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AKTION/1215: Urgent Action - Kolumbien, Morddrohungen


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-299/2012, AI-Index: AMR 23/039/2012, Datum: 9. Oktober 2012 - jw

Kolumbien
Morddrohungen



SANDRA MAJARRES, Leiterin der Stiftung FIF
Frau ROSARIO MONTOYA HOYOS, Mitglied von FIF
sowie Angehörige verschiedener NGOs

Kolumbianische NGOs und MenschenrechtsverteidigerInnen, die sich im ganzen Land für die Rückgabe von Land einsetzen, sind in den vergangenen Wochen zum Ziel zahlreicher Morddrohungen geworden. Die Drohungen kamen von Paramilitärs, die sich selbst "Armee gegen Landrückgabe" nennen.

"Tod allen Mitgliedern von Organisationen wie den Verrätern, die für die Landrückgabe arbeiten" (muerte a todos los miembros de asociaciones, como los sapos que trabajan en la restitución de tierras), so der Inhalt einer E-Mail, die am 2. Oktober von der Armee gegen Landrückgabe (Ejercito Anti Restitución de Tierras) an verschiedene NGOs wie das Anwaltskollektiv Humanidad Vigente, die Stiftung für die Rechte von Kindern (Fundacion Infancia Feliz, FIF) oder das Kollektiv für Frauenrechte (Colectivo Mujeres al Derecho) verschickt wurde. In der Drohung werden NGOs, MenschenrechtsverteidigerInnen und andere genannt, die sich in mehreren Regionen Kolumbiens für die Landrückgabe sowie die Rechte von Frauen und Kindern einsetzen. Die Paramilitärs unterstellen ihnen, Guerillagruppen anzugehören, indem sie sie als Drogenterroristen der FARC und ELN (narco terroristas de las FARC y ELN) bezeichnen.

Am selben Tag wurde eine weitere von der Armee gegen Landrückgabe unterzeichnete Morddrohung per SMS an MenschenrechtsverteidigerInnen und SprecherInnen von Kleinbauernorganisationen in Carmen de Bolivar im Norden Kolumbiens gesandt.

Diese Morddrohungen sind Teil einer erneuten Welle von Drohungen, Angriffen und Tötungen. Am 24. August erhielt Rosario Montoya Hoyos, ein Mitglied von FIF, ein Beileidsschreiben zu ihrem eigenen Tod. Einige Tage später, am 28. August, betraten zwei vermummte Männer das Büro der FIF und schlugen Sandra Manjarres, die Leiterin der Organisation, mit der Forderung, ihnen Dokumente und Informationen zu übergeben.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Im Laufe des seit Jahrzehnten andauernden bewaffneten Konflikts in Kolumbien sind Millionen von Hektar Land rechtswidrig vereinnahmt worden. Oft wurde dabei gewaltsam gegen die rechtmäßigen BesitzerInnen, insbesondere gegen Indigene, AfrokolumbianerInnen und Kleinbauergemeinden, vorgegangen. Die zahlreichen Konfliktparteien, paramilitärische Gruppen und Sicherheitskräfte, die mitunter allein oder gemeinsam miteinander agieren sowie Guerillagruppen, haben über fünf Millionen Menschen aus ihrem Zuhause vertrieben.

Besonders seitdem das "Gesetz über Entschädigungen für Opfer und über Landrückgabe" Mitte 2011 verabschiedet wurde und Anfang 2012 in Kraft trat, sind zahlreiche VertreterInnen der vertriebenen Gemeinden und einige, die sich für die Rückgabe des rechtswidrig vereinnahmten Landes einsetzen, bedroht oder getötet worden. Das Gesetz erkennt die Existenz eines bewaffneten Konflikts in Kolumbien und die Rechte der Opfer an. Es sieht Wiedergutmachungsleistungen für einige Überlebende von Menschenrechtsverstößen vor, einschließlich solcher Verstöße, die von im staatlichen Auftrag handelnden Akteuren begangen wurden. Es wird aber befürchtet, dass viele Opfer von einem Entschädigungsanspruch ausgenommen sein werden und beträchtliche Teile des weggenommenen Landes nach wie vor nicht an ihre rechtmäßigen EigentümerInnen zurückgegeben werden. Zudem werden Menschen, die auf ihr angestammtes Land zurückkehren, nicht ausreichend davor geschützt, zur Abgabe der Kontrolle über ihr Land an diejenigen, die sie zuvor vertrieben hatten, gezwungen zu werden. Viele, die sich für die Landrückgabe engagieren bzw. auf ihr Land zurückkehren wollen, sind bedroht oder sogar getötet worden. Dadurch könnte die Umsetzung des Gesetzes erschwert werden.


