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REZENSION/084: Perry Rhodan - Der Schwarm, Band 1-3 (SciFi) (SB)


Perry Rhodan - Der Schwarm


Der abgeschlossene Zyklus

Band 1: Der Schwarm

Band 2: Kampf der Immunen

Band 3: Das heimliche Imperium



In einer Zeit, in der Kriege unter fadenscheinigen Vorwänden vom Zaun gebrochen werden, in der der Kampf der Kulturen ausgerufen wird und Big Brother nicht mehr für einen bedrückenden Gesellschaftsentwurf, sondern für eine voyeuristische Unterhaltungssendung im Fernsehen steht, könnte der Gedanke entstehen, daß die Erde dem massiven Einfluß von Verdummungsstrahlen unterliegt. Doch leider ist das eine Realität und das andere ein dramaturgisches Konzept aus der Science- fiction-Serie PERRY RHODAN.

Diese wird vom Pabel-Moewig-Verlag in Rastatt herausgegeben und umfaßt inzwischen 2291 Heftromane, die in inhaltlich eigenständigen, aber in eine übergreifende Handlungsstruktur eingebundenen Zyklen geordnet sind. In dem 70 Hefte umfassenden Schwarm-Zyklus (Band 500 bis 569) unterliegen die meisten Menschen und Extraterrestrier der Verdummung, nachdem ein unbekannter Gegner die, wie es im typischen PERRY-RHODAN-Jargon heißt, "5-D-Feldlinien-Gravitationskonstante" des Kosmos manipuliert hat.

Unter geringfügiger Überarbeitung der Mehrheit der Heftromane jenes Schwarm-Zyklus wird in den ersten drei von insgesamt neun Bänden der jetzt neu aufgelegten Taschenbuchreihe die Geschichte erzählt, wie der unsterbliche Perry Rhodan und seine jahrelangen Mitstreiter mit dem Raumschiff MARCO POLO aus einer weit entfernten Galaxie in die Heimat zurückkehren und feststellen, daß sich eine Kleingalaxis aus Sternen und Planeten samt ihren Bewohnern der Milchstraße nähert. Dieses "Schwarm" genannte kosmische Gebilde ist durch einen Schmiegschirm vor dem Eindringen Unbefugter geschützt und stößt in Regionen der Milchstraße vor, die bereits von einem Vorauskommando des Schwarms dergestalt verändert wurden, daß die Bewohner geistig retardieren. Das mündet bei den Betroffenen nicht nur in einer Minderung ihrer kognitiven Fähigkeiten, sondern häufig in gesteigerter Aggressivität gegenüber Artgenossen.

Perry Rhodan beschließt, mit den wenigen gegen die Verdummung immun gebliebenen Mitgliedern sämtlicher bekannter Milchstraßenvölker den Kampf gegen die Kontrolleure des Schwarms aufzunehmen, um deren Manipulation an den universalen Parametern rückgängig zu machen. Doch die Völker erweisen sich als zu zersplittert, ihre Interessengegensätze sind gegenwärtig noch unüberbrückbar. Das einberufene Treffen endet in einem Fiasko. Hier begegnet Perry Rhodan, der im Gegensatz zu den Staatsführern der realen Welt nicht den Kampf der Kulturen ausruft, sondern vielmehr für die Respektierung des jeweils anderen streitet, erstmals den geheimnisvollen Vertretern einer uralten Spezies, die eigenen Angaben nach in der gesamten Milchstraße ein heimliches Imperium aufgebaut haben und sich nur deshalb zu erkennen geben, weil der Schwarm auch sie bedroht.

Nachdem der Pabel-Moewig-Verlag mit den Silberbänden bereits eine Zweitverwertung der ursprünglichen Heftromanserie vorgenommen hat, liegen nun die ersten Romane einer weiteren Wiederverwertung vor. Deshalb könnte an dieser Stelle der Einwand vorgebracht werden, daß hier wieder einmal alte Geschichten in neuem Gewand präsentiert werden, der Verlag also die Verpackung des Weihnachtsmanns lediglich durch die des Osterhasen ersetzt habe, während der Inhalt der gleiche geblieben sei. Dieses Argument trifft zwar zu, aber, um im obigen Bild zu bleiben, der Inhalt schmeckt nach wie vor süß! Zudem ist die neue "Verpackung" recht ansprechend gelungen, wie ein Blick auf die Titelbilder und die Buchrücken zeigt, die nebeneinandergestellt ein spaciges Bild ergeben. Im übrigen erreicht der Verlag mit der Taschenbuch- Präsentation einen anderen Leserkreis als mit den Heftromanen oder auch den Silberbänden, so daß eine Neuauflage aus verlagstechnischen Gründen durchaus Sinn machen kann.

