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AKTION/1296: Urgent Action - Ägypten, Urteilsverkündung verschoben


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-278/2012-2, AI-Index: MDE 12/039/2012, Datum: 3. Dezember 2012 - jw

Ägypten
Urteilsverkündung verschoben

Weitere Informationen zu UA 278/2012 (MDE 12/030/2012, 28. September 2012 und MDE 12/034/2012, 24. Oktober 2012).



Herr ALBER SABER AYAD

Der Prozess gegen Alber Saber Ayad ist unterbrochen worden, nachdem der zuständige Richter sich einem landesweiten Streik in Ägypten angeschlossen hat. Die Urteilsverkündung, die eigentlich Ende November hätte stattfinden sollen, wurde nun für den 12. Dezember angesetzt.

Der gewaltlose politische Gefangene Alber Saber Ayad muss sich vor Gericht verantworten, weil er Videos im Internet veröffentlicht und eine Facebook-Seite betreut hat, deren Inhalte die ägyptischen Behörden als "Verunglimpfung der Religion" betrachten. Er muss nun noch länger auf die Entscheidung über sein Schicksal warten. Sollte er schuldig gesprochen werden, drohen ihm sechs Jahre Haft und eine Geldstrafe von 500 ägyptischen Pfund (etwa 62 €).

Berichten zufolge haben sich die Haftbedingungen von Alber Saber Ayad verbessert, nachdem ägyptische Menschenrechtsorganisationen Ende Oktober Beschwerde beim Staatsanwalt eingereicht hatten. Er befindet sich zwar noch immer in derselben Zelle, hat aber nun verbesserten Zugang zu Wasser und einer Toilette. Zudem wird eine Verletzung an seiner Hand medizinisch versorgt, die er sich zugezogen haben soll, als das Sicherheitspersonal während einer Gerichtsverhandlung an seinen Handschellen zerrte.

Richter in ganz Ägypten sind in den Streik getreten, um gegen ein kürzlich von Präsident Mohammed Mursi erlassenes Dekret zu protestieren, in welchem sie einen Angriff auf ihre Unabhängigkeit sehen. Mursi hatte per Dekret verfügt, dass seine Entscheidungen nicht von den Gerichten anfechtbar sind und erklärte die verfassungsgebende Versammlung für unauflösbar. Mit diesem Dekret wurde zudem die Wiederaufnahme von Verfahren gegen Sicherheitskräfte und BeamtInnen angeordnet, die der Tötung von Protestierenden beschuldigt und unter Husni Mubarak freigesprochen worden waren. Dies war zuvor gemäß ägyptischem Recht nicht möglich. Tausende sind in der vergangenen Woche auf die Straße gegangen, um gegen das Vorgehen von Präsident Mursi zu protestieren.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Alber Saber Ayad wurde am 13. September 2012 festgenommen, nachdem Gruppen aufgebrachter Männer am Tag zuvor versucht hatten, in sein Haus einzubrechen. Sie warfen ihm Ketzerei und Atheismus vor und forderten seinen Tod. Sie beschuldigen den 27-jährigen, den Film "The Innocence of Muslims" ("Die Unschuld der Muslime") verbreitet zu haben, den viele MuslimInnen als beleidigend empfinden. Seine Mutter bat die Polizei um Schutz, doch als diese am nächsten Tag eintraf, nahmen die BeamtInnen Alber Saber Ayad fest und beschlagnahmten seinen PC sowie seine CDs. Seine Mutter verließ daraufhin aus Angst vor weiteren Auseinandersetzungen mit den Männern ihr Haus. Wie Alber Saber Ayad seinen Rechtsbeiständen mitteilte, animierte ein Polizist der Polizeiwache El Marg während seiner Inhaftierung andere Häftlinge dazu, ihn anzugreifen. Während des Verfahrens gegen Alber Saber Ayad hatte der Richter der Verteidigung untersagt, HauptzeugInnen aufzurufen, darunter PolizeibeamtInnen, die an der Festnahme von Alber Saber Ayad und an der Ermittlung gegen ihn beteiligt waren sowie die Personen, die Beschwerde gegen Alber Saber Ayad eingereicht hatten.

Die Anklagen gegen Alber Saber Ayad erinnern an die Vorgehensweisen, mit denen unter der Regierung des ehemaligen Präsidenten Husni Mubarak die Meinungsfreiheit eingