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AKTION/1086: Urgent Action - Bahrain - Neun Urteile bestätigt, vier Haftanordnungen ausgestellt


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-296/2011-6, AI-Index: MDE 11/041/2012, Datum: 15. Juni 2012 - gs

Bahrain
Neun Urteile bestätigt - vier Haftanordnungen ausgestellt

Weitere Informationen zu UA 296/2011 (MDE 11/053/2011, 30. September. 2011, MDE 11/054/2011, 7.Oktober 2011, MDE 11/058/2011, 25. Oktober 2011, MDE 11/065/2011, 8. Dezember 2011, MDE 11/017/2012, 9. März 2012 und MDE 11/031/2012, 15. Mai 2012)



Herr 'ALI 'ESA MANSOOR AL-'EKRI
Herr NADER MOHAMMED HASSAN DEWANI
Herr AHMED 'ABDULAZIZ OMRAN HASSAN
Herr MAHMOOD ASGHAR 'ABDULWAHAB
Herr 'ABDULKHALEQ 'ALI HUSSAIN AL-'ORAIBI
Herr GHASSAN AHMED 'ALI DHAIF
Herr BASSIM AHMED 'ALI DHAIF
Herr EBRAHIM 'ABDULLAH EBRAHIM
Herr SAYED MARHOON MAJID AL-WEDAEI
Frau ROULA JASSIM MOHAMMED AL-SAFFAR
Frau NADA SA'EED 'ABDELNABI DHAIF
Herr 'ALI HASSAN AL-SADADI
Herr QASSIM MOHAMMAD 'OMRAN
Herr HASSAN MOHAMMED SA'EED NASSER
Herr SA'EED MOTHAHER HABIB AL SAMAHIJI
Frau FATIMA SALMAN HASSAN HAJI
Frau DHIA IBRAHIM JA'FAR
Frau NAJAH KHALIL IBRAHIM HASSAN
Frau ZAHRA MAHDI AL-SAMMAK
Herr MOHAMMED FAEQ 'ALI AL SHEHAB

Am 14. Juni 2012 hat das Berufungsgericht für Strafsachen im Prozess gegen 20 Angehörige des medizinischen Personals die Urteile verkündet. Das Gericht hielt die gegen neun Angeklagten verhängten Schuldsprüche aufrecht. Gegen vier von ihnen ergingen Haftanordnungen. Sollten die betreffenden Personen ihre Freiheitsstrafen antreten müssen, würde es sich bei ihnen um gewaltlose politische Gefangene handeln. Neun weitere Angeklagte wurden frei gesprochen.

Am 14. Juni hat das Obere Berufungsgericht für Strafsachen in Manama im Verfahren gegen 20 Angehörige des medizinischen Personals die gegen neun der Angeklagten verhängten Schuldsprüche bestätigt. Ihre Haftstrafen wurden jedoch auf Zeitspannen von einem Monat bis zu fünf Jahren herabgesetzt. In der Vorinstanz waren gegen die Angeklagten Gefängnisstrafen von fünf bis 15 Jahren ergangen. Die Haftstrafen gegen 'Ali 'Esa Mansoor al-'Ekri und Ebrahim 'Abdullah Ebrahim wurden auf fünf beziehungsweise drei Jahre herabgesetzt. Beide Männer waren der "nicht genehmigten Versammlung und der Teilnahme an nicht genehmigten Demonstrationen" sowie der "Anstachelung zum gewaltsamen Sturz der Regierung" schuldig gesprochen worden. Die gegen Ghassan Ahmed 'Ali Dhaif und Sa'eed Mothaher Habib Al Samahiji wegen "Entführung mit terroristischem Hintergrund", "Teilnahme an nicht genehmigten Versammlungen und Protesten" sowie "Anstachelung zum Hass gegen eine andere Religionsgemeinschaft" verhängten Freiheitsstrafen wurden auf zwölf Monate Haft herabgesetzt. Für Mahmood Asghar 'Abdulwahab endete das Berufungsverfahren mit einer sechsmonatigen Gefängnisstrafe, das Strafmaß gegen Dhia Ibrahim Ja'far wurde auf zwei Monate Haft verkürzt. Gegen Bassim Ahmed 'Ali Dhaif, Nader Mohammed Hassan Dewani und Abdulkhaleq 'Ali Hussain al-'Oraibi ergingen Freiheitsstrafen von jeweils einem Monat. Die fünf letztgenannten Männer waren der Teilnahme an "ungesetzlichen Versammlungen und nicht genehmigten Demonstrationen" schuldig gesprochen worden.