Inhaltlich überzeugen die ersten drei Bände des Schwarm-Zyklus jedenfalls darin, daß sie als eigenständige Romane gelesen werden können, ohne daß der Leser dazu den gesamten kosmologischen Überbau des "Perryversums" kennen muß. Das zu erfassen wäre ohnehin eine Aufgabe, die vermutlich nicht ohne ein mehrjähriges Studium geleistet werden könnte. Es gibt auf dem Gebiet der Science-fiction, ja, man kann sogar sagen, der gesamten Weltliteratur wohl nur wenige Werke, die über eine ähnlich komplexe, vielschichtige, in sich schlüssige und eng verwobene Kosmologie verfügen wie PERRY RHODAN. Der Schwarm-Zyklus seinerseits zeichnet sich dadurch aus, daß mit ihm das vorherige Weltbild der Serie im erheblichen Umfang erweitert wurde. Auch wenn die Helden bereits mit zahlreichen Völkern aus anderen Galaxien zu tun hatten, auf kosmohistorischen Spuren einer weit zurückliegenden Vergangenheit gewandelt sind und mit Superintelligenzen und anderen höheren Wesenheiten in Kontakt gerieten, wird das Perryversum mit dem Schwarm-Zyklus nicht etwa nur um Welten, sondern gleich um Dimensionen erweitert.

Wer wie der Rezensent die Serie von Beginn an verfolgt und womöglich auch den einen oder anderen Abstecher in die Abenteuer des unsterblichen Arkoniden Atlan unternommen hat, wurde von dem Autorenteam über Jahrzehnte hinweg mal mit heiteren, mal ernsten, auf jeden Fall aber recht spannenden Geschichten verwöhnt. Dabei bildet jeder Zyklus für sich genommen einen üppigen Quell an phantastischen Ideen, der Schwarm-Zyklus hingegen sticht noch einmal hervor. Der wurde von der Redaktion vermutlich deshalb als erster abgeschlossener Zyklus für die Taschenbuchversion ausgewählt, weil hier Antworten auf Grundfragen gegeben werden wie: Woher stammt das Leben? Wie entstand Intelligenz? Wer oder was sorgt für Ordnung im Universum?

Mit dem Anfang der siebziger Jahre geschriebenen Schwarm- Zyklus haben die Autoren ein Feuerwerk an Einfällen abgeschossen, dessen Widerschein über die Grenzen der PERRY-RHODAN-Fangemeinde hinaus wahrgenommen wurde. Bekanntlich liegt der Ursprung vieler Science-fiction-Ideen im Perryversum, ebenso wie umgekehrt die PERRY-RHODAN-Autoren verarbeiten, was in "Science" und "Fiction" vorgedacht wird.

Allein die Idee des Homo superior, der sich als eine evolutionäre Weiterentwicklung des Homo sapiens versteht, anfangs nicht der Verdummung unterliegt und, ähnlich den Maschinenstürmern in der Frühzeit der Industrialisierung, den technischen Fortschritt bekämpft - wenngleich nicht wie diese aus Gründen der Arbeitsplatzbewahrung, sondern aufgrund seiner aus einem Naturideal hergeleiteten Technikfeindlichkeit -, bietet überreichlich Stoff für spannende Nebenschauplätze und regt den Leser zu weitergehenden Fragen an. So behauptet beispielsweise an einer Stelle Roi Danton, der Sohn Perry Rhodans, gegenüber einem Vertreter des Homo superior, daß es zum jetzigen Zeitpunkt (der Verdummung) ungünstig sei, daß er seine Ideale zu verwirklichen suche (Bd. I, S. 145). Da stellt sich dem Leser natürlich die Frage, ob es zur Verwirklichung von Idealen jemals einen geeigneten Zeitpunkt geben kann und ob ein Abwägen des Für und Wider nicht bereits ein Verrat an den Idealen sei; zumal dies nach Maßstäben geschehen müßte, die zurückzulassen derjenige angetreten war.

Im besten Sinne phantastisch ist auch die Erfindung des Ezialismus. Deren Anhänger haben sich einer "Extra Zerebralen Integration" unterzogen, um nicht auf ein einziges Gebiet spezialisiert, sondern auf allen technischen und wissenschaftlichen Gebieten versiert zu sein. Früher hätte man zu ihnen Universalgelehrte gesagt. Deren Berufsstand ist jedoch im Aussterben begriffen, wenngleich nicht vergessen, wie die Ezialisten in PERRY RHODAN beweisen.

