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AKTION/1117: Urgent Action - Bahrain, Nabeel Rajab erneut in Haft


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-128/2012-5, AI-Index: MDE 11/044/2012, Datum: 10. Juli 2012 - cr

Bahrain
Nabeel Rajab erneut in Haft

Weitere Informationen zu UA-128/2012 (AFR 54/027/2012, 8. Mai 2012, MDE 11/033/2012, 23. Mai 2012, MDE 11/036/2012, 29. Mai 2012, und MDE 11/038/2012, 8. Juni 2012, MDE 11/042/2012 , 29. Juni 2012)



NABEEL RAJAB, Leiter des Menschenrechtszentrums von Bahrain

Der prominente Menschenrechtsverteidiger Nabeel Rajab wurde am 9. Juli in seiner Wohnung festgenommen, um eine dreimonatige Haftstrafe anzutreten, die das Niedere Strafgericht (Lower Criminal Court) am selben Tag wegen Verleumdung gegen ihn verhängt hatte. Amnesty International betrachtet ihn als gewaltlosen politischen Gefangenen.

Am 9. Juli befand Abteilung 5 des Niederen Strafgerichts in der bahrainischen Hauptstadt Manama Nabeel Rajab der Verleumdung schuldig und verurteilte ihn zu drei Monaten Haft. 21 Tage dieser Haftstrafe hat er bereits abgesessen. Nabeel Rajab hatte beschlossen, bei der Anhörung nicht anwesend zu sein. Er wurde etwa drei Stunden nach der Urteilsverkündung in seiner Wohnung von acht maskierten PolizistInnen, die von einem Hubschrauber begleitet wurden, unter Vorlage eines Haftbefehls festgenommen. Für etwa sechs Stunden wussten seine Familie und seine AnwältInnen nicht, wohin man ihn er gebracht hatte. Später informierte sie die Polizei, dass er sich im Gefängnis al-Jaw in Manama befände. Sein Rechtsbeistand legte unverzüglich Rechtsmittel ein, die am 18. Juli angehört werden sollen.

Nabeel Rajab wurde wegen Verleumdung für schuldig befunden, weil er "öffentlich die Menschen von [der Region] al-Muharraq verunglimpfte und ihren Patriotismus in Beiträgen in sozialen Netzwerken mit schändlichen Ausdrücken anzweifelte". Eine seiner Twitter-Nachrichten richtete Nabeel Rajab am 2. Juni 2012 an den Ministerpräsidenten Shaikh Khalifa Bin Salman Al Khalifa und reagierte damit auf dessen Besuch in der Region. In der Nachricht schrieb er: "Khalifa: Verlassen Sie die Gassen von al-Muharraq, seine Scheiche und Ältesten. Jeder weiß, dass Sie dort nicht beliebt sind, und bräuchten sie kein Geld, wären sie nicht gekommen, um Sie zu begrüßen. Wann werden Sie sich verabschieden?" Er wurde am 6. Juni als Reaktion auf die Beschwerde mehrerer BürgerInnen des Bezirks al-Muharraq verhaftet, am 14. Juni wegen Verleumdung verurteilt und anschließend am 27. Juni freigelassen.

Nabeel Rajab muss sich immer noch in drei Gerichtsverfahren verantworten. Im ersten Fall wird ihm zur Last gelegt, an einer "illegalen Versammlung" teilgenommen und zu einer unangemeldeten Demonstration gegen die Regierung am 6. Februar 2012 in Manama aufgerufen sowie "die öffentliche Ordnung gestört" zu haben. Die nächste Anhörung in diesem Fall wurde für den 26. September 2012 anberaumt. In dem zweiten Fall handelt es sich um die Anklage wegen "illegaler Versammlung" vom 6. Juni. Die nächste Anhörung in diesem Fall wird am 16. Juli stattfinden. In dem dritten Fall hat er gegen seinen Schuldspruch, den Abteilung 5 am 28. Juni wegen "Verunglimpfung einer staatlichen Institution" in seinen Twitter-Nachrichten gegen ihn verhängte, Rechtsmittel eingelegt. Das Rechtsmittelverfahren wurde für den 27. November angesetzt.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Nabeel Rajab hatte am 6. Februar 2012 eine Protestkundgebung organisiert, auf der die Freilassung von politischen Gefangenen gefordert wurde. Während der Demonstration wurde der Menschenrechtler von der Bereitschaftspolizei angegriffen, die ihn mehrfach mit Fausthieben auf den Kopf und Rücken sowie ins Gesicht traktierte. Er sagte: "Ich fiel hin, aber sie schlugen weiter auf mich ein, sie trampelten sogar auf mir herum und traten mich."

Der Menschenrechtsverteidiger war im Zusammenhang mit einer vom Innenministerium gegen ihn erstatteten Anzeige für den 26. April von der Staatsanwaltschaft zur Vernehmung vorgeladen worden. Wegen seiner bevorstehenden Auslandsreise nahm er den Termin jedoch nicht wahr. Bei seiner Rückkehr am 5. Mai wurde er auf dem Flughafen von Manama festgenommen. Gegen den Menschenrechtsverteidiger erging im Zusammenhang mit den von ihm versandten Twitter-Nachrichten Anklage wegen "Verunglimpfung einer nationalen Institution" (gemeint war das Innenministerium). Am 16. Mai erschien er vor einem Strafgericht in Manama und erklärte dem Gericht, er betrachte die Anklage als politisch motiviert und böswillig. Er soll gesagt haben: "Ich habe lediglich mein Recht auf freie Meinungsäußerung wahrgenommen. Ich habe keine Straftat begangen. Die Entscheidung, mich festzunehmen und vor Gericht zu stellen, war politisch motiviert".


EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Lassen Sie Nabeel Rajab bitte umgehend und bedingungslos frei, da er sich nur deshalb in Haft befindet, weil er friedlich von sein Recht auf Meinungsfreiheit Gebrauch gemacht hat.
  • Ich fordere Sie auf, alle Anklagen gegen Nabeel Rajab fallen zu lassen und alle Urteile umzuwandeln, da diese in Zusammenhang mit der legitimen Ausübung seiner Rechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit stehen.
  • Ich fordere Sie höflich auf, die Rechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit zu respektieren und zu schützen, und sicherzustellen, dass alle Menschenrechtsorganisationen und MenschenrechtsverteidigerInnen ihrer Arbeit ohne Einschränkungen nachgehen können.

APPELLE AN

KÖNIG
Shaikh Hamad bin 'Issa Al Khalifa
Office of His Majesty the King
P.O. Box 555, Rifa'a Palace, al-Manama
BAHRAIN
(korrekte Anrede: Your Majesty / Majestät)
Fax: (00 973) 1766 4587

INNENMINISTER
Shaikh Rashid bin 'Abdullah Al Khalifa
Ministry of Interior, P.O. Box 13, al-Manama, BAHRAIN
(korrekte Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 973) 1723 2661
Twitter: @moi_Bahrain


KOPIEN AN

MINISTER FÜR JUSTIZ UND ISLAMISCHE
ANGELEGENHEITEN
Shaikh Khalid bin Ali bin Abdullah Al Khalifa
Ministry of Justice and Islamic Affairs
P. O. Box 450, al-Manama, BAHRAIN
(korrekte Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: +973 1753 6343

BOTSCHAFT DES KÖNIGREICHS BAHRAIN
S.E. Herrn Ebrahim Mohmood Ahmed Abdulla
Klingelhöfer Str. 7, 10785 Berlin
Fax: 030-8687 7788
E-Mail: info@bahrain-embassy.de oder über die
Website http://www.bahrain-embassy.de/kontakt/


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Arabisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 29. August 2012 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY
  • Urging the Bahraini authorities to release Nabeel Rajab immediately and unconditionally, as he has been detained solely for peacefully exercising his rights to freedom of expression.
  • Calling on them to drop all other charges against Nabeel Rajab and to overturn all convictions which are related solely to his legitimate exercise of his rights to freedom of expression and assembly.
  • Urging them to respect and protect the right to freedom of expression. and assembly and ensure that all human rights organizations and human rights defenders are able to carry out their work without hindrance.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN - FORTSETZUNG

Die bahrainische Regierung erklärte wiederholt ihre Absicht, Reformen auf den Weg zu bringen und Lehren aus den Ereignissen im Februar und März 2011 zu ziehen, als die Behörden hart gegen regierungskritische Protestierende vorgegangen waren. Im November 2011 präsentierte die von König Shaikh Hamad bin 'Issa Al Khalifa einberufene unabhängige Untersuchungskommission Bahrains (BICI) ihre Ermittlungsergebnisse im Hinblick auf Menschenrechtsverletzungen während der Proteste. In dem Bericht wurde unter anderem festgestellt, dass die Behörden straffrei mit unverhältnismäßiger Gewalt gegen Protestierende vorgegangen waren, dazu zählte exzessive Gewaltanwendung gegen Protestierende, weit verbreitete Folter und andere Misshandlungen von Protestierenden, unfaire Gerichtsverfahren und rechtswidrige Tötungen. Der Bericht enthält die Aufforderung, umgehend ein unabhängiges Gremium bestehend aus VertreterInnen der Zivilgesellschaft, der Opposition und der Regierung zu bilden. Es soll die Umsetzung der Empfehlungen des Berichts beobachten und rechtliche Reformen voranbringen, um sicherzustellen, dass die Gesetze mit den internationalen Menschenrechtsstandards übereinstimmen. Zudem soll es dafür sorgen, dass die Verantwortlichen für Menschenrechtsverletzungen vor Gericht gestellt werden, dass alle gewaltlosen politischen Gefangenen freigelassen werden und man Untersuchungen zu ihren Vorwürfen der Folter durchführt.

Doch bislang hat die Regierung Bahrains auch auf die Empfehlungen der BICI lediglich mit halbherzigen Reformen reagiert, die möglicherweise nur darauf abzielen, Bahrains internationale Partner zufrieden zu stellen. Eine Rechenschaftspflicht für die Verantwortlichen und Gerechtigkeit für die Betroffenen haben sie bisher nicht bewirkt. Auch wenn die Behörden das Gegenteil behaupten, werden KritikerInnen der Herrschaft der Al Khalifa-Familie weiterhin zum Ziel von Angriffen. Die Regierung weigert sich, die vielen Gefangenen freizulassen, die sich für bedeutende politische Reformen einsetzten, und ignoriert auch weiter die von der schiitischen Minderheit angeprangerte Diskriminierung und politische Marginalisierung, die die religiöse Spaltung im Land vertieft.

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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-128/2012-5, AI-Index: MDE 11/044/2012, Datum: 10. Juli 2012 - cr
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Juli 2012