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REZENSION/346: Jürgen Cain Külbel - Mordakte Hariri (Nahost-Politik) (SB)


Jürgen Cain Külbel


Mordakte Hariri

Unterdrückte Spuren im Libanon



Als am 14. Februar 2005 der Baumilliardär und ehemalige Premierminister des Libanons, Rafik Hariri, zusammen mit sieben Leibwächtern und zwölf unbeteiligten Personen bei einem massiven Bombenanschlag auf seinen Autokonvoi im Stadtzentrum von Beirut ums Leben kam, zögerte die Regierung von US-Präsident George W. Bush keine Millisekunde lang mit der Behauptung, hinter dem gräßlichen Mord stecke Syrien, dessen Truppen zu diesem Zeitpunkt seit über 20 Jahren als Schutzmacht im Nachbarland stationiert gewesen waren. Ungeachtet des berechtigten, leider viel zu wenig publizierten Einwands aus Damaskus, mit demselben Argument könnte man den amerikanischen Sicherheitsapparat hinter den Flugzeuganschlägen vom 11. September 2001 vermuten, wurde Syrien unter massiven, internationalen Druck gesetzt, innerhalb weniger Wochen seine Soldaten aus dem Libanon abzuziehen. Darüber hinaus richteten die Vereinten Nationen eine Untersuchungskommission ein, die sich bis heute offenbar ausschließlich mit denjenigen Spuren befaßt hat, die, wie dürftig auch immer, in Richtung Damaskus und der Regierung von Präsident Baschar El Assad weisen.

Als im Juni dieses Jahres der Militärgeheimdienst und die Polizei in Beirut einen erfolgreichen Schlag gegen den "internationalen Terrorismus" einschließlich der Festnahme mehrerer Teilnehmer und Organisatoren einer Reihe von tödlichen Bombenanschlägen der letzten Jahre im Libanon meldeten, wurde dies von der westlichen Presse praktisch totgeschwiegen. Selbst die Bemühungen Beiruts, die gewonnenen Erkenntnisse über die Anschlagsserie dem UN-Sicherheitsrat in New York vorzulegen, wurden vor allem auf Betreiben des dortigen US- Botschafters John Bolton vereitelt.

Der Grund für die völlig unterschiedlichen Reaktionen der selbsternannten "internationalen Gemeinschaft" einerseits auf den Hariri-Mord und andererseits auf die Aushebung eines ganzen "Terror- Netzwerkes" durch die libanesischen Sicherheitsbehörden ist leicht erklärlich. Ersterer Fall eignete sich aus der Perspektive bestimmter Kreise als perfektes Mittel, um den "Schurkenstaat" Syrien dermaßen in die Isolation zu treiben, daß sich eventuell ein "Regimewechsel" in Damaskus herbeiführen ließe, während im letzteren Fall die Täter offenbar alle im Solde Israels, genauer gesagt dessen Auslandsgeheimdienstes Mossad standen, was natürlich nicht in das manichäische Schwarz-Weiß-Bild vom "globalen Antiterrorkrieg" als Existenzkampf des Westens gegen durchgedrehte Kalifatsanhänger und bärtige Islamisten paßt und bei allzu großer Verbreitung nur zu Irritationen beim europäischen oder nordamerikanischen Fernsehnachrichtenkonsumenten hätte führen können. Nicht ohne Grund brachte Robert Parry, der in den achtziger Jahren als Newsweek- Journalist wesentlich zur Aufdeckung der Iran-Contra-Affäre beigetragen hat, in dem am 8. August bei der elektronischen US- Politzeitschrift Consortium News erschienenen Artikel "A 'Pretext' War in Lebanon" die These auf, die jüngsten dieser offensichtlich auf Betreiben Tel Avivs durchgeführten Anschläge dienten dem Zweck, in Form von Vergeltungsaktionen entweder palästinensischer Widerstandsgruppen oder der schiitischen Hisb-Allah-Miliz einen Vorwand für jenen ohnehin länger geplanten Libanonfeldzug zu erzeugen, den man folgerichtig nach der Gefangennahme zweier israelischer Soldaten am 12. Juli vom Zaun brach.