Neun weitere Angeklagte wurden freigesprochen. Die von 'Ali Hassan al-Sadadi und Qassim Mohammad 'Omran eingelegten Rechtsmittel wies das Gericht ab, weil die zwei Männer nicht zum Berufungsverfahren erschienen waren. Die gegen sie von einem Militärgericht verhängten Freiheitsstrafen von jeweils 15 Jahren bleiben bestehen, sofern 'Ali Hassan al-Sadadi und Qassim Mohammad 'Omran nicht vor einem Berufungsmittel Rechtsmittel dagegen einlegen. Das Gericht stellte gegen die vier zu langen Freiheitsstrafen verurteilten Heilberufler Haftbefehle aus. Die übrigen Angeklagten hatten bereits die gegen sie verhängten Freiheitsstrafen nach Anrechnung der von ihnen in Untersuchungshaft verbrachten Zeit abgeleistet. Die von den Angeklagten erhobenen Foltervorwürfe sind - soweit bekannt - weder untersucht oder strafrechtlich geahndet worden.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Von allen Anklagen frei gesprochen wurden folgende Personen: Zahra Mahdi al-Sammak, Fatima Salman Hassan Haji, Roula Jassim Mohammed al-Saffar, Nada Sa'eed 'Abdelnabi Dhaif, Najah Khalil Ibrahim Hassan, Hassan Mohammed Sa'eed Nasser, Ahmed 'Abdulaziz Omran Hassan, Sayed Marhoon Majid al-Wedaei und Mohammed Faeq 'Ali Al Shehab. Am 14. Juni 2012 wies das Berufungsgericht in Strafsachen die schwersten Anschuldigungen gegen die Angeklagten zurück - "Besetzung eines öffentlichen Gebäudes" (gemeint ist das Medizinische Zentrum von Salmaniya) und "unerlaubter Waffenbesitz". Die gegen neun Angeklagte unter anderem wegen "Anstachelung zum gewaltsamen Sturz der Regierung", "nicht genehmigter Versammlung" und "Anstachelung zum Hass gegen eine andere Glaubensgemeinschaft" verhängten Schuldsprüche hielt das Berufungsgericht hingegen aufrecht.

Die 20 Angeklagten zählen zu einer Gruppe von 48 Angehörigen des Ärztepersonals im Medizinischen Zentrum von Salmaniya, die in den Monaten März und April 2011 festgenommen worden waren. Einige von ihnen hatten die Regierung in Interviews mit ausländischen Medien bezichtigt, Protestteilnehmende in ihren Menschenrechten verletzt zu haben. Die 48 HeilberuflerInnen wurden über mehrere Wochen hinweg ohne Kontakt zur Außenwelt in Haft gehalten. In den meisten Fällen blieben ihre Familien während des größten Teils dieser Zeit ohne jede Kenntnis über den Verbleib der Gefangenen und durften sie bis zur Prozesseröffnung am 6. Juni vor dem Nationalen Sicherheitsgericht erster Instanz, einem Gericht der Militärjustiz, nicht ein einziges Mal sehen. Am 13. Juni 2011 teilte man die Angeklagten in zwei Gruppen auf. Gegen die eine Gruppe erging Anklage wegen schwerer Straftaten, die übrigen Personen wurden minderschwerer Delikte angeklagt. Aus Protest gegen ihre anhaltende Inhaftierung und den gegen sie angestrengten Prozess trat ein Großteil der Gefangenen in den Hungerstreik, woraufhin sie im August und September 2011 sukzessive aus der Haft entlassen wurden.


EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE FAXE, E-MAILS ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Ich möchte darauf hinweisen, dass es sich bei 'Ali 'Esa Mansoor al-'Ekri, Ebrahim 'Abdullah Ebrahim, Ghassan Ahmed 'Ali Dhaif und Sa'eed Mothaher Habib Al Samahiji um gewaltlose politische Gefangene handeln würde, falls sie ihre Haftstrafen antreten müssen. Die genannten Personen haben lediglich ihre Rechte auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit wahrgenommen.
  • Ich fordere Sie höflich auf, Schuldsprüche und Strafen gegen die Angehörigen des Ärztepersonals aufzuheben.
  • Sorgen Sie bitte dafür, dass die Ergebnisse einer etwaigen unabhängigen Untersuchung der von den HeilberuflerInnen erhobenen Folter- und Misshandlungsvorwürfe öffentlich gemacht und die für Übergriffe Verantwortlichen vor Gericht gestellt werden.

APPELLE AN

KÖNIG
Shaikh Hamad bin 'Issa Al Khalifa
Office of His Majesty the King
P.O. Box 555, Rifa'a Palace, al-Manama, BAHRAIN
(korrekte Anrede: Your Majesty / Majestät)
Fax: (00 973) 1766 4587
INNENMINISTER
Shaikh Rashid bin 'Abdullah al Khalifa
Ministry of Interior, P.O. Box 13, al-Manama
BAHRAIN (korrekte Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 973) 17523 2661
Twitter: @moi_Bahrain


KOPIEN AN

MINISTER FÜR JUSTIZ UND ISLAMISCHE ANGELEGENHEITEN
Shaikh Khalid bin Ali bin Abdullah Al Khalifa
Ministry of Justice and islamic Affairs
P.O.Box 450
al-Manama, BAHRAIN
(korrekte Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 973) 1753 6343
BOTSCHAFT DES KÖNIGREICHS BAHRAIN
S.E. Herrn Ebrahim Mohmood Ahmed Abdulla
Klingelhöfer Str. 7, 10785 Berlin
Fax: 030-8687 7788
E-Mail: info@bahrain-embassy.de oder über die Website
http://www.bahrain-embassy.de/kontakt/


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort, so dass sie noch vor dem 27. Juli 2012 eintreffen. Schreiben Sie in gutem Arabisch, Englisch oder auf Deutsch.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY
  • Expressing concern that if jailed, Ali 'Esa Mansoor al-'Ekri, Ebrahim 'Abdullah Ebrahim, Ghassan Ahmed 'Ali Dhaif and Sa'eed Mothaher Habib Al Samahiji would be prisoners of conscience imprisoned solely for peacefully exercising their rights to freedom of expression and assembly.
  • Quash the convictions and sentences against the health professionals.
  • Urging the Bahraini authorities to make public the results of any independent investigation into their allegations of torture and other ill-treatment, and bring anyone found responsible for abuses to justice.

HINTERGRUNDINFORMATIIONEN - FORTSETZUNG

Am 29. Juni 2011 verfügte der König von Bahrain, alle Fälle im Zusammenhang mit den Protesten im Februar und März 2011, die vor Militärgerichten anhängig waren, an zivile Gericht der Strafjustiz zu übertragen. Am 18. August 2011 aber erließ er eine Verordnung (Verordnung 28/20011), derzufolge das Gericht für Nationale Sicherheit erster Instanz weiter für die Ahndung schwerer Straftaten und Gerichte der zivilen Justiz lediglich für minderschwere Vergehen zuständig sind. Seit Anfang Oktober 2011 haben keine Prozesse mehr vor Militärgerichten, sondern nur noch vor Gerichten der zivilen Justiz stattgefunden. Am 29. September 2011 wurden die 20 Angehörigen des Ärztepersonals vom Gericht für Nationale Sicherheit erster Instanz zu Freiheitsstrafen zwischen fünf und 15 Jahren verurteilt. Gegen Kaution kamen sie aus der Haft frei.

Am 23. Oktober 2011 wurde das Berufungsverfahren gegen die Angehörigen des Ärztepersonals vor einem zivilen Gericht eröffnet und drei der Anklagepunkte fallengelassen: "Verbreitung falscher die öffentliche Sicherheit gefährdender Nachrichten", "Anstachelung zum Hass gegen die Regierung" und "Anstachelung der Angestellten des Medizinischen Zentrums Salmaniya zu Handlungen, die gegen die geltenden Gesetze verstoßen, und zur Unterlassung ihrer Pflichten am Arbeitsplatz".

Die unabhängige Untersuchungskommission Bahrains (BICI) wurde am 29. Juni 2011 im Auftrag des Königs ins Leben gerufen, um die Verstöße in Verbindung mit den Protesten vom Februar und März sowie in den darauffolgenden Monaten zu untersuchen. Der vollständige Bericht wurde am 23. November 2011 veröffentlicht. Der Bericht enthält Hunderte Fälle. Darunter waren auch Fälle, in denen Protestierende von Sicherheitskräften geschlagen wurden, willkürliche Massenfestnahmen von AktivistInnen, die hauptsächlich der schiitischen Opposition angehören; sowie Folter, die in fünf Fällen während der Haft zum Tode führte. Insgesamt sind seit Februar 2011 mindestens 60 Personen in Verbindung mit den Protesten gestorben, unter ihnen auch fünf Angehörige der Sicherheitskräfte. In dem Bericht der BICI wurde die bahrainische Regierung außerdem aufgefordert, eine unabhängige Instanz bestehend aus VertreterInnenn der Zivilgesellschaft, der Opposition sowie der Regierung zu gründen. Diese soll die Umsetzung der Empfehlungen der BICI überwachen, Gesetzesreformen zur Einhaltung der internationalen Menschenrechtsstandards einleiten und die für Straftaten Verantwortlichen vor Gericht stellen.

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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-296/2011-6, AI-Index: MDE 11/041/2012, Datum: 15. Juni 2012 - gs
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Juni 2012