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AKTION/1196: Urgent Action - Ägypter wegen Kritik im Internet inhaftiert


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-278/2012, AI-Index: MDE 12/030/2012, Datum: 28. September 2012 - jw

Ägypten
Ägypter wegen Kritik im Internet inhaftiert



Herr ALBER SABER AYAD, 27 Jahre alt

Am 13. September 2012 wurde Alber Saber Ayad in seinem Haus in Kairo, Ägypten, festgenommen. Im Zusammenhang mit von ihm erstellten religionskritischen Internetbeiträgen wird ihm "Verunglimpfung der Religion" und "Verbreitung falscher Tatsachen" vorgeworfen. Berichten zufolge ist er in Haft mehrfach misshandelt worden. Er ist ein gewaltloser politischer Gefangener, der allein aufgrund der Ausübung seines Rechts auf freie Meinungsäußerung festgenommen wurde. Am 12. September versammelten sich Gruppen aufgebrachter Männer um Alber Saber Ayads Haus im Osten von Kairo, wo er mit seiner Mutter und seiner Schwester lebt, warfen ihm Ketzerei und Atheismus vor und forderten seinen Tod. Sie beschuldigen den 27-jährigen Informatiker einen angeblich in den USA gedrehten Film verbreitet zu haben, der den Islam und seinen Propheten verspottet und den viele MuslimInnen als beleidigend empfinden. Seine Mutter bat die Polizei um Schutz, doch als diese schließlich eintraf, nahmen die BeamtInnen Alber Saber Ayad fest. Man brachte ihn auf die Polizeiwache in El Marg und beschlagnahmte seinen PC sowie seine CDs.

Wie Alber Saber Ayad seine Rechtsbeiständen mitteilte, animierte ein Polizeibeamter des Gefängnisses El Marg während seiner Inhaftierung andere Häftlinge dazu, ihn anzugreifen. Die Häftlinge schlugen Alber Saber Ayad und schnitten ihn mit einer Rasierklinge entlang seines Halses. Anschließend wurde er in einen anderen Raum gebracht, wo er von 20 Mitgefangenen abermals geschlagen wurde. Man zwang ihn außerdem, die ganze Nacht aufrecht stehen zu bleiben. Die Rechtsbeistände von Alber Saber Ayad fürchten um seine Sicherheit, sowohl während seiner Zeit in Haft, als auch nach seiner Entlassung. Sie sorgen sich zudem um die Sicherheit seiner Mutter und seiner Schwester, die bedroht wurden und gezwungen waren, ihr Haus zu verlassen, das immer noch von einem wütenden Mob belagert wird. Alber Saber Ayad ist wegen Missachtung von Religion angeklagt, weil er in Internetbeiträgen und -videos, die während seiner Haft gefunden wurden, seine Ansichten und seine Kritik bezüglich Religion äußerte. Ursprünglich für vier Tage festgenommen, wurde seine Haftzeit am 16. September vom Staatsanwalt um weitere 15 Tage verlängert. Eine Anfechtung der Verlängerung durch seine Rechtsbeistände wurde abgelehnt, jedoch konnten sie erreichen, dass er zum Schutz seiner Sicherheit in ein anderes Gefängnis verlegt wurde. Die nächste Verhandlung ist auf den 17. Oktober verschoben worden.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Alber Saber Ayad wurde nach Artikel 98, 160 und 161 des ägyptischen Strafgesetzbuchs der Diffamierung des Islams und des Christentums angeklagt, weil er das Göttliche beleidigt und religiöse Rituale und Heiligkeiten sowie die Propheten verspottet haben soll. Bei einer Verurteilung würden ihm bis zu sechs Jahre Haft und eine Geldstrafe in Höhe von 500 ägyptischen Pfund (etwa 64 Euro) drohen. Darüber hinaus klagte man ihn nach Artikel 102 des nationalen Strafgesetzes wegen der "Verbreitung falscher Nachrichten" an.

Es hat in jüngster Zeit noch weitere Fälle von Anklagen aufgrund von Blasphemie gegeben, die von Amnesty International derzeit untersucht werden. Dazu gehören auch der Fall eines Schiiten, den man der Entweihung einer Moschee beschuldigt, sowie der zweier muslimischer Männer, die Berichten zufolge der Diffamierung des Christentums angeklagt wurden, weil sie die Bibel verbrannt haben sollen. Weiterhin soll ein christlicher Mann zu sechs Jahren Haft verurteilt worden sein, weil er Bilder ins Internet gestellt hatte, die als Beleidigung gegen den Islam erachtet wurden.

Die Anklagen gegen Alber Saber Ayad erinnern an die Vorgehensweisen, mit denen unter der Regierung des ehemaligen Präsidenten Hosni Mubarak die Meinungsfreiheit eingeschränkt wurde. Der Blogger Karim Amer wurde 2007 zu einer vierjährigen Haftstrafe verurteilt, weil er in seinem Blog Kritik an Präsident Mubarak und den Religionsbehörden der ägyptischen Universität al-Azhar geäußert hatte. Er wurde unter anderem schuldig befunden "im Internet zu Unfrieden angestiftet und Muslime verunglimpft zu haben, indem er den Propheten des Islam und seine Anhänger als Mörder bezeichnete, was eine Störung des nationalen Friedens darstellt". Im November 2008 bezeichnete die UN-Arbeitsgruppe für willkürliche Inhaftierungen (UN Working Group on Arbitrary Detention - WGAD) die Inhaftierung von Karim Amer als "willkürlich" und forderte seine Freilassung. Die Arbeitsgruppe begründete dies damit, dass die Inhaftierung des Bloggers eine Verletzung von Freiheiten darstelle, die durch die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte und den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte garantiert werden.

Filmausschnitte, die von einem Anti-Islam-Propagandisten aus den USA stammen sollen, wurden ins Arabische übersetzt und unter dem Titel "The Innocence of Muslims" ("Die Unschuld der Muslime") im Internet veröffentlicht. Darin werden der Prophet Mohammed und weitere von den Muslimen verehrte Figuren auf beleidigende Weise dargestellt, wodurch sich viele Muslime stark angegriffen fühlen. Die Filmausschnitte werden immer wieder als Auslöser einer Reihe von Protesten in verschiedenen muslimischen Ländern genannt, welche in jüngster Vergangenheit vor Botschaften und weiteren Orten, die in Verbindung mit den USA oder anderen westlichen Staaten stehen, stattgefunden haben. Bei gewalttätigen Ausschreitungen während einiger dieser Proteste kamen sowohl Protestierende als auch Mitglieder der Sicherheitskräfte ums Leben oder wurden verletzt.

Auch beleidigende Äußerungen sind durch die Internationalen Menschenrechte geschützt. Kritik an Religionen und anderen Überzeugungen und Vorstellungen üben zu dürfen ist ein entscheidender Bestandteil des Rechts auf freie Meinungsäußerung. Rechtsvorschriften - wie beispielsweise Blasphemie-Gesetze -, welche die Kritik an (oder die Beleidigung von) religiösen Überzeugungen kriminalisieren, verstoßen gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung. Solche kritischen, beleidigenden oder verspottenden Äußerungen stellen keine Beeinträchtigung der Religionsfreiheit der einzelnen Gläubigen dar, unabhängig davon, wie stark sie sich durch diese beleidigt fühlen.


SCHREIBEN SIE BITTE

FAXE UND LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Ich fordere Sie auf, Islam Alber Saber Ayad sofort und bedingungslos freizulassen, da Amnesty International ihn als gewaltlosen politischen Gefangenen betrachtet, der sich nur deshalb in Haft befindet, weil er friedlich Gebrauch von seinem Recht auf Meinungsfreiheit gemacht hat.
  • Ich bitte Sie eindringlich dafür zu sorgen, dass Alber Saber Ayad und seine Familie vor weiteren Schikanierungen und Drohungen geschützt werden.
  • Ich fordere Sie zudem auf, eine gründliche, unabhängige und unparteiische Untersuchung der Behandlung von Alber Saber Ayad in Haft durchzuführen und die Verantwortlichen vor Gericht zu bringen.

APPELLE AN DEN

INNENMINISTER
Ahmed Gamal El Din
Ministry of Interior, El Sheikh Rihan St, Cairo, ÄGYPTEN
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 202) 2795 9494

GENERALSTAATSANWALT
Abd El-Megeed Mahmoud
Dar al-Qadha al-'Ali, Ramses Street, Cairo, ÄGYPTEN
(Anrede: Sehr geehrter Herr Generalstaatsanwalt)
Fax: (00 202) 2 577 4716


KOPIEN AN

BOTSCHAFT DER ARABISCHEN REPUBLIK ÄGYPTEN
S.E. Herrn Mohamed Abdelhamid Ibrahim Higazy
Stauffenbergstraße 6-7
10785 Berlin
Fax: 030-477 1049
E-Mail: embassy@egyptian-embassy.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Arabisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 9. November 2012 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY
  • Urging the Egyptian authorities to release Alber Saber Ayad's immediately and unconditionally as Amnesty International considers him to be a prisoner of conscience, detained solely for peacefully exercising his right to freedom of expression.
  • Calling on them to ensure Alber Saber Ayad and his family are protected from further harassment and threats.
  • Calling on them to open a thorough, independent and impartial investigation into Alber Saber Ayad's treatment in detention and to bring those found responsible to justice.

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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-278/2012, AI-Index: MDE 12/030/2012, Datum: 28. September 2012 - jw
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
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Zinnowitzer Straße 8, 10115 Berlin
Telefon: 030/42 02 48-306, Fax: 030/42 02 48 - 330
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Oktober 2012