Von welchen Kreisen hier die Rede ist, erläutert en Detail wie auch mit spürbarem Genuß an der Häresie Jürgen Cain Külbel in seinem Buch "Mordakte Hariri - Unterdrückte Spuren im Libanon". Nach Ansicht von Külbel geht die "Terrorserie" der letzten Jahre im Libanon, darunter die sich stark ähnelnden Autobombenanschläge auf Hariri wie auf Elie Hobeika Anfang 2002, wenige Tage, bevor der ehemalige libanesisch- christliche Milizenführer in Verbindung mit den Ermittlungen belgischer Behörden nach Brüssel fliegen sollte, um gegen den damaligen israelischen Premierminister Ariel Scharon wegen dessen Schlüsselrolle beim Massaker an Hunderten, möglicherweise Tausenden Palästinensern in den Flüchtlingslagern Sabra und Schatila im Herbst 1982 auszusagen, auf die in den USA seit dem Einzug George Bushs und Dick Cheneys ins Weiße Haus und Donald Rumsfelds ins Pentagon Anfang 2001 tonangebende, neokonservative Kamarilla, ihre ideologischen Streitgefährten in rechtsgerichteten Militär- und Politkreisen in Israel sowie deren beider Handlanger bei den ehemaligen christlichen Milizionären des Libanons - sei es vor Ort oder im Exil - zurück.

Zunächst nimmt sich Külbel, der Kriminalistik an der Berliner Humboldt- Universität studierte und anschließend von 1974 bis 1988 auf diesem Gebiet in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) arbeitete, die Beweislage im Mordfall Hariri vor. Dabei stößt er auf jede Menge Widersprüche in der offiziellen Version, wie sie bisher von den UN- Ermittlern Peter Fitzgerald, dem Stellvertretenden Präsidenten der irischen Garda Síochána, und Detlev Mehlis von der Berliner Staatsanwaltschaft präsentiert worden ist. Das kurz nach dem nicht nur in seiner politischen Wirkung verheerenden Hariri-Attentat dem arabischen Nachrichtensender Al Jazeera zugespielte und von diesem ausgestrahlte Bekennervideo stammte von einer Gruppe, von deren Existenz niemand bis dahin wie auch danach etwas gehört hat. Der vermeintliche Selbstmordattentäter, der das Bombenauto gefahren haben soll, hatte nach Angaben seiner Eltern nicht gelernt, einen Wagen zu steuern.

Der von der Explosionswucht erzeugte, gigantische Krater deutet darauf hin, daß die eigentliche Bombe - beziehungsweise eine zweite Bombe - unter einem Gullideckel in der Straße versteckt worden war. Der beim Anschlag offenbar verwendete Wagen war in Japan gestohlen worden, und bis heute kann sich niemand erklären, wie das Fahrzeug um die halbe Welt in die Levante gelangt ist. Jedenfalls spricht dieser Aspekt nicht gerade für eine Verwicklung staatlicher, syrischer Stellen (Interessanterweise meldete am 2. Oktober 2005 die Tageszeitung Boston Globe, nach Angaben des FBI würden bei den Anschlägen im Irak nicht wenige gestohlene Autos aus den USA verwendet - ohne jedoch auf den naheliegende Gedanken zu kommen, daß nicht Osama Bin Ladens Al Kaida, sondern Don Rumsfelds hochgeheime "Dirty-tricks"-Abteilung P2OG dahinterstecken könnte). Darüber hinaus scheint festzustehen, daß der Störsender, mit dem Hariris gepanzerte Limousine ausgerüstet war, kurz vor der Explosion ausgeschaltet wurde, was eine per Funk ausgelöste Zündung der Bombe in unmittelbarer Nähe des Autokonvois ermöglicht hätte. Des weiteren sollen Aussagen der beiden Hauptbelastungszeugen, die zunächst für eine Verwicklung syrischer Regierungsbeamter in den Hariri-Anschlag bürgten, aufgrund entweder von Bestechung oder Erpressung oder einer Mischung aus beidem zustande gekommen sein.

Nachdem Külbel auf die Argumente eingeht, die für eine Verantwortung entweder Syriens oder irgendwelcher Geschäftsrivalen für die Ermordung Hariris sprechen, um diese ob ihrer Dürftigkeit für unzureichend zu erklären, richtet er sein Augenmerk auf diejenigen Personen, die seines Erachtens bei näherer Betrachtung der Faktenlage als eigentliche Hauptverdächtige in Frage kommen müßten, nämlich pro- westliche, libanesische Exilgruppen sowie ihre Förderer in Israel und den USA. Bei ihnen läßt sich Motiv, Mittel und Gelegenheit im Übermaß feststellen. Zwecks näherer Erläuterung führt Külbel den Leser durch die Wirrungen des libanesischen Bürgerkrieges, des israelischen Einmarsches 1982 und dessen Folgen, darunter die jahrelange Besetzung Südlibanons durch die Israeli Defense Forces (IDF) bis zu ihrem plötzlichen Rückzug 2000 zusammen mit mehreren Tausenden von ihnen abhängiger, weil jahrelang kollabierender Mitglieder der christlichen South Lebanese Army (SLA).

