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REZENSION/222: Robert Baer - Die Saudi Connection (US-Nahostpolitik) (SB)


Robert Baer


Die Saudi Connection

Wie Amerika seine Seele verkaufte



Seit den epochemachenden Flugzeuganschlägen auf das New Yorker World Trade Center und das Arlingtoner Pentagon läuft eine regelrechte Kampagne, dem saudischen Herrscherhaus die Hauptschuld am wohl spektakulärsten "Terrorakt" der Geschichte zu geben. Bekanntlich stammten 15 der 19 mutmaßlichen Flugzeugentführer, welche im Auftrag von Al-Kaida-Chef Osama Bin Laden, Sproß einer saudischen Bauunternehmerfamilie, das Verbrechen begangen haben sollen, aus Saudi-Arabien. Zu den Hauptvertretern dieser hysterisch anmutenden These von der angeblichen Perfidie der Sauds und ihrer vermeintlichen Erbfeindschaft gegenüber der westlichen Zivilisation im allgemeinen, dem langjährigen Verbündeten USA im besonderen gehören unter anderen Jacques Brisard und Guillaume Dasquié mit ihrem Buch "Die verbotene Wahrheit", Craig Unger mit seinem Buch "Die Bushs und die Sauds" und Michael Moore mit seinem enorm erfolgreichen Dokumentarfilm "Fahrenheit 9/11". Wer von dem neuen Buch Robert Baers "Die Saudi- Connection - wie Amerika seine Seele verkaufte" eine Neuauflage des seit drei Jahren kursierenden Klischees über die von der islamischen Welt angeblich ausgehenden Bedrohung des Westens erwartet hat, wird angenehm überrascht sein von der Differenziertheit der Analyse des ehemaligen CIA-Mannes.

Baer, der als Mitglied der CIA-Operationsabteilung über zwei Jahrzehnte an diversen Schauplätzen des Nahen Ostens und Zentralasiens - unter anderem in Pakistan zur Zeit des Aufstands der afghanischen Mudschaheddin gegen die Sowjetunion und im nördlichen Irak während eines gescheiterten Putschversuchs gegen Saddam Hussein - die islamische Welt hautnah kennengelernt und gleichzeitig durch seine Erlebnisse im bürokratischen Dschungel des US- Sicherheitsapparats auch einen ihn desillusionierenden Einblick in die Art und Weise erhalten hat, wie die Dinge in der imperialen Hauptstadt Washington funktionieren, zieht am Ende seines spannenden Buchs folgende vernichtende Bilanz:

Saudi-Arabien ist, um es kurz zu sagen, ein Tollhaus, in dem ein gottverdammtes Durcheinander herrscht, und wir sind es, die dieses Durcheinander angerichtet haben. Die Vereinigten Staaten haben Saudi-Arabien zum privaten Lagerschuppen für ihre Erdölreserven gemacht. Wir haben die Vorteile aus einer ununterbrochenen Erdöl- Versorgung zum Discount-Preis geerntet und nach jedem saudischen Petrodollar gegriffen, an den wir herankommen konnten. Wir haben die Saudis durch unser Beispiel gelehrt, was von ihnen erwartet wurde, und dann das, was wir selbst geschaffen haben, vernachlässigt. Und 'wir' sind in diesem Fall alle Regierungen seit Nixon, unabhängig von ihrer parteipolitischen Ausrichtung: Saudi-Arabien zugrunde zu richten ist möglicherweise die erfolgreichste, von beiden US-amerikanischen Parteien getragene Unternehmung des letzten Jahrhunderts gewesen. (S. 270)

Um zu erklären, wie es zu dem seit dem 11. September 2001 höchst belasteten Verhältnis zwischen Riad und Washington kommen konnte, wartet Baer mit einer packenden Abhandlung der wichtigsten Stationen in der Geschichte der amerikanisch-saudischen Beziehungen, angefangen bei dem Treffen zwischen US-Präsident Franklin D. Roosevelt und dem saudischen König Abd al-Asis 1945 kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges im Suez-Kanal auf dem US-Kriegsschiff Quincy und mit dem Abschluß des gleichnamigen Abkommens, bei dem es um das schlichte Tauschgeschäft Öl gegen Sicherheit ging, auf. Erste Spannungen kommen mit den Nahostkriegen 1967 und 1973 und dem Ölembargo der OPEC auf. Doch was sich für den einfachen Verbraucher in erhöhten Benzinpreisen niederschlug und eine Wirtschaftskrise auslöste, nämlich die gestiegenen Ölpreise, wandelte sich für die Wall-Street-Banken und Amerikas Rüstungsproduzenten dank der Verhandlungskunst von Henry Kissinger zu einer schier unendlichen Quelle an Petrodollars.

