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REZENSION/528: Christoph Külzer-Schröder - Im Alleingang. Der Weg zum Unternehmer (SB)


Christoph Külzer-Schröder


Im Alleingang


Der Weg zum Unternehmer

Die abenteuerliche Geschichte einer Existenzgründung


Was läßt sich von einem Buch mit dem Titel "Im Alleingang, Der Weg zum Unternehmer, Die abenteuerliche Geschichte einer Existenzgründung" erwarten?

Ein Rezept, wie man es machen muß, um erfolgreich zu werden? - Wohl kaum, denn das Buch beschreibt, wie dem Inhaltsverzeichnis zu entnehmen ist, die ersten zwölf Monate dieses Abenteuers, einen zu kurzen Zeitraum also, um über Wohl oder Wehe einer Unternehmung zu entscheiden. - Das Klagelied eines, der es versucht hat und gescheitert ist - eine Trostlektüre also? Dagegen spricht die Kurve auf dem Buchtitel, die durch Verzweiflung und Rückschlag am Ende den Aufwärtsbogen zum Erfolg beschreibt. - Ein Ratgeber für Mitstreiter auf dem steinigen Weg zur eigenen Firma, der einem hilft, die Fallen zu umgehen, die anderen zum Verhängnis wurden - schon praktischer, aber keineswegs neu oder gar originell. - Oder die Selbstbeschau eines Halbherzigen, der aus dem Erlebten wenigstens etwas Kapital schlagen will, indem er ein Buch darüber schreibt? - Möglich auch das.

Der Autor Christoph Külzer-Schröder hat seine Erfahrungen fünf Jahre nach der Gründung seines Unternehmens International Business Solutions (IBS) zu Papier gebracht. Will man den Firmenauftritten im Internet Glauben schenken, schreibt seine Unternehmung heute eine Erfolgsgeschichte. Als die Filiale seiner Bank, für die er 25 Jahre lang tätig war, im April 2003 zugunsten einer Konzentration auf Ballungszentren die Schließung und damit den Verlust seines Arbeitsplatzes ankündigt, eröffnet sich für den Angestellten nach dem ersten Schock gerade aus der speziellen Notlage eine Geschäftsidee, hinterläßt doch die Aufgabe des Instituts eine Lücke, auf die er sich über Jahre spezialisiert hat: Die Beratung kleiner und mittelständischer Unternehmen vor Ort bei Auslandsgeschäften. Insofern mag er eher die Ausnahme bei den Existenzgründern aus der (drohenden) Arbeitslosigkeit sein als die Regel. Und so mag es dem Leser zwar aufstoßen, ihn aber nicht wundern, wenn der Autor sich anläßlich eines Besuches beim Arbeitsamt von anderen Ratsuchenden in Sachen Selbständigkeit meint absetzen zu müssen:

Während diverse Gedanken in mir kreisen, schaue ich mich unter den Umsitzenden um. Teilweise finde ich es schon erschreckend, wie sich hier manch einer darstellt. Natürlich ist die Lage häufig trostlos, aber dennoch, ich kann mir nicht helfen, irgendwo sollte ein gewisser Stil gewahrt bleiben.
(S. 108)

Auch fallen seine Absichten in eine Zeit, in der bei aller Schwierigkeit, die auch der Autor im Umgang mit den Behörden beschreibt, die Förderung solcher Unterfangen noch einfacher war als heute.

Seit Einführung der sogenannten Ich-AG am 01.01.2003 haben 400.000 Gründer die Förderung und 600.000 das Überbrückungsgeld in Anspruch genommen, Anfang 2007 gab es noch rund 180.000 solcher Unternehmungen. (1) Was angesichts explodierender Arbeitslosenzahlen als Rettungsaktion begann, hat in Zeiten knapper Kassen und zunehmend unverhohlen vorgetragener, anderweitiger wirtschaftlicher und politischer Prioritäten anscheinend seinen Sinn eingebüßt. Die Arbeitslosenstatistik schönen zu wollen, scheint kein Motiv mehr. Warum also mehr fördern als unbedingt nötig?

Seit 2006 ist an die Stelle von Überbrückungsgeld und Ich-AG- oder Existenzgründungszuschuß der sogenannte Gründungszuschuß getreten, auf den nurmehr ALG 1-Bezieher Anspruch haben. Für Hartz IV-Empfänger bleibt ein weit geringeres Einstiegsgeld, auf das allerdings kein Rechtsanspruch besteht.

