der Barbar ein wenig lüftet, verbirgt sich sein Freund Atlan. Vor Schreck wird Ra unaufmerksam und niedergestreckt. Als Atlan, der die Siegerplakette aus der Hand des Imperators Orbanaschol III. entgegennimmt, diesen erschießen will, schleudert Ra sein Messer und streckt seinen Freund nieder ...

Erst im weiteren Verlauf der Handlung werden die Leserinnen und Leser darüber aufgeklärt, daß Ra nicht Atlan, sondern dessen Doppelgänger getötet hat. Nun läßt der Imperator nicht mehr nur nach dem echten Atlan fahnden, sondern auch nach Ra, der offenbar mehr über den Verbleib des Kristallprinzen und rechtmäßigen Thronerben weiß.

Die Figur Ra weckt Erinnerungen an einen anderen literarischen Barbaren, Conan, den der US-amerikanische Autor Robert E. Howard in den 1930er Jahren entwarf und mit der er einen ganzen Stil prägen sollte. Conan und Ra sind schier unbezwingbar, greifen stets mit beiden Händen ins Leben, gehen keinem Streit aus dem Weg und helfen bei Gelegenheit den Schwachen - vor allem wenn sie vom anderen Geschlecht sind -, damit sie der peinigenden Hand irgendeines übelwollenden Halsabschneiders entkommen. Daß Ra und Conan manchmal ebenfalls zu dieser Spezies zu gehören scheinen, unterstreicht nur ihren barbarischen Charakter.

Die Handlungsebene um Ra und seinen Freund von den Con-Treh wird erst gegen Schluß des Bands mit der Erzählebene um Atlan zusammengeführt. Bis dahin hat Ra Verbindungen mit der Untergrundorganisation von Arkon aufgenommen, damit Atlan, wenn er den ihm zustehenden Thron zurückerobert, Unterstützung auf der Kristallwelt erhält. Aber nicht in den Rebellen finden Ra und sein Freund schließlich einflußreiche Verbündete, sondern in Regir da Quertamagin, Oberhaupt eines uraltes arkonidischen Adelsgeschlechts, sowie Atlans Mutter Yagthara. Auch sie wollen den Usurpator Orbanaschol III. vom Thron stoßen.

Allerdings hätte sich der Imperator niemals so lange an der Macht gehalten, wenn er nicht über einen ausgezeichneten Stab an Geheimdiensten verfügte und ein gut geschmiertes System aus Repressionen und Begünstigungen etabliert hätte. Da Quertamagin wird verhaftet und verhört. Um die Sache nicht zu verraten, will er sich umbringen, aber dem Sterbenden wird das Geheimnis entrissen, daß sich die Widerstandsgruppe gegen den Imperator im Kometen Blahur versteckt. Der wird daraufhin pulverisiert.

In einem zweiten Haupthandlungsstrang wird das Schicksal Atlans und seiner Gefährten, die sich wieder im Makrokosmos befinden, geschildert. Sie sind Gäste oder eher Gefangene auf dem Arkonidenraumer ZENTARRAIN und geraten unfreiwillig in eine Meuterei. Die Meuterer erkennen Atlan, auf dessen Kopf eine hohe Belohnung ausgesetzt ist, und wollen sich das Geld verdienen. Daraus wird jedoch nichts. Auf der Welt Varlakor werden ihnen die Gefangenen abgenommen, die Belohnung können sie sich abschminken. Atlan und seine Gefährten fliehen und verstecken sich, wobei Corpkor verloren geht. Ohne ihn, der Atlan mehrmals das Leben gerettet hat, will dieser nicht weiterziehen. Corpkor, der Tiermeister, war verhaftet und in einen Keller geworfen worden. Aus dem konnte er sich mit Hilfe von kleinen Nagern, Rebchen genannt, die er für sich einnimmt, befreien. Er verfolgt die Spur seiner Gefährten und stößt auf die Gesuchten.

