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REZENSION/068: Wolff, Weihrauch - Internistische Therapie 98/99 (SB)


Herausgeber H. P. Wolff und T. R. Weihrauch


Internistische Therapie 98/99



Eigentlich machen mich allzu gute Buchkritiken immer sehr skeptisch, gerade wenn es sich um Lehrbücher der Medizin oder - wie in diesem Fall - um ein Werk handelt, das den Anspruch erhebt "in kompakter Form aktuellste und prägnante Therapie- Informationen der Inneren Medizin" zu bieten. Doch ausnahmsweise sind die vielen in den Besprechungen positiv hervorgehobenen Merkmale keine Übertreibung, sondern nur Einzelaspekte eines wirklich gelungenen Therapiebuches.

1975 haben sich die Herausgeber H. P. Wolff und T. R. Weihrauch zum ersten Mal mit verschiedenen fachkompetenten Autoren zusammengetan, um sich an einer pragmatisch orientierten und zugleich wissenschaftlich begründeten Darstellung der Therapie innerer Krankheiten zu versuchen.

Im Vorwort zur ersten Auflage heißt es:

Die Auswahl des Stoffes berücksichtigt unter bewußtem Verzicht auf Vollständigkeit nur die in Praxis und Klinik häufigeren und dringlichen therapeutischen Indikationen. Die Darstellung will besonders für den unter Handlungszwang stehenden Arzt eindeutige, detaillierte und unmittelbar anwendbare Behandlungsrichtlinien in einer knappen, übersichtlichen Form vermitteln. (Vorwort)

Diesem Ziel kommt die mittlerweile 12. Auflage, die im März 1998 erschienen ist, bereits sehr nahe. Eine regelmäßige, komplette Neuüberarbeitung im Zwei-Jahres-Rhythmus gewährleistet die nötige Aktualität und die stete Mühe und Arbeit, die so eine fortlaufende Ergänzung und Verbesserung des Buches zwangsläufig mit sich bringt, hat in vielerlei Hinsicht zu einer inhaltlich gut verständlichen und vor allem übersichtlichen Darstellung der häufigsten und dringlichsten Behandlungen geführt.

Das Buch kann auf verschiedene Weise genutzt werden. Zum einen ermöglicht ein alphabetischer Index der medizinischen Notfälle auf der Innenseite des Buchdeckels einen direkten Zugang zu den Seiten, auf denen die lebensrettenden Sofortmaßnahmen in Akutsituationen beschrieben werden. Zum anderen ist es nützlich, wenn man sich ein Krankheitsbild noch einmal in aller Kürze ins Gedächtnis rufen und einen Überblick verschaffen möchte. Dabei hilft die klare Gliederung der einzelnen Kapitel in Definition, Ätiopathogenese und Klinik mit Leitsymptomen und -befunden, diagnostischen Hinweisen und Differentialdiagnosen, mit der jedes Krankheitsbild vorgestellt wird, bevor in ausführlicher Weise auf die Therapie eingegangen wird. Ein Sachverzeichnis von mehr als einhundert Seiten ermöglicht zudem die rasche Suche nach bestimmten Symptomen oder Fachbegriffen.

Die Therapieempfehlungen berücksichtigen neben geeigneten Pharmaka, Indikationen, Kontraindikationen, Nebenwirkungen, Sofort- und Dauermaßnahmen auch besonders das stufenweise Vorgehen vor und nach Klinikeinweisung bei Notfällen. [...] Mit der kurzen Darstellung der Technik wichtiger diagnostischer und therapeutischer Eingriffe soll auch dem weniger Geübten eine Hilfestellung in Notsituationen gegeben werden.

Die langjährige Erfahrung der Autoren und Herausgeber - und sicherlich nicht zuletzt auch die Kritik und Hinweise der Leser - haben dazu geführt, daß dieses übersichtliche Nachschlagewerk auch im "Praxistest" kaum etwas zu wünschen übrig läßt. Denn gerade im hektischen Klinikalltag, der selten Zeit für langwieriges Blättern in den einschlägigen Standardwerken läßt, besticht dieses Buch nicht nur durch seine leichte und einfache Handhabung, sondern auch durch das recht handliche Format und erstaunlich leichte Gewicht, das man einem Buch mit mehr als 1200 Seiten gar nicht zutraut.


