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AKTION/1147: Urgent Action - USA (Georgia), Hinrichtung ausgesetzt


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-197/2012-2, AI-Index: AMR 51/068/2012, Datum: 24. Juli 2012 - mr/cr

USA (Georgia)
Hinrichtung ausgesetzt

Weitere Informationen zu UA-197/2012 (AMR 51/058/2012, 10. Juli 2012 und AMR 51/064/2012 , 18. Juli 2012)



Herr WARREN HILL, 52-jähriger Afro-Amerikaner

Das Oberste Gericht des US-Bundesstaates Georgia hat Warren Hill wenige Stunden vor der geplanten Vollstreckung seines Todesurteils am Abend des 23. Juli einen Hinrichtungsaufschub gewährt. Das Oberste Gericht von Georgia erließ den Hinrichtungsaufschub am 23. Juli. Der Aufschub wurde nicht etwa damit begründet, dass die Frage zu klären sei, ob ein Mann mit einer geistigen Behinderung wie die von Warren Hill hingerichtet werden darf. Die Begründung belief sich vielmehr auf die Tatsache, dass die tödliche Injektion seit kurzem nicht mehr drei, sondern nur noch eine Substanz umfasst. Am 17. Juli, einen Tag vor dem ursprünglich festgesetzten Hinrichtungstermin, gab die Justizvollzugsbehörde von Georgia bekannt, dass mit sofortiger Wirkung bei Hinrichtungen durch die Giftspritze nicht mehr drei Substanzen injiziert würden, sondern nur noch eine. Den zum Tode Verurteilten würde im Rahmen der neuen Vorschriften für Hinrichtungen eine Überdosis des Beruhigungsmittels Pentobarbital gespritzt. In der Erklärung hieß es, dass die Justizvollzugsbehörde dieses Mittel bisher als eine der drei Substanzen bei Hinrichtungen verwendet habe und "die Erfahrungen in anderen Bundesstaaten und medizinische Gutachten die Wirksamkeit des Mittels belegt" hätten (weitere Informationen finden Sie in dem englischsprachigen Bericht: USA: An embarrassment of hitches: Reflections on the death penalty, 35 years after Gregg v. Georgia, as states scramble for lethal injection drugs, vom 1. Juli 2011, unter:
http://www.amnesty.org/en/library/info/AMR51/058/2011/en)

Der Oberste Gerichtshof der USA befand 2002 in der Grundsatzentscheidung "Atkins gegen Virginia", dass die Hinrichtung von geistig behinderten Menschen gegen die US-Verfassung verstoße. Auf der Grundlage dieser Beurteilung kam ein Gericht in Georgia im Fall Warren Hills zu dem Schluss, dass die "überwiegenden Beweise" dafür sprächen, dass die Beeinträchtigung des Verurteilten einer geistigen Behinderung gleichkäme. Damit wurde hier nicht das in der Rechtsprechung von Georgia gängige, strengere Kriterium "ohne berechtigten Zweifel" angelegt. Die Behörden von Georgia legten dagegen Rechtsmittel beim Obersten Gericht des Bundesstaates ein, das 2003 mit vier zu drei Stimmen entschied, in diesem Kontext sei das Kriterium "ohne berechtigten Zweifel" anzulegen. Die Richter machten geltend, dass der Oberste Gerichtshof der USA es den einzelnen Bundesstaaten überlassen habe, wie sie die Entscheidung "Atkins gegen Virginia" umsetzen und ihnen das Beweiskriterium für die Feststellung einer "geistigen Behinderung" überlassen. Der Fall Warren Hill wurde an das erstinstanzliche Gericht zurückgegeben, das seine ursprüngliche Entscheidung aus dem Jahr 2002 bestätigte und erneut entschied, dass Warren Hill nicht an einer "geistigen Behinderung" leide.

In einer erneuten Entscheidung vom 19. Juli ließ das zuständige Gericht verlauten, dass Warren Hill "ohne berechtigen Zweifel einen Intelligenzquotienten von 70 Punkten" habe und "die überwiegenden Beweise" dafür sprächen, dass er "nach der Beweislage dieses Falls die Kriterien einer geistigen Behinderung erfüllt". Dennoch wies der Richter den vom Verurteilten eingereichten Antrag auf Hinrichtungsaufschub zurück, weil seine geistige Behinderung nicht "ohne berechtigten Zweifel" nachgewiesen werden konnte. Am 23. Juli entschied das Oberste Gericht von Georgia mit sechs Stimmen zu einer, dass es keine Rechtsmittel zulassen würde. Kein anderer Bundesstaat in den USA, in dem die Todesstrafe verhängt wird, verwendet das Kriterium "ohne berechtigten Zweifel" für Beschlüsse dieser Art. Meist genügt die Probe der "überwiegenden Beweise".

Unter anderem sprach sich der Vorsitzende der American Association on Intellectual and Developmental Disabilities ("Staatliche Vereinigung und für geistige Behinderungen und Entwicklungsstörungen") gegen die Hinrichtung aus. In einem Schreiben betonte er: "Der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten sollte Warren Hill aufgrund seiner eindeutig vorliegenden geistigen Behinderung vor der Hinrichtung bewahren. Das Gericht hat bereits entschieden, dass unsere Verfassung Menschen mit einer geistigen Behinderung vor einer Hinrichtung schützt. Nun müssen sie sicherstellen, dass diese Rechte auf faire und gerechte Weise angewendet werden". Das Oberste Gericht von Georgia hatte für einen Hinrichtungsaufschub gestimmt, um die Frage zu klären, ob die nur einen Stoff enthaltende Giftspritze im vorliegenden Fall injiziert werden soll und ob diese Änderung der Injektionsrezeptur verfassungskonform ist. Allerdings ließ der Oberste Gerichtshof der USA nicht verlauten, ob in diesem Zusammenhang auch die Frage nach der geistigen Behinderung des Verurteilten erneut zur Diskussion stehen wird.

Warren Hill hatte bereits die letzte Mahlzeit vor der Hinrichtung zu sich genommen, als ihm mitgeteilt wurde, dass das Todesurteil an diesem Abend nicht vollstreckt würde. Der Hinrichtungsaufschub ist zeitlich nicht begrenzt.

Weitere Aktionen sind derzeit nicht erforderlich. Vielen Dank allen, die Appelle geschickt haben.

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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-197/2012-2, AI-Index: AMR 51/068/2012, Datum: 24. Juli 2012 - mr/cr
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Juli 2012