ROMA-GEMEINDEN IN CRAICA, PIRITA UND GARII

Zwischen dem 11. und 13. Mai wurden 70 Roma-Familien aus ihren Häusern in der informellen Siedlung Craica in Baia Mare im Nordwesten Rumäniens in ein altes Bürogebäude umgesiedelt, das weder angemessen noch sicher ist. Verbleibende Roma werden von selbsternannte GemeindevertreterInnen mit Drohungen und Einschüchterungsversuchen unter Druck gesetzt. Man will sie so zwingen, ebenfalls in ähnliche Gebäude zu ziehen.

Im April haben die Behörden von Baia Mare etwa 300 in den informellen Siedlungen Craica, Garii und Pirita wohnhaften Roma-Familien Abrissbefehle zugestellt und ihnen weniger als eine Woche Zeit gegeben, um ihre Häuser abzubauen und die Siedlungen zu verlassen. Die Stadtverwaltung von Baia Mare hat im Mai zwei öffentliche Treffen organisiert, um den betroffenen Familien die Umsiedlungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Die Termine für die Treffen wurden jedoch nicht öffentlich bekannt gemacht, sodass nur 70 der etwa 1.600 Roma, die in den informellen Siedlungen der Stadt leben, teilnahmen. Bei einer der Alternativunterkünfte, die von den Behörden zur Verfügung gestellt werden, handelt es sich um das ehemalige Bürogebäude eines Industrieunternehmens. Das Gebäude ist nie für die Nutzung als Wohnhaus freigegeben worden und entspricht nicht einmal den grundlegenden Standards für angemessenes Wohnen, die sowohl in landeseigenen Bestimmungen als auch in internationalen Abkommen vorgegeben sind. Es gibt nur wenige sanitäre Einrichtungen. Zwanzig Familien müssen sich vier Badezimmer und zwei kleine Küchenbereiche teilen, in denen keine angemessenen Koch- und Waschgelegenheiten vorhanden sind. Es gibt keine Heizungsanlage und das Gebäude entspricht nicht den geltenden Brandvorschriften. Dennoch haben sich 70 Familien aus Craica durch die Unterzeichnung eines dreijährigen Vertrags zum Umzug verpflichtet.

BewohnerInnen aus Craica, Pirita und Garii haben gegenüber Amnesty International angegeben, dass sie von Personen bedroht, drangsaliert und eingeschüchtert werden, die behaupten, VertreterInnen der Gemeinden zu sein. So sollen die verbleibenden BewohnerInnen der Siedlungen dazu gebracht werden, das Angebot anzunehmen, in zwei weitere ehemalige Bürogebäude auf demselben Gelände zu ziehen. Nachdem sie von diesen Vorwürfen hörten, versicherten die örtlichen Behörden den BewohnerInnen, dass alle Familien einzeln in die Stadtverwaltung eingeladen würden, um alle alternativen Unterkunftsmöglichkeiten zu besprechen, und dass die Verhandlungen zukünftig nicht mehr von GemeindevertreterInnen geführt würden. Die Behörden versprachen zudem, dass keine Familien oder Einzelpersonen vertrieben und auch keine Häuser ohne vorherige Zustimmung der betroffenen BewohnerInnen abgerissen würden. Es scheint jedoch, als käme die Stadtverwaltung ihren Versprechungen nicht nach, da der Prozess von Drohungen und Einschüchterungsversuchen überschattet wird. Eine tatsächliche Konsultation, wie sie bei jedem Räumungsverfahren erforderlich ist, kommt somit nicht zustande.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Craica, Garii und Pirita sind drei von Roma-Familien bewohnte informelle Siedlungen in Baia Mare. Es gibt in der Gegend noch weitere solcher Siedlungen wie etwa Horea, Ferneziu und Valea Borcutului. Delegierte von Amnesty International sind bereits drei Mal nach Baia Mare gereist und mit BewohnerInnen der Siedlungen in Craica, Ferneziu, Pirita und Horea zu Gesprächen zusammengekommen. Dabei stellten sie fest, dass die Lebensbedingungen in allen Siedlungen unzulänglich waren und kein Zugang zu Grundversorgungseinrichtungen bestand. Beispielsweise mangelte es an der Versorgung mit Wasser und an sanitären Einrichtungen. Die VertreterInnen von Amnesty International erfuhren aus Gesprächen mit in Pirita, Craica und Ferneziu lebenden Roma, dass die aufgrund ihres formal nicht geregelten Mietstatus jederzeit drohende Vertreibung und das Ausbleiben verlässlicher Informationen über den weiteren Fortgang der Angelegenheit bei ihnen ein ständiges Gefühl der Unsicherheit erzeugt.

Amnesty International hat sich in der Vergangenheit bereits zwei Mal gegen Pläne der Stadtverwaltung gewandt, mehrere hundert Roma und Angehörige anderer sozial benachteiligter Bevölkerungsgruppen gegen ihren Willen aus den informellen Siedlungen in Craica, Ferneziu, Horea und Valea Borcutului in andere Gegenden umzusiedeln.

EMPFOHLENE AKTIONEN:

SCHREIBEN SIE BITTE FAXE, E-MAILS ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

- Führen Sie bitte eine wirksame Konsultation mit den Roma-Gemeinschaften in Craica, Pirita und Garii durch, im Rahmen derer alle möglichen Alternativen zu einer Räumung sowie alle Umsiedlungsoptionen ermittelt werden. Stellen Sie zudem sicher, dass niemand bedroht, eingeschüchtert oder drangsaliert wird und so der Konsultationsprozess beeinträchtigt wird.

- Sorgen Sie dafür, dass die zur Verfügung gestellten Alternativunterkünfte den Standards für angemessenes Wohnen , die in rumänischen Rechtsvorschriften und dem Völkerrecht festgeschrieben sind, entsprechen.

APPELLE AN

BÜRGERMEISTER VON BAIA MARE
Catalin Chereches
Primaria Municipiului Baia Mare
Str. Gh. Sincai nr. 37, etaj 1, cam. 9
Baia Mare, RUMÄNIEN
(korrekte Anrede: Dear Mayor / Sehr geehrter Herr Bürgermeister)
Fax: (00 40) 262 212 332
E-Mail: primar@baiamarecity.ro

MINISTERPRÄSIDENT
Victor Ponta
Guvernul Romaniei
Piata Victoriei nr. 1
Bucuresti, RUMÄNIEN
(korrekte Anrede : Dear Prime Minister / Sehr geehrter Herr Ministerpräsident)
Fax: (00 40) 21 313 98 46
E-Mail: drp@gov.ro

KOPIEN AN

PRÄFEKT VON MARAMURES
Sorin Rednic
Institutia Prefectului - Judetul Maramures
Str. Gheorghe Sincai nr. 46
430311 Baia Mare, RUMÄNIEN
(korrekte Anrede: Dear Prefect / Sehr geehrter Herr Präfekt)
Fax: (00 40) 262 213 241
E-Mail: prefect@prefecturamaramures.ro

BOTSCHAFT VON RUMÄNIEN
S.E. Herrn Lazar Comanescu
Dorotheenstraße 62 - 66, 10117 Berlin
Fax: 030-2123 9399
E-Mail: office@rumaenische-botschaft.de

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Rumänisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 3. Juli 2012 keine Appelle mehr zu verschicken. Weitere Information zu UA 116/2012 (EUR 39/005/2012, 25. April 2012)

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

- Urging the city authorities to carry out genuine consultation with the Romani communities of Craica, Pirita and Garii in order to identify all feasible alternatives to evictions and resettlement options, and ensure that nobody is subjected to threats, intimidation or harassment that interferes with the process of consultation.

- Urging the city authorities to ensure that the housing alternatives provided comply with adequacy requirements under domestic and international law.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN - FORTSETZUNG

Im Juli 2010 kündigte der damalige stellvertretende Bürgermeister an, mehr als 1.000 in Craica lebende Roma in ein Industriegebiet am Rande von Baia Mare umsiedeln zu wollen. Angemessene Vorkehrungen, um internationale Standards zum Schutz der Menschenrechte zu gewährleisten, zu deren Einhaltung Rumänien verpflichtet ist, gab er nicht bekannt. Im August 2011 erläuterte der amtierende Bürgermeister von Baia Mare Pläne, aus vier Bezirken der Stadt mehrere hundert dort lebende Roma und Angehörige anderer sozial benachteiligter Bevölkerungsgruppen, die über keine in Baia Mare ausgestellten Ausweispapiere verfügen, in ihre Herkunftsorte zurückzuschicken. Die Ankündigung des Bürgermeisters löste vehemente Proteste seitens nationaler und internationaler Nichtregierungsorganisationen wie auch von Amnesty International und der US-Botschaft in Bukarest aus, sodass der Bürgermeister beide Male wieder von seinen Plänen abrückte.

Die Stadtverwaltung beginnt nun jedoch damit, ihre Pläne zur Umsiedlung von BewohnerInnen der informellen Lager umzusetzen. Amnesty International betrachtet mit Sorge, dass der aktuellen Umsiedlung von Roma aus den informellen Siedlungen in Baia Mare keine wirkliche Konsultation aller betroffenen Einzelpersonen und Familien voranzugehen scheint. Zahlreiche BewohnerInnen sind in der Vergangenheit nicht angemessen über die Alternativunterkünfte informiert worden, die ihnen von der Stadtverwaltung zur Verfügung gestellt wurden. Darüber hinaus hatten Sie auch nicht die Möglichkeit, den örtlichen Behörden ihre Bedenken vorzutragen. Dutzende Roma, die in den informellen Lagern leben, erhalten noch immer Informationen von selbsternannten SprecherInnen für die Roma-Gemeinden, die angeblich von der Stadtverwaltung als VermittlerInnen für die betroffenen Familien eingesetzt wurden. Möglicherweise handelt es sich bei diesen "SprecherInnen" jedoch um Personen, die nur vorgeben, GemeindevertreterInnen zu sein. Statt die BewohnerInnen wirksam zu konsultieren, bedrohen und drangsalieren sie diejenigen, die ihre Häuser nicht freiwillig verlassen wollen und sich einer Umsiedlung widersetzen und geben vor, es gäbe keine andere Möglichkeit für sie, als in die vollkommen unangemessenen Unterkünfte in der ehemaligen CUPROM-Fabrik zu ziehen, weil man ihre Häuser abreißen werde und sie danach der Obdachlosigkeit ausgesetzt sind. Amnesty International bereitet außerdem Sorge, dass die Alternativunterkünfte, die den BewohnerInnen der informellen Lager in der CUPROM-Fabrik angeboten werden, den Standards für angemessenes Wohnen vor allem in Zusammenhang mit fehlender Einrichtung, Überbelegung und der generellen Bewohnbarkeit nicht entsprechen. Diese Standards werden sowohl durch die Gesetzgebung Rumäniens als auch durch internationale Abkommen garantiert, zu deren Einhaltung sich das Land verpflichtet hat.

Das ehemalige Bürogebäude des Industrieunternehmens CUPROM wurde von der Stadtverwaltung von Baia Mare als eine der Möglichkeiten zur Umsiedlung vorgeschlagen. Weder den Roma aus den informellen Lagern noch Amnesty International wurden jedoch konkrete Informationen über den Standort oder den Zustand der Alternativunterkünfte vorgelegt.

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