Baer berichtet aus der Sicht eines Beteiligten von den heiklen Vorgängen der achtziger Jahren, als unter Ronald Reagans CIA-Chef William "Bill" Casey die Saudis die Stellvertreterkriege der USA gegen den "gottlosen" Kommunismus in Mittelamerika und Afghanistan subventionierten und - im letzteren Fall auch durch die Rekrutierung Zehntausender arabischer Söldner - unterstützten. Hier wurde die Saat für die Iran-Contra-Affäre, bei der es auch um die illegalen Waffenlieferungen von Saudi-Arabien und den USA an beide Seiten im Iran-Irak-Krieg ging und worüber die Regierungen Reagan und Bush sen. fast gestürzt wären, sowie das gelegt, was man heute "Al Kaida" nennt. Wie Baer selbst einräumt, waren nicht wenige der großen Namen des heutigen "islamistischen Terrorismus" wie beispielsweise der im Zusammenhang mit dem ersten Anschlag auf das New Yorker World Trade Center 1993 verurteilte und in einem US-Gefängnis einsitzende, blinde, ägyptische Scheich Omar Abdul Rahman früher die wichtigsten Handlanger Washingtons und Riads. Angesichts dieser heiklen, bis heute nicht vollständig aufgeklärten Gemengelage wundert es nicht, daß die CIA hier und da einige Daten, Namen, Sätze und sogar Seiten des Baer-Buchs hat schwärzen lassen. Das mag auch der Grund sein, warum der Autor über die Rolle der arabischen Mudschaheddin bei der Zerschlagung Jugoslawiens, als sie mit Einverständnis der USA zu Tausenden auf der Seite der bosnischen Moslems kämpften, leider kein Wort verliert.

Dafür läßt sich Baer detailliert zu der schier unglaublichen Korruption im saudischen Herrscherhaus wie auch im Herzen des militärisch-industriellen Komplexes der USA aus. Ob nun der saudische Botschafter in Washington, Prinz Bandar, seine engen Freunde bei der Familie Bush, der Oberzionist und Likud-Freund Richard "Fürst der Finsternis" Perle, der frühere britische Premierminister und heutige Carlyle-Vertreter John Major oder der frühere Gulfstream-Flugzeug- Verkäufer und heutige US-Außenminister Colin Powell, die Liste derjenigen, die sich an den Öleinnahmen Saudi-Arabiens zu bereichern wissen, ist lang und prominent besetzt. Daß die Saudis nicht alle korrupt sind, zeigt Baer am Beispiel des Thronfolgers und De-facto- Regenten Kronprinz Abdullah, der sich seit dem Schlaganfall seines Bruders König Fahd im Jahre 1995 vergeblich um geordnetere politische und wirtschaftliche Verhältnisse in Saudi-Arabien wie auch um eine ausgewogenere, weniger einseitig pro-israelische Nahost-Politik der USA einsetzt und dabei in Riad und Washington bislang nur auf Widerstand stößt.

Höchst interessant sind Baers Beschreibungen seiner persönlichen Begegnungen mit nahöstlichen und zentralasiatischen Geheimdienstvertretern, Oppositionellen, Geistlichen und Waffenhändlern. So sehr sich der Autor über den politischen Entscheidungsprozeß in Washington und die Unterstützung der USA für die "Kleptokratie" in Riad ärgert, kommt er auch nicht darum herum, ein gewisses Verständnis für das Anliegen der saudischen "Islamisten" aufzubringen. Immerhin wagten es Osama Bin Laden und seine saudischen Anhänger, "den Dieben, die ihr Land regieren, die Stirn zu bieten", so der Ex-CIA-Mann. Daß Baer manchmal den missionarischen Drang des sunnitischen Wahhabismus mit einem anti-westlichen Vernichtungswillen verwechselt, kann man ihm vielleicht nachsehen, hat er doch ein aufschlußreiches und anregendes Buch zur aktuellen Lage im Nahen Osten vorgelegt.

13. September 2004


Robert Baer
Die Saudi Connection
Wie Amerika seine Seele verkaufte
Aus dem Englischen von Michael Müller
Originaltitel "Sleeping with the Devil:
How Washington Sold Our Soul for Saudi Crude"
C. Bertelsmann Verlag, München 2004
287 Seiten, 19,90 Euro
ISBN 3-570-00807-X