Die Freiheit währt nicht lang. Die ganze Gruppe gerät in die Hände des Informationshändlers Yukkar, für den die Gefährten den Auftrag übernehmen, 40 Speicherkristalle ins weit entfernte Elkinth zu bringen. Das ist zufällig auch Atlans Reiseziel. Unterwegs wird Prinzessin Crysalgira von einer Bestie ergriffen und verschleppt, kann befreit werden, nur um kurz darauf im heißen Plasmastrahl eines Raumschiffs umzukommen. In Elkinth angekommen begibt sich die ungleiche Schar zum Raumhafen. Mit der FALSERATH, einem wahren Seelenverkäufer, fliegt die Gruppe zum Planeten Ortanoor und von dort weiter nach Kraumon.

Dort trifft Atlan auf den Barbar Ra und seine Mutter Yagthara. Atlan betrachtet Kraumon als seine Heimat, hier wird ein große Fest aus Anlaß seines 20. Geburtstags gefeiert. In einer eisigen Berghöhle teilt ihm seine geliebte Ischtar mit, daß sie ihn verlassen und ihren gemeinsamen Sohn Chapat mitnehmen wird. Zugleich muß Atlan gegen seinen Freund und Nebenbuhler, den eifersüchtigen und hoffnungslos in Ischtar verliebten Ra, kämpfen und kann ihn betäuben. Später blicken beide der davonfliegenden Varganin versonnen nach.

400 Seiten pralles Abenteuer, wie es typisch für diese Art der Science-fiction ist. Dem oder den Helden stellen sich immer wieder Hindernisse in den Weg, die es zu bewältigen gilt, nur um bald darauf gegen neue Schwierigkeiten anzukämpfen. Die aktuelle Handlung entfaltet sich vor dem Hintergrund des feudalistisch strukturierten Imperiums der Arkoniden, das sich über viele Welten erstreckt, die den Status von Protektoraten haben.

Das große Ziel Atlans besteht im Sturz Orbanaschols. Ein ernstes Anliegen, so daß für Humor wenig Platz bleibt. Humor wird in der Atlan-Serie viel dünner gesät als in "Perry Rhodan", in der mit Gucky schon frühzeitig ein Überall-zugleich-Spaßmacher eingeführt wurde. Die wenigen potentiell humorigen Stellen in diesem Band wirken fast schon peinlich. Da toben sich beispielsweise der Barbar Ra und sein Weggefährte Etir Baj auf ihrem Marsch zur Klärung eines Geheimnisses um die Herkunft der Con-Treh mal eben in einer Schneeballschlacht aus.

Lebensweisheiten hingegen sind nicht ganz so dünn gesät. So erfahren wir, daß "Mütter (...) von jeher eifersüchtig auf die Frauen" waren, "die ihnen die Söhne wegzunehmen drohten". (S. 253) Dem noch nicht genug, lesen wir: "Es gab Fälle, in denen Mütter ihre Söhne sogar mit Mitteln eines ausgefeilten Psychoterrors peinigten, manchmal bis hart an die Grenze beiderseitigen Wahnsinns." (S. 253 f) Wir möchten lieber nicht wissen, ob dieser Lebensweisheit der autobiographische Hintergrund eines womöglich zwischen die Fronten geratenen Schwiegersohns Pate gestanden hat ...

Um es nicht bei solch deprimierenden Erwägungen zu belassen, sei abschließend eine weitere Weisheit zitiert, die, einem völlig anderen Kontext entrissen, das Verhältnis zwischen Mutter, Sohn und Schwiegertochter in spe einigermaßen zurechtbiegen könnte: "Es war eine alte kosmosoziologische Tatsache, dass äußerer Druck bei einer Gemeinschaft innere Spannungen dämpfte und nicht so stark hervortreten ließ." (S. 54)

Bei "Komet der Geheimnisse" handelt es sich um den letzten Band des sogenannten Varganen-Unterzyklus. Ein wesentlicher Handlungsstrang im Leben des Arkoniden Atlan, seine Versetzung in den Mikrokosmos und die Begegnung mit dem geheimnisvollen Volk der Varganen, findet hiermit einen vorläufigen Abschluß.

20. Mai 2009


Atlan
Komet der Geheimnisse
Blaubuch Bd. 31
Pabel-Moewig Verlag
Rastatt 2007
400 Seiten
14,80 Euro
ISBN 978-3-81118-4109-3