In den vergangenen Wochen haben uns immer wieder Berichte von Gründern erreicht, wonach viele Arbeitsagenturen die Anträge auf Gründungszuschuss sehr viel strenger prüfen und häufiger ablehnen als früher. Im persönlichen Gespräch mit Mitarbeitern der Arbeitsagenturen ist sogar die Rede von Ablehnungsquoten, die innerhalb der Agenturen vorgegeben werden. Begründet wird dies damit, dass vielerorts das Jahresbudget für 2010 erschöpft sei.
(2)

Das Institut für Mittelstandsforschung in Bonn stellte trotz erschwerter Zugangsbedingungen für 2009 eine wieder steigende Zahl von Existenzgründungen fest, allerdings gingen fast ebensoviele Unternehmen in Liquidation. 2008 überstieg die Zahl der Liquidationen sogar die der Neugründungen, besonders betroffen war der Bereich des Kleingewerbes, in dem sich diese Negativbilanz auch 2009 fortsetzte. Die verstärkte Inanspruchnahme des Gründungszuschuss im Jahr 2009 läßt sich durch die nochmals verschlechterte Situation auf dem Arbeitsmarkt erklären. Die Zahl der Arbeitslosen ist seit Beginn der Wirtschafts- und Finanzkrise wieder angewachsen. Außerdem stellen zur Zeit viele Unternehmen keine neuen Mitarbeiter ein, so dass die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit für manchen als der einzige Ausweg aus einer bestehenden oder drohenden Arbeitslosigkeit erscheint. (3)

So auch bei Christoph Külzer-Schröder. Auch sein Weg in die Selbständigkeit war zunächst eher unfreiwillig:

Zentralisierung, Synergieeffekte, Gewinnmaximierung, Outsourcing und Shareholder-Value, das sind heute die Leitlinien der Unternehmensführung - und nebenbei die schmucken Begriffe, die für unzählige Arbeiter und Angestellte nichts anderes bedeuten als: Rausschmiss! Je größer die Unternehmen und je höher deren Gewinne, desto rücksichtsloser wird die neue Philosophie durchgesetzt. So kann es nicht verwundern, dass immer mehr Menschen mit ihren Jobs auch die Anerkennung im gesellschaftlichen Umfeld verlieren.
(S. 9)

Sein Neuanfang fand allerdings auf einigermaßen gesichertem und vertrautem Terrain statt: Beratung, Unterstützung, Information und Schulung kleiner und mittlerer Unternehmen im Im- und Exportgeschäft. Und doch war es alles andere als einfach.

Auf knapp 200 Seiten beschreibt der Autor den Weg von der Existenzangst bis zur Begeisterung für die neue, selbstgestaltete Zukunft, berichtet von ersten Ideen bis zum mühselig erarbeiteten tragfähigen Konzept, von Businessplänen und Risikokalkulation, frustrierenden Erfahrungen mit der Agentur für Arbeit, die Hilfe bei Existenzgründungen verspricht, diese dann aber an bürokratischen Hürden scheitern läßt, von schlaflosen Nächten und Kreiseln im Kopf, Erfahrungen mit guten aber auch mit schlechten Beratern, vor denen sich zu hüten auch gelernt oder schmerzhaft erfahren sein will und von den unzähligen "guten Ratschlägen" Unberufener aus dem Freundes- und Bekanntenkreis. So viele ungelöste Fragen, die die Monate der Vorbereitung in immer wiederkehrenden Wiederholungen begleiteten: Wann soll, wann kann es losgehen - und von wo, welche Geschäftsausstattung ist nötig und was kostet sie, braucht man Mitarbeiter oder schafft man es allein, wer hilft durch den Dschungel moderner Bürokommunikation, wie den Übergang gestalten und mit welchen Mitteln, wieviel Absicherung ist nötig, wo kann man sparen, wo findet man fachkundige Beratung, ohne über den Tisch gezogen zu werden, wer sind die Kunden und wird es überhaupt welche geben?

Während am Anfang eher Überlegungen um die Sicherheit und die Notwendigkeit, Geld zu verdienen im Vordergrund stehen, gewinnen zunehmend Gedanken um Gestaltung und Umsetzung der eigenen Geschäftsidee an Bedeutung, Unternehmungsgeist im besten Sinn des Wortes stellt sich ein: Seine Stärken will der Autor entdecken und ausbauen, etwas Einmaliges anbieten.

