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AKTION/1106: Urgent Action - USA (Ohio) - Staatsanwalt und Richter gegen Hinrichtung


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-186/2012, AI-Index: AMR 51/053/2012, Datum: 2. Juli 2012 - gs

USA (Ohio)
Staatsanwalt und Richter gegen Hinrichtung



Herr JOHN ELEY

Der wegen eines 1986 begangenen Mordes zum Tode verurteilte 63-jährige John Eley soll am 26. Juli im US-Bundesstaat Ohio hingerichtet werden. Der Staatsanwalt, der seinerzeit die Todesstrafe beantragt hatte, und der Richter, der das Todesurteil verhängte hatte, wenden sich mittlerweile gegen die Hinrichtung des Gefangenen. Auch der Kriminalbeamte, der das Geständnis von John Eley erlangt hatte, möchte keine Vollstreckung des Todesurteils.

Am 26. August 1986 wurde Ihsan Aydah bei einem Raubüberfall auf sein Ladengeschäft in Youngstown im US-Bundesstaat Ohio angeschossen und dabei so schwer verletzt, dass er am nächsten Tag starb. Am 29. August wurde John Jeffrey Eley als Tatverdächtiger festgenommen. Er legte ein Geständnis ab. Geplant hatte den Raubüberfall offenbar Melvin Green, ein Bekannter von John Eley, der auch die Tatwaffe besorgt hatte. John Eley erklärte sich bereit, in das Geschäft hineinzugehen. Melvin Green, dessen Gesicht Ihsan Aydah bekannt war und der deshalb von ihm hätte identifiziert werden können, wartete in der Nähe des Ladens. Nachdem John Eley auf den Ladenbetreiber geschossen hatte, betrat Melvin Green das Geschäft und nahm das Bargeld aus der Kasse sowie das Portemonnaie des tödlich verletzten Ihsan Aydah an sich. Anschließend verließen die beiden den Tatort. Die Staatanwaltschaft bot John Eley an, sie werde ihn lediglich wegen Totschlags anklagen und nur eine Freiheitsstrafe von sechs Jahren beantragen, falls er bereit sei, als Zeuge gegen Melvin Green auszusagen. Gegen Melvin Green bestand der Verdacht, in weitere Straftaten verwickelt zu sein. John Eley lehnte das Angebot der Staatsanwaltschaft ab und verlor damit seinen Anspruch auf ein Verfahren vor einem Geschworenengericht. Der Prozess gegen ihn fand vor einem Gremium von drei RichterInnen statt, die John Eley schuldig sprachen und ihn im Juli 1987 zum Tode verurteilten.

Im Juni 2012 bat einer der damaligen RichterInnen die Behörden des Bundesstaats Ohio schriftlich, John Eley nicht hinzurichten. Der Richter führte in seinem Schreiben aus, er habe 1987 dem Todesurteil zugestimmt, weil die Verteidigung "keinerlei strafmildernde Umstände" geltend gemacht habe. Wären die ihm heute bekannten strafmildernden Umstände bereits während des Prozesses vorgetragen worden, hätte er - so der Richter - für eine "weniger schwere Strafe als die Todesstrafe" gestimmt. Der Richter nannte "insbesondere die nachgewiesenen geistigen Defizite von Herrn Eley, seine in ärmlichen Verhältnissen verbrachte Kindheit, seine Alkohol- und Drogensucht sowie seine möglichen Gehirnfunktionsstörungen". Selbst der Staatsanwalt, der nach eigenen Angaben "stockkonservativ" ist und "ohne Probleme, wenn nötig, die Todesstrafe beantragt", hat darum ersucht, zugunsten von John Eley Gnade walten zu lassen. Die Tat des Gefangenen, so der Staatsanwalt, falle nicht in die Kategorie von Schwerverbrechen, für welche die Todesstrafe vorgesehen ist. Gegenüber dem Begnadigungsausschuss führte der Staatsanwalt aus: "Damals war ich über die Weigerung von Herrn Eley, gegen Green auszusagen, erbost." Mit dieser Einstellung, so der Staatsanwalt, "ging ich in den Prozess hinein, der letztlich mit einem Todesurteil endete". Auch der inzwischen im Ruhestand befindliche Polizist, der John Eley zu einem Geständnis gebracht hat, möchte nach eigenen Angaben das Todesurteil nicht vollstreckt wissen.

Ein Sachverständiger auf dem Gebiet der geistigen Behinderung von Menschen ist zu der Einschätzung gelangt, dass John Eley als "geistig zurückgeblieben" betrachtet werden muss. Sollten die RichterInnen dieser Ansicht folgen, wäre die Hinrichtung des Gefangenen mit den Schutzgarantien der US-Verfassung unvereinbar. Es liegen ferner Hinweise auf eine psychische Erkrankung von John Eley vor, die den Verdacht begründen, dass er die Situation, in der er sich befindet, verstandesmäßig nicht erfassen kann.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Amnesty International lehnt die Todesstrafe grundsätzlich ab. Seit der Wiederaufnahme von Hinrichtungen in den USA im Jahre 1977 wurden dort 1.295 Todesurteile vollstreckt. In Ohio wurden seit 1977 insgesamt 47 Todesurteile vollstreckt. Dieses Jahr sind in Ohio bereits 18 Menschen hingerichtet worden.


EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE E-MAILS, FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE

  • Ich möchte in keiner Weise die von John Eley an Ihsan Aydah begangene Tat entschuldigen oder das dadurch verursachte Leid verharmlosen.
  • Ich bitte Sie aber zu bedenken, dass John Eley von RichterInnen zum Tode verurteilt worden ist, denen die strafmildernden Umstände der Tat nicht zur Kenntnis gebracht worden sind. Einer der RichterInnen wie auch die Staatsanwaltschaft lehnen die Hinrichtung von John Eley ausdrücklich ab.
  • Bitte berücksichtigen Sie darüber hinaus, dass John Eley als "geistig zurückgeblieben" diagnostiziert worden ist und er möglicherweise an einer schweren psychischen Erkrankung leidet.
  • Ich spreche mich gegen die Hinrichtung von John Eley aus und bitte Sie, seinem Gnadengesuch stattzugeben und das Todesurteil umzuwandeln.

APPELLE AN

GOUVERNEUR DES US-BUNDESSTAATES OHIO
John Kasich
Riffe Center
30th Floor
77 South High Street
Columbus, OH 43215-6117
USA
(korrekte Anrede: Dear Governor / Sehr geehrter Gouverneur)
Fax: (00 1) 614 466 9354
E-Mail: kim.kutschbach@governor.ohio.gov (Stellvertretender Rechtsberater des Gouverneurs, Beratung bei Begnadigungsangelegenheiten, bitten Sie um die Weiterleitung Ihrer E-Mail)


KOPIEN AN

BOTSCHAFT DER VEREINIGTEN STAATEN VON AMERIKA
S.E. Herrn Philip Dunton Murphy
Pariser Platz 2
10117 Berlin
Fax: 030-83 05 10 50
E-Mail: über http://germany.usembassy.de/email/feedback.htm


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort, so dass sie noch vor dem 26. Juli 2012 eintreffen. Schreiben Sie in gutem Englisch oder auf Deutsch.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY
  • Explaining that you are not seeking to excuse the murder of Ihsan Aydah or to downplay the suffering caused.
  • Expressing concern that John Eley was sentenced to death by judges who had not been presented with the mitigation evidence that was available, and that one of them, and the prosecutor, oppose this execution.
  • Noting expert evidence that John Eley has "mental retardation" and possible serious mental illness.
  • Opposing the execution of John Eley and calling on the governor to grant him clemency.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN - FORTSETZUNG (AUF ENGLISCH)

On 20 June 2012, the Ohio parole board announced that it had voted 5-3 against recommending the governor to commute John Eley's death sentence. This decision is not binding on the governor. The three board members who voted in favour of clemency did so on the grounds of a combination of factors, including the opposition to the execution of the former officials involved in the case; evidence that without the influence of Melvin Green, who was acquitted in the case, "Eley would not have committed the crime on his own"; if John Eley had testified against Green, the prosecution would not have pursued the death penalty; that whether or not his intellectual disability rises to the level of "mental retardation" that would render his execution unconstitutional, John Eley "is intellectually challenged" and this "may have been a factor in the crime", including being led into it, and in his response to his situation since being arrested (which has included refusing to meet with mental health experts); and that the case is not one of those for which the death penalty is supposedly reserved in the USA.

When a three-judge panel of the US Court of Appeals for the Sixth Circuit upheld John Eley's death sentence in 2010, one of the judges dissented. He argued that John Eley's legal representation at trial had been constitutionally defective because of his lawyer's failure to investigate mitigating evidence. The judge argued that there was a reasonable probability that if they had conducted a proper investigation, "the sentencer would have concluded that [Eley] should not have been sentenced to death". As described above, and to the parole board, one of the sentencing judges has indeed now said that he would not have voted for death if he had been presented with the mitigating evidence that has been investigated and presented on appeal.

Ohio has become one of the USA's leading death penalty states, having carried out eight per cent of US executions in the past decade (45 out of 551 since January 2002). This has happened at a time when the country appears to be turning against the death penalty. In 2012, Connecticut became the fourth US state in five years to legislate to abolish capital punishment - after New Jersey (2007), New Mexico (2009) and Illinois (2010) - in addition to the demise of the death penalty in New York State. There has been a two-thirds reduction in annual death sentences in the USA since the mid-1990s, a halving in the annual judicial death toll since 1999, and the removal by the US Supreme Court of children (2005) and people with "mental retardation" (2002) from the reach of the executioner. In 2011, the Oregon governor imposed a moratorium on executions, and some 800,000 citizens in California - the state which accounts for one in five of the USA's death row inmates - have endorsed putting abolition to the popular vote. As a result the choice to repeal the death penalty will be on the ballot for California voters at the general election on 6 November 2012.

In January 2011, Senior Ohio Supreme Court Justice Paul Pfeifer, who when he was a state legislator was a co-author of Ohio's capital statute enacted in 1981, wrote: "I helped craft the law, and I have helped enforce it. From my rather unique perspective, I have come to the conclusion that we are not well served by our ongoing attachment to capital punishment. I ask: do we want our state government - and thus, by extension, all of us - to be in the business of taking lives in what amounts to a death lottery? I can't imagine that's something about which most of us feel comfortable. And, thus, I believe the time has come to abolish the death penalty in Ohio". The Chief Justice of the Ohio Supreme Court has now ordered a task force convened to examine Ohio's capital justice system. The task force consists of judges, prosecutors, defence lawyers, legislators, law professors, and law enforcement officials. It is expected to produce its final report in 2013.

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Quelle:
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UA-Nr: UA-186/2012, AI-Index: AMR 51/053/2012, Datum: 2. Juli 2012 - gs
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Juli 2012