Külbel gelingt es, durch das im ersten Moment scheinbar unentwirrbare Personen- und Gruppengeflecht bei den libanesischen Exilantenorganisationen in den USA durchzusteigen, und legt ihre unheilstiftenden Verbindungen zu rechtsgerichteten Likudkreisen in Israel sowie zu den einflußreichen Neokonservativen Amerikas frei. Mit stichhaltigen Argumenten siedelt er den Hariri-Anschlag einschließlich der darauf vom Westen gefeierten "Zedern-Revolution" und des Abzugs der Syrer aus dem Libanon bei jenen umfassenden Plänen Tel Avivs und Washingtons für einen "Neuen Nahen Osten" an, für die der gewaltsame Sturz Saddam Husseins und die Besetzung des Iraks nur der erste Schritt waren.

Als Urmanifest solcher neo-machiavellistischen Überlegungen gilt das berüchtigte Strategiepapier "A Clean Break", das eine Gruppe namhafter Zionisten in den USA unter der Leitung des neokonservativen Obergurus Richard Perle 1996 für den damals frischgewählten, israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu erstellt hat und das eine Abkehr vom Prinzip "Land für Frieden" und statt dessen eine mit militärischen Mitteln herbeigeführte Umformung der politischen Landschaft zwischen Mittelmeer und Persischem Golf vorsah. Seit George W. Bush Präsident der USA ist, bekleiden Perles ideologische Streitgefährten und politische Zöglinge im Stab von Vizepräsident Cheney (David Wurmser), im Verteidigungsministerium (Douglas Feith, William Luti), im Außenministerium (John Bolton) und im Nationalen Sicherheitsrat (Elliot Abrams) wichtige Posten, während der ehemalige Stellvertretende Verteidigungsminister Ronald Reagans und Vertreter des American Enterprise Institute (AEI) selbst dank seiner Position als führendes Mitglied des Beratergremiums Defense Policy Board (DPB) des Pentagons großen Einfluß auf die Außen- und Sicherheitspolitik Washingtons ausübt.

Die Neocons und ihre Likud-Freunde bedienen sich libanesischer wie übrigens auch syrischer und iranischer Exilgruppen genauso dreist, wie sie es im Vorfeld des angloamerikanischen Einmarsches in das Zweistromland mit dem Iraqi National Congress (INC) von Achmed Chalabi getan haben, um den Nahen Osten in ihrem Sinne zu destabilisieren und dort für neue Verhältnisse zu sorgen. In diesem Zusammenhang verweist Külbel unter anderem auf die sogenannte AIPAC-Affäre, im Zuge derer im Januar dieses Jahres ein Bundesgericht in Virginia Larry Franklin, einst Iran-Referent der Nahostabteilung des Pentagons, wegen Spionage für Israel zu zwölf Jahren und sieben Monaten Freiheitsstrafe sowie einer Geldstrafe von 10.000 Dollar verurteilt hat. Bereits im Oktober letzten Jahres hatte sich Franklin schuldig bekannt, 2002 und 2003 Steven Rosen und Keith Weissman, damals hochrangige Mitarbeiter der mächtigen Lobbyorganisation American Israel Public Affairs Committee (AIPAC), streng geheime US-Regierungsdokumente zukommen gelassen und sich mehrmals heimlich mit Naor Gilon, bis zu seiner Abberufung im Sommer 2005 Politattaché der israelischen Botschaft in Washington, getroffen zu haben. Demnächst steht der mit Spannung erwartete Prozeß gegen Rosen und Weissman an, auf dem Franklin als Hauptbelastungszeuge auftreten soll.