So läßt er den Leser teilhaben an einer Entwicklung, die neben ganz realen, praktischen Schritten, die zu bewerkstelligen sind, auch die Gefühls- und Seelenlage - zwischen Euphorie und Selbstzweifeln, ob man überhaupt etwas anzubieten hat, für das jemand anderes Geld auszugeben bereit ist - als zentralen Faktor für Gelingen oder Scheitern deutlich macht. Wie mit der Freiheit des Zeitplans umgehen, mit dem schlechten Gewissen, wenn man plötzlich am Vormittag einkaufen geht, den unproduktiven Zeiten, über die man sich als Angestellter keine Gedanken machen mußte, mit Rückschlägen, wie eine Balance finden zwischen unproduktiver Überforderung und sinnvollen Ruhezeiten.

Trotz aller unbestrittenen Vorteile einer Zeiteinteilung, für die ich ganz alleine zuständig bin, stellt mich die neue Situation als freier Unternehmer vor Probleme, mit denen ich, offen gestanden, nicht gerechnet hatte: Ich habe das Gefühl, mich in keiner Struktur zu befinden, sondern mehr und mehr den Grund unter den Füßen zu verlieren. Irgendwie meine ich oft, gar nichts zu tun, und das obwohl ich ständig beschäftigt bin, von morgens bis abends.
(S. 183)

Es sind am allermeisten diese Aspekte, die das Buch von anderen zahllosen Ratgebern in Sachen Selbständigkeit wohltuend unterscheidet.

Der Stil der autobiografischen Wegbeschreibung, nicht frei von Wiederholungen, Allgemeinplätzen und Selbstbespiegelungen des Autors mag manchen Leser auch in seiner Schlichtheit bisweilen nerven, manch anderem vielleicht gerade deshalb aus der Seele sprechen. Schließlich hat der Autor inzwischen auch Erfahrungen im Seminarbetrieb.

Daß Christoph Külzer-Schröder bei seinen Überlegungen, Ängsten, Sorgen und Planungen allerdings so blauäugig und naiv vorging, wie an einigen Stellen geschildert, läßt vermuten, daß seine Darstellung so authentisch wie vorgegeben nicht ist, und aus der Rückschau manches eher dem Unterhaltungwert geschuldet ist als der Wirklichkeit. Oder es müßten 25 Jahre Bankangestelltendasein ein so gerüttelt Maß an Unselbständigkeit mit sich bringen, daß jedem Mitarbeiter schon deshalb ein Wechsel zu wünschen wäre.

Jedes der vielen kleinen Kapitel schließt in einer Rubrik "(Be)-bemerkenswert" mit einem Merksatz, der die gewonnenen Erkenntnisse in einer Art Küchenweisheit zusammenfaßt, so schlecht, weil plakativ und in der Krise nicht wirklich hilfreich, so gut, weil überschaubar und leicht zu merken.

Das Buch ist ein Plädoyer für die Selbständigkeit, ein Mut-mach-Buch, wie es auch im Prolog des Autors anklingt, inspirierend insofern, als jeder, der sich auf den 'Weg zum Unternehmer' macht, neben einer beträchtlichen Leidensfähigkeit und dem Hang zur Selbstausbeutung vor allem eine Geschäftsidee mitbringen muß, die ihn und darüber andere so sehr fasziniert, das sie ihn (und sein Klientel) auch über schwere Zeiten trägt. Dazu, so Külzer-Schröder, sei es wichtig, nicht nur zu gucken, was gebraucht wird, sondern auch, was man zuverlässig anbieten kann. Konzentration auf die eigenen Kernkompetenzen nennt der Autor das.

Sein wichtigstes Rezept: Begeisterung für die Sache, Beharrlichkeit und eine starke Familie im Rücken. Und: Mit dem Besten planen, mit dem Schlechtesten rechnen.


*


Anmerkungen:
(1) http://www.gruendungszuschuss.de/gruendungsfoerderung/ich- agueberbrueckungsgeld.html vom 26.05.10
(2) http://www.gruendungszuschuss.de, Blog: News & Tipps vom 07.05.2010
(3) http://www.ifm-bonn.org/index.php?id=562 vom 21.05.2010

27. Mai 2010


Christoph Külzer-Schröder
Im Alleingang - Der Weg zum Unternehmer
Die abenteuerliche Geschichte einer Existenzgründung
edition ibs Verlag Künzel-Schröder, Ahnatal 2008
broschiert, 197 Seiten, 14 Euro
ISBN 978-3-940589-08-8