SCHREIBEN SIE BITTE

FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Ich möchte meine Sorge um die Sicherheit von Mitgliedern der Organisationen Corporación Nuevo Arco Iris, Fundación para el Desarrollo y la Paz (FUNDEPAZ), Organización Nacional de Población Desplazada Desarraigada Independiente (OPDDI), Marcha Patriótica, Cabildo Abierto por la Independencia, Asociación de Familiares por un Solo Dolor (AFUSODO), Colectivo Mujeres al Derecho, Fundación Infancia Feliz (FIF), Fundación Comité Presos Políticos (FCSPP), Corporación Jurídica Humanidad Vigente, Coordinación Nacional de Desplazados (CND), Polo Democrático Misael Delgado Rada und seinen Familienangehörigen sowie Iván Cepeda, Ospino Meza, Hipólito Rennteria, Fredy Guerrero, Felipe Flor, Rosario Montoya Hoyos, Sandra Manjarres, Piedad Córdoba, Rosario Aguilar, Miryam Clemencia Ruiz Molina, Alfonso Caicedo und Schwester Alba Estela ausdrücken. Bitte ergreifen Sie unverzüglich in Absprache mit den Betroffenen Maßnahmen zu ihrem Schutz.
  • Bitte leiten Sie umgehend eine vollständige und unabhängige Untersuchung der Morddrohungen ein, veröffentlichen Sie die Ergebnisse und stellen Sie die Verantwortlichen vor Gericht.
  • Ich möchte Sie zudem daran erinnern, dass Kolumbien Vertragsstaat der UN-Erklärung zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern aus dem Jahr 1998 ist und Sie somit die Pflicht haben, MenschenrechtlerInnen zu schützen.
  • Zudem fordere ich Sie auf, entsprechend der aufgeführten Verpflichtungen der Regierung sowie der von der UN und anderen zwischenstaatlichen Organisationen ausgesprochenen Empfehlungen umgehend Maßnahmen zur Auflösung der paramilitärischen Gruppen zu ergreifen und ihre Verbindungen zu den kolumbianischen Sicherheitskräften zu lösen.

APPELLE AN

PRÄSIDENT
Sr. Juan Manuel Santos
Presidente de la República de Colombia
Palacio de Nariño, Carrera 8 No. 7-26
Bogotá D. C., KOLUMBIEN
(Anrede: Excmo. Sr. Presidente Santos / Dear President Santos / Sehr geehrter Herr Präsident)
Fax: (00 57) 1 596 0631

INNENMINISTER
Sr. Fernando Carrillo
Minister del Interior
Carrera 9a. No. 14-10, piso 8
Bogotá, KOLUMBIEN
(Anrede: Estimado Sr. Ministro / Dear Minister/ Sehr geehrter Herr Innenminister)
Fax: (0057) 1 2839876


KOPIEN AN

Humanidad Vigente (NGO)
Carrera 28 # 47ª-84
Bogotá
Kolumbien

BOTSCHAFT DER REPUBLIK KOLUMBIEN
S.E. Herrn Juan Mayr Maldonado
Kurfürstenstr. 84
10787 Berlin
Fax: 030 26 39 61 25
E-Mail: info@botschaft-kolumbien.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Spanisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 20. November 2012 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY
  • Expressing concern for the safety of the individuals and NGOs named in the email (see overleaf) and urging the authorities to protect them, in strict accordance with their wishes.
  • Calling on the authorities to order full and impartial investigations into the death threat, publish the results and bring those responsible to justice.
  • Reminding them to fulfil their obligation to protect human rights defenders, as set out in the 1998 UN Declaration on Human Rights Defenders.
  • Urging them to take immediate action to dismantle paramilitary groups and break their links with the security forces, in line with stated government commitments and recommendations made by the UN and other intergovernmental organizations.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN - FORTSETZUNG

Seit Februar 2012 sind in mehreren Teilen Kolumbiens paramilitärische Gruppierungen gemeldet worden, die sich "Armee gegen die Landrückgabe" nennen. Die Stärke der paramilitärischen "Armee gegen die Landrückgabe" schätzen manche auf bis zu 1000 Mitglieder. Die Gruppen begannen im Juli 2012 in der Region Montes de Marìa in den nordwestlichen Departamentos Bolívar und Sucre ihre Aktivitäten. Während des seit vier Jahrzehnten andauernden bewaffneten Konfliktes in Kolumbien bezeichnen Sicherheitskräfte und Paramilitärs Mitglieder von Menschenrechtsorganisationen, Gewerkschaften und anderen gesellschaftlichen Organisationen häufig als Kollaborateure oder UnterstützerInnen von Guerillagruppen. In der Folge werden sie häufig bedroht, entführt oder getötet. Auch Guerillagruppen haben schon mehrere MenschenrechtsverteidigerInnen bedroht oder getötet, da sie der Ansicht waren, diese würden mit ihren GegnerInnen zusammenarbeiten.

Die paramilitärischen Gruppen Kolumbiens wurden angeblich durch ein 2003 begonnenes, von der Regierung finanziertes Verfahren demobilisiert. Die weiterhin eingehenden Drohungen gegen MenschenrechtsverteidigerInnen und Angehörige anderer Gruppen in verschiedenen Teilen des Landes zeigen jedoch, dass Paramilitärs noch immer aktiv sind.

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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-299/2012, AI-Index: AMR 23/039/2012, Datum: 9. Oktober 2012 - jw
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Oktober 2012