Die AIPAC-Affäre ist unter anderem deshalb von großer Bedeutung, weil Franklin 2002, 2003 in jener berüchtigten Abteilung im Pentagon mit Namen Office of Special Plans (OSP) arbeitete, die damals als Schaltstelle zwischen dem Amt des israelischen Premierministers Ariel Scharon und den neokonservativen Befürwortern eines Krieges gegen das "Regime" Saddam Husseins fungierte und aus der die allermeisten der angeblichen "Fehleinschätzungen" der US-Geheimdienste hinsichtlich der Massenvernichtungswaffen des Iraks und der Kontakte Bagdads zum Al- Kaida-"Netzwerk" Bin Ladens stammten. Als führende Vertreter dieser illegalen Verschwörung galten der damalige Stellvertretende US- Verteidigungsminister und heutige Weltbankchef Paul Wolfowitz sowie der ebenfalls 2005 zurückgetretene Staatssekretär Douglas Feith, der als Nummer 3 im Hause Rumsfeld die großangelegte Desinformationsoperation des OSP leitete. Zur Beleuchtung der denkwürdigen, möglicherweise staatsverräterischen Aktivitäten dieses Nebengeheimdienstes, den der damalige US-Außenminister General a. D. Colin Powell nach Angaben des Autors und Watergate-Helden Bob Woodward abfällig als "Gestapo-Abteilung" bezeichnete, haben in den letzten Jahren unter anderem der Pulitzerpreisträger Seymour Hersh, die Geheimdienstkoryphäe James Bamford sowie die ehemalige Mitarbeiterin in der Pentagon-Nahostabteilung und Oberstleutnant der US-Luftwaffe a.D., Karen Kwiatkowski, beigetragen.

Der AIPAC-Skandal birgt zusätzliche Sprengkraft, weil Franklin Ende 2001 in Begleitung von Harold Rhodes und Michael Ledeen, zwei weiteren notorischen Neokonservativen, sowie dem zwielichtigen, iranischen Waffenhändler Manucher Ghorbanifar an einem mysteriösen Treffen in Rom mit dem damaligen italienischen Verteidigungsminister Antonio Martino sowie Nicolo Pollari, dem Chef des italienischen Militärgeheimdienstes Servizio Informazioni Sicurezza Militare (SISMI), teilgenommen hat. Ledeen und Ghorbanifar spielten in den achtziger Jahren bei der Iran- Contra-Affäre prominente Rollen. US-Presseberichten zufolge ging es bei der dubiosen Zusammenkunft in Rom unter anderem darum, das Angebot Teherans, mehrere führende, nach dem Sturz der afghanischen Taliban im Iran gefangengenommene Al-Kaida-Mitglieder an Washington auszuliefern, zu torpedieren. Auf diese Weise sollte eine Annäherung zwischen der Islamischen Republik und den Vereinigten Staaten vereitelt werden und somit der Plan der Perle-Fraktion für einen Sturz des ihr verhaßten "Mullah-Regimes" in Teheran am Leben gehalten werden.

Interessant an dieser sonderbaren Episode ist die Möglichkeit einer Verbindung zu einem weiteren Skandal, der die Bush-Regierung seit drei Jahren plagt und der für sie noch brenzlig werden kann. Demnächst muß sich I. Lewis Libby, bis zum letzten Herbst Stabschef Dick Cheneys, vor Gericht dafür verantworten, im Sommer 2003 die CIA-Agentin Valerie Plame geoutet zu haben, nachdem ihr Mann, der US-Diplomat Joseph Wilson, in einem Gastkommentar für die New York Times die eigene Regierungsspitze bezichtigt hatte, wider besseren Wissens die These von einem Versuch Bagdads, sich zum Bau von Atomwaffen Uran aus dem Niger zu besorgen, in die Rede des Präsidenten zur Lage der Nation vom Januar 2003 aufgenommen zu haben. Die gefälschten Dokumente, welche die windige These vom versuchten Urankauf Bagdads belegen sollten, führen zunächst zum SISMI. Geheimdienstexperten unter anderem in den USA spekulieren jedoch darüber, daß der SISMI selbst die fraglichen Papiere von Personen in den USA oder Israel erhielt, die - wie Franklin und Ledeen - Feiths OSP zuarbeiteten (Darüber hinaus war es die Pulitzerpreisträgerin und Neocon-Multiplikatorin Judith Miller, die ebenfalls wie Richard Perle von der PR-Firma Benador Associates vertreten wird, die Ende 2002, Anfang 2003 die wichtigsten OSP- Gruselgeschichten auf die Titelseiten der New York Times brachte. Ende 2005 mußte Miller die Times in Schande verlassen, nachdem die Details ihrer eigenen Verwicklung in die Plame-Affäre in Form eines geheimen Rendezvous zwischen ihr und Lewis Libby im Washingtoner Nobelhotel St. Regis Mitte Juli 2003 bekannt wurden und zur hochpeinlichen Anklageerhebung gegen die rechte Hand des US-Vizepräsidenten führten).