Die Vorstellung, daß es in einer zukünftigen menschlichen Gesellschaft legitimierte Diebe (Bd. I, S. 90) gibt, die die Genehmigung besitzen, jeden Monat Waren im Wert von 100 Solar zu stehlen, oder gar staatlich anerkannte Mörder (Bd. I, S. 91), die einmal im Jahr einen menschenähnlichen Roboter ermorden dürfen, ist sicherlich der keineswegs zu knappen humoresken Seite der PERRY-RHODAN-Serie geschuldet. Doch verweisen solche Einfälle nicht zugleich darauf, daß sich die Autoren fragen, wie die Menschen der Zukunft mit dem Problem der Kriminalität umgehen? Und wird an dieser Stelle nicht einer zugegeben realitätsfernen, indes von ihrer Grundaussage her der Gewaltfreiheit verpflichteten Lösung das Wort gesprochen?

Sicherlich sind die Autoren der PERRY-RHODAN-Serie wie viele andere Schreiber vor ausgelatschten Klischees nicht gefeit: Die kosmischen Händler heißen Springer und sind die einzigen, die ihr Raumschiff nicht heil landen können (Bd. III, S. 77). Springer brauchen keine Erwerbsregeln wie die Ferengi in der SF-Serie Star Trek, da sie das Streben nach Profit verinnerlicht haben, aber sie müssen genauso wie ihre großohrigen Kollegen aus einem anderen SF-Universum häufig als tumbe Prügelknaben herhalten.

Ein Klischee wird auch mit dem Selbstmord des Schurken Grohaan Opinzom bedient. Dieser Suggestor und Homo superior wird von seinen Artgenossen wegen seiner verbrecherischen Taten ausgestoßen (Bd. I, S. 392), will nicht mehr leben und bringt sich um. Mit anderen Worten: Der Böse hat letztlich ein Einsehen, daß nur die Guten eine Lebensberechtigung besitzen ... wie viele Romane sämtlicher Literaturgattungen sind wohl auf diese "saubere" Weise geendet?

Der Serie PERRY RHODAN wurde in der Vergangenheit hin und wieder angelastet, sie sei militaristisch, nichts anderes als ein SF-Landser-Verschnitt und einer anständigen Erziehung der Jugend höchst abträglich. Wer das behauptete, mußte die Romane nur zum Zweck der Bestätigung des eigenen Vorurteils gelesen haben (wenn sie überhaupt gelesen wurden, was in einigen Fällen zu bezweifeln ist). Sicherlich gab und gibt es gewaltige Raumschlachten, starke Geheimdienste und eine Gruppe elitärer Unsterblicher, die die Geschicke der Menschheit leiten. Aber zugleich vertreten die Haupthandlungsträger höchste moralische Werte wie Toleranz gegenüber anderen Spezies, anders Denkenden und selbst noch den fremdartigsten Lebensformen.

Perry Rhodan tritt hier zwar als Raumschiffkommandant und Großadministrator auf, aber in der Regel, nicht in der Ausnahme stimmt er seine Entscheidungen mit seinen Freunden ab; oder aber er versteht sich bereits so gut mit ihnen, daß er ihrer Zustimmung für seine Entscheidungen sicher sein kann. Beispiele für hohe ethische Einstellungen finden sich in den drei vorliegenden Bänden zuhauf. So sprechen sich die Protagonisten gegen das Trinken von Schnaps aus (Bd. I, S. 199), sie erkennen, daß sie Ideen, selbst wenn sie gut sind, anderen nicht aufzwingen können (Bd. II, S. 197) und verzichten auf Bestrafung, obwohl jemand Unrecht getan hat, wie beispielhaft am folgenden Dialog aufgezeigt werden soll:

Jetzt trat Roi Danton vor. "Sie werden Gelegenheit erhalten, Ihre Ideen zu verwirklichen", sagte er. "Wir geben Ihnen und Ihren Leuten die ZAMORRA-THETY und die Freiheit. Sie können damit beginnen, was Sie wollen." Admiral Cadro Tai-Hun nahm diese Eröffnung erstaunt auf. "Sind Sie auch ganz sicher, daß Sie von uns keine Sühne verlangen?" fragte er. "Es hat viele Tote gegeben", antwortete Roi Danton. "Wenn ich überzeugt wäre, sie wieder zum Leben zu erwecken, indem ich nach den Schuldigen suche und sie bestrafe - ich würde es ohne Rücksichtnahme tun. Allerdings fänden sich dann vielleicht mehr Schuldige, als es Tote gegeben hat. So aber, Admiral ... Nein, wir können keine bessere Lösung finden als die vorgenannte. Sie und Ihre Leute können gehen." "Danke", sagte Admiral Tain-Hun. Dann fügte er nicht ohne Pathos hinzu:
Wir werden nach Gleichgesinnten suchen und auf eine geeignete Welt ziehen. Vielleicht kommen wir eines Tages zurück, um den Völkern der Welt unsere Hilfe anzubieten. (Bd. II, S. 198)

