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REZENSION/020: Noah Gordon - Der Rabbi (Historisch) (SB)


Noah Gordon


Der Rabbi



In vielen Werken Noah Gordons kann der Leser neben einer meist spannenden Handlung einiges über jüdische Tradition und jüdische Bräuche erfahren. In seinem ersten Roman "Der Rabbi", dessen Titel schon einen eindeutigen Hinweis auf die Thematik gibt, greift Gordon zahlreiche Probleme auf, mit denen ein Jude sich als Gläubiger konfrontiert sehen kann.

Eingepackt in eine Familiengeschichte schildert der Schriftsteller kurz das Leben im jüdischen Ghetto und den mühsamen Weg hinaus in die viel versprechende Freiheit. Da die Familiengschichte in einem Ghetto in Bessarabien beginnt, wird der Leser hier noch einmal unaufdringlich an die allgemeine Problematik der Judenvertreibung erinnert.

Aber weder Amerika, noch sonst ein Land können bei dem Festhalten an jüdische Tradition das mit sich bringen, was heute unter Freiheit verstanden sein will - tun und lassen können, wozu es einen beliebt. Der Leser erfährt über die zwei existierenden Richtungen im Judentum: - das orthodoxe Judentum als die strengere und engere

Glaubensideologie und - die reformierte Richtung, die sich als fortschrittlich betrachtet, d.h. mit den Veränderungen der Zeit Kompromisse schließt.

Die Hauptperson des Buches ist "der Rabbi"; Michael Kind kommt als Sohn eines Kaufmanns, bereits in zweiter Generation im Amerika der zwanziger Jahre, zur Welt. Der traditionelle jüdische Glaube wird ihm durch seinen Großvater Isaak nahe gebracht. Der Leser begegnet Isaak als einer etwas düsteren und tristen Person, was mit Sicherheit den Gemütszustand des alten Mannes widerspiegelt. Der Großvater hat seine Schwierigkeiten mit dem von jüdischen Bräuchen losgelöstem Leben. Ganz entgegen seinen Vorstellungen vermischt seine Schwiegertochter zum Beispiel beim Abwasch Geschirr mit Milch- und Fleischresten, die Kinder kommen mit Butter(broten) an einen Tisch, wo Fleisch gegessen wird - den vorschriftsmäßigen Regeln eines wahren Juden entgegen eine ziemliche Mißachtung des Brauchs. Auch ganz zum Unverständnis Isaaks ändert der Sohn Abraham seinen jüdischen Namen Rivkind, in der Hoffnung auf wirtschaftlichen Erfolg seiner Miederwarenfabrik, in den Namen Kind um. So kann er "Kind" in einem Werbespot `be Kind to your figur' (Sei nett zu deiner Figur) verwenden. Aber nicht nur das, am Ende wird der Großvater als zu belastend für das Familienleben in ein Altenheim abgeschoben.

Großvaters einzige Hoffnung ist sein Enkelsohn Michael. Auch wenn der Vater nicht so sehr am Judentum zu hängen scheint, so muß Michael doch, der Tradition folgend, im Alter von ungefähr dreizehn Jahren seine bar-mizwe feiern - seine erste Prüfung auf dem Weg, ein Jude zu sein. Der im Tempel vor der Gemeinde geprüfte Junge muß schon einige Voraussetzungen, was das Wissen um die Texte der Tora und der hebräischen Sprache betrifft, mit sich bringen. Man erfährt als Leser jedoch nicht so ganz genau, womit man es eigentlich zu tun hat, man kann es sich nur denken - ein Aspekt den ich persönlich bedauerlich fand, der aber andererseits vielleicht einen Anreiz zum Weiterlesen bietet. Michael absolviert zuerst ein Studium in Physik, nichts läßt seinen Wandel vermuten. Ein unvorhergesehenes Zusammentreffen mit dem etwas seltsam erscheinenden orthodoxen Juden Max Gross weckt in Michael den Entschluß, von diesem jüdischen Glauben zu erlernen und als Rabbiner zu verkünden. Auch wenn Max Gross ein orthodoxer Jude ist, und Michael eher die reformierte Richtung vertritt, so bleibt Max in seinem Leben eine Leitfigur. Es ist auch Max, mit dessen Hilfe Leslie jüdischen Brauch und Wissen erlernt, und der ihr schließlich ermöglicht vom christlichen zum jüdischen Glauben zu konvertieren. Nur als Jüdin kann eine Heirat zwischen Michael und ihr stattfinden. Allerdings ist und bleibt Leslie eine `schiksse': Sie ist nicht von Geburt an Jüdin - was so einige Probleme mit sich bringt.


Im Prinzip hat der Leser immer den Eindruck von `seltsam' im Zusammenhang mit der jüdischen Darstellung. Gordon vermittelt das uns eigentlich so Fremde als Fremdes. Zumindest mich hat er neugierig gemacht mit Schilderungen wie den eigentlich so typischen jüdischen Seitenlocken (an der Stelle, wo man ansonsten von Koteletten spricht), die der Großvater bei seiner Ankunft noch trägt oder der recht eigenen Darstellung des orthodoxen Rabbi Max Gross, der etwas uneindeutigen Person des Michael Kind. An und für sich weist das Buch keine wirklichen Höhen und Tiefen auf, und das Ende fand ich enttäuschend `normal'.

Die verschiedenen Stimmungen, Schwierigkeiten, die persönlichen Eigenarten und eben an erster Stelle der Eindruck, den Noah Gordons Schilderungen vom jüdischem Dasein hinterlassen, machen den Roman jedoch lesenswert für alle, die einen Sinn für religiöse Andersartigkeit und Problematik haben.


Mit seinem Buch "Der Rabbi" veröffentlichte Noah Gordon 1965 sein erstes Werk. Später folgten z. B. "Die Klinik" , "Der Medicus", in dessen Folge "Der Schamane" steht, den er jedoch erst 1992 schrieb, und der sofort die Bestsellerlisten eroberte.

Noah Gordon wurde 1926 in Massachusetts geboren, studierte Zeitungswissenschaft und englische Sprache und arbeitete später als wissenschaftlicher Redakteur einer Zeitung.


Noah Gordon
Der Rabbi