Doch es gibt auch einen Wermutstropfen, der dem aufmerksamen Leser des "Vorwortes zur zwölften Auflage" nicht entgehen sollte.

Während im Vorwort zur ersten Auflage noch geschrieben stand:

Der Auswahl der Präparate lagen die
persönlichen Erfahrungen der Autoren
zugrunde; sie stellt keine Wertung dar.

wird im Vorwort zur aktuellen 12. Auflage speziell auf die Bemühung um eine weitestgehende Abstimmung mit dem ebenfalls im Verlag Urban & Schwarzenberg erscheinenden Werk "Rationelle Diagnostik und Therapie in der Inneren Medizin", das von der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin in Zusammenarbeit mit dem Bund Deutscher Internisten herausgegeben wird, hingewiesen. Der Herausgeber selbst wertet dies als einen "weiteren wichtigen Beitrag zu einer Evidenz-basierten Medizin", worunter man gemeinhin versteht, daß der Arzt den Patienten nach dem Stand der am besten gesicherten medizinischen Erkenntnisse behandelt. Maßgebend ist dabei in erster Linie der Nutzen für den Patienten, dessen Erwartungen und individuelle Wertvorstellungen zu berücksichtigen sind.

Dies ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit, und man kann mit Sicherheit davon ausgehen, daß auch die vorangegangenen elf Auflagen des Therapiebuches in dieser Hinsicht gewissenhaft überprüft wurden. Warum also wird dieser Sachverhalt als Begründung für die Abstimmung der Therapie mit den großen Standesorganisationen speziell hervorgehoben? Die Antwort läßt nicht lange auf sich warten, denn der nun folgende Hinweis darauf, daß eine rational und wissenschaftlich begründete Therapie mit einer positiven Nutzen-Risiko-Bilanz darüber hinaus auch ein wirkungsvoller Beitrag zur Kosteneffizienz in der Medizin sei, zeigt den Sinn und die wahre Bedeutung dieser Abgleichung in der Therapie.

Daß sich ein so erfolgreiches Fachbuch einspannen läßt in diese bedenkliche Entwicklung des Gesundheitswesens, das - versteckt hinter dem Schlagwort der Evidenz-basierten Medizin - versucht, sein Konzept der Kostendämpfung durch die Hintertür einzuführen, ist außerordentlich bedauerlich.


Zum Abschluß dieser Besprechung möchte ich in aller Kürze noch einmal die wichtigsten Merkmale der "Internistischen Therapie 98/99" hervorheben:

- Allgemeine therapeutische Maßnahmen (z.B. Therapie des Schmerzes und des Fiebers) werden in einleitenden Spezialkapiteln ausführlich behandelt.

- Besonderheiten der Therapie im Alter, in der Schwangerschaft, bei Nieren- und Leberinsuffizienz.

- Praxisorientierte therapeutische Maßnahmen aller wichtigen internistischen Krankheitsbilder.

- Spezielles Kapitel über die Therapie internistischer Notfälle.

- Übersichtliches Notfallverzeichnis auf der Buchinnenseite.

- Hinweise zur Interpretation von Laborwerten anhand von Referenzbereichen.

- Ein Medikamentenverzeichnis, gegliedert nach pharmakologischen Kriterien, Indikationen und Dosierung mit Hervorhebung der Hauptbesprechung.

- Neu gestaltete Griffleisten der Kapitel und des Tabellenanhangs erleichtern die Auffindung wesentlicher Informationen.

- In den meisten Kapitel werden außer den internationalen "generic names" auch eines oder mehrere Handelspräparate genannt, so daß sich das Nachschlagen in der "Rote Liste" oftmals erübrigt.


Nicht nur Ärzten sondern auch allen Studenten der klinischen Semester ist dieses Buch sehr zu empfehlen.


Herausgeber H. P. Wolff und T. R. Weihrauch
Internistische Therapie 98/99
12., vollständig überarbeitete und aktualisierte Auflage,
Urban & Schwarzenberg, 1998
1.224 Seiten, 248 Tabellen, gebunden, 98,- DM