Die in diesem kurzen Textauszug angedeutete Frage, in welcher Lebensform oder Gesellschaft jemand leben möchte, zieht sich wie ein roter Faden durch die gesamte PERRY-RHODAN-Serie. Das zeigt nicht nur der obige Dialog, mit dem eine Nebenhandlung abgeschlossen wird, sondern auch der gesamte Lebensweg der Hauptfigur Perry Rhodan, der, bei aller Entschlossenheit in der konkreten Gefahrensituation, in ruhigeren Minuten durchaus Zweifel hegt, ob das, was er vorhat, der richtige Weg sei, ob er anderen mit seinen Entscheidungen nicht etwas aufzwingt, was sie gar nicht wollen, ob er tatsächlich für "die Menschheit" mit den kosmischen Mächten ringt oder ob diese nicht lieber von der großen Politik verschont bleiben will.

Die Gründung der "Dritten Macht" zum Zweck der Vereinigung widerstreitender Interessen auf der Erde, die sich gerade anschickten, gegenseitig mit Atomwaffen zu vernichten, die Annahme der auf 20.000 Jahre befristeten Aufgabe der mythischen Superintelligenz ES, die Völker der Milchstraße in Frieden zu vereinen, die Abkehr von den mächtigen, gottähnlichen Kosmokraten oder auch die Teilnahme an der Koalition Thoregon, bis deren doppeltes Spiel durchschaut wird - die Figur Perry Rhodan ist nie angekommen, sie hat ihr Lebensziel nie erreicht. Und nie kämpft sie um des bloßen Machterhalts willen, sondern immer für andere und steht dabei regelmäßig vor schier unlösbaren Aufgaben. Wie bei dem Versuch, die Gefahr durch den Schwarm zu bannen.

In ihren Beschreibungen geben sich die Autoren mal informativ, wenn sie beispielsweise die Zahl der menschlichen Gehirnzellen mit ihren "markhaltigen Faserfortsätzen" (Bd. III, S. 194) und die Gesamtlänge dieser Bahnen nennen (480.000 Kilometer), und mal recht pragmatisch, wenn im Vorwege der großen galaktischen Konferenz auf dem Landefeld "ein Beiboot der INTERSOLAR (...) schon vor Wochen mit einem Impulsgeschütz alle größeren Felsformationen zerstrahlt und schwarze Linien in den Boden gebrannt" hat (Bd. III, S. 67/77) ... es scheint also auch in Zukunft noch Parkplatzprobleme und entsprechende Streitigkeiten um die freien Plätze zu geben.

Hin und wieder springen dem Leser auch bunte Stilblüten entgegen. Da sprechen Vater Rhodan und sein Sohn nach langer, erzwungener Trennung erstmals wieder per Funk miteinander und berichten, wie es ihnen in der Zwischenzeit ergangen ist. Allzu lange scheint sich der Autor mit dieser Episode aber nicht aufhalten zu wollen, denn er endet den kurzen Absatz mit den Worten: "Die seelischen Erschütterungen auf beiden Seiten waren vorüber. Die Realitäten traten wieder in den Vordergrund." (Bd.I, S. 65)

Auch die folgende Formulierung entbehrt nicht einer gewissen Komik:

Eine überreife Frucht zerplatzte auf dem Kopf des Gefangenen. Die Situation war für den Fremden nicht nur lebensgefährlich, sondern auch entwürdigend. (Bd. II, S. 27)

Eine bemerkenswerte Reihenfolge, ganz nach dem Motto: Lebensgefahr ist halb so schlimm, bloß kein faules Obst auf dem Kopf! Doch der Humor entsteht seltener unfreiwillig, wie in diesen Beispielen, als daß gezielt mit ihm gespielt wird. Sympathieträger wie der Mausbiber Gucky, dem es als möhrenfressenden Teleporter, Telepath und Telekinet ein inniges Anliegen zu sein scheint, Anordnungen wenn irgend möglich zu mißachten, und der damit regelmäßig für Aufregung in den eigenen Reihen sorgt, oder der Pseudo-Neandertaler Lord Zwiebus, der selbst auf dem Raumschiff vorzugsweise mit Lendenschurz und Holzkeule herumläuft (in der allerdings einige technisch hochwertige Mikrowaffensysteme eingebaut sind), lockern das Weltraumepos auf und tragen mit dazu bei, daß in der Welt des Perry Rhodan für jeden etwas dabei ist, für den jugendlichen Träumer wie für den unverdrossen jugendlich träumenden Erwachsenen.


Perry Rhodan - Der Schwarm. Der abgeschlossene Zyklus
Band 1: Der Schwarm
Band 2: Kampf der Immunen
Band 3: Das heimliche Imperium
Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt 2005