Darüber hinaus stellt der maßgeblich von den Regierungen Israels und der USA forcierte Streit um das iranische Atomprogramm den eigentlichen Hintergrund des illegalen Informationsaustausches zwischen dem Pentagon-Iran-Referenten Franklin, den beiden AIPAC- Vertretern Rosen und Weissman und dem Politattaché an der israelischen Botschaft in Washington, Gilon, dar. Damals wie heute drängten Tel Aviv und dessen Freunde in Washington darauf, daß sich die USA endlich mit dem Iran - nach dem Sturz Saddam Husseins die angeblich größte Bedrohung Israels - befassen und entweder in Teheran für einen Putsch sorgen oder per Luft- und Raketenangriff die iranischen Atomanlagen zerstören. In letzter Zeit hat es nicht wenige Hinweise wie in Robin Wrights Artikel vom 16. Juli in der Washington Post - "Strikes are called part of broad strategy - U.S., Israel aim to weaken Hezbollah, region's militants" - und in Matthew Kalmans Artikel vom 21. Juli im San Francisco Chronicle unter der Überschrift "Israel set war plan more than a year ago - Strategy was put in Motion as Hezbollah began increasing its military strength" gegeben, wonach der jüngste Libanon- Feldzug Israels lediglich den Auftakt zur Umsetzung der nächsten Schritte der von Perle und Konsorten anvisierten "Transformation" der Verhältnisse im Nahen Osten zugunsten einer noch strafferen amerikanisch-israelischen Hegemonie darstellt.

Bereits am 19. Mai hatte Laura Rozen in dem bei der Los Angeles Times erschienenen Artikel "U.S. Moves to Weaken Iran - A campaign to promote democracy and fund dissidents prompts speculation that the administration's goal is to change the regime" mit entlarvenden Einzelheiten der Bemühungen der Bush-Regierung um eine "Demokratisierung" des Irans aufgewartet. Laut Rozen haben vor kurzem sowohl Außen- als auch Verteidigungsministerium der USA zwecks "Unterminierung der Regierung in Teheran" Sonderabteilungen zur Koordinierung der Zusammenarbeit mit iranischen Oppositionsgruppen gegründet. Als Leiter des neuen Iranbüros im Außenministerium wurde der "langjährige Demokratiespezialist des International Republican Institute", David Denehy, genannt, der unter der Unterstaatssekretärin für Nahost-Angelegenheiten, Elizabeth Cheney, Tochter des Vizepräsidenten, arbeiten wird.

Laut Rozen soll das neue Irandirektorat (ID) des Pentagons die gleiche Funktion wie einst das OSP im Vorfeld des Irakkrieges ausüben. Darauf, daß der Weltöffentlichkeit eine erneute Überstrapazierung ihrer Glaubensfähigkeit bevorsteht, deutet die Besetzung des Postens des ID- Leiters mit Abram Shulsky, einem Mitglied des neokonservativen Project for the New American Century (PNAC), hin, der bereits als führender Mitarbeiter des OSP wichtige Erfahrungen bei der Manipulation von Geheimdienstmaterial und der Erzeugung von irreführenden Bedrohungsszenarien sammeln konnte. Eine erste Bestätigung für die Richtigkeit dieses Verdachts lieferte die zum Medienimperium Rupert Murdochs gehörende Sunday Times am 6. August mit der abstrusen Meldung, nach Angaben der Vereinigten Nationen versuche Teheran größere Mengen Uran aus der Demokratischen Republik Kongo über Tansania herauszuschmuggeln. Diese Meldung ist deshalb unsinnig, weil der Iran selbst Uranvorkommen hat und sich niemals für eine solche Aktion hergeben müßte.

Vor dem Hintergrund der anhaltenden Spannungen an der israelisch- libanesischen Grenze und des eskalierenden Streits um das iranische Atomprogramm zeugen Jürgen Cain Külbels "Mordakte Hariri" und die darin enthaltenen Informationen über die Hintergründe der in erster Linie auf Militärgewalt setzenden Nahoststrategie der Regierung Bush jun. von allergrößter Aktualität. Das höchst empfehlenswerte Buch erklärt zudem, warum Külbels Artikel der letzten Wochen für die Zeitungen Neues Deutschland und junge Welt zum Thema Libanonkrieg zu den besten gehören, die es im deutschsprachigen Raum gegeben hat.


Jürgen Cain Külbel
Mordakte Hariri - Unterdrückte Spuren im Libanon
Kai Homilius Verlag, Berlin, 2006
311 Seiten
ISBN: 3-89706-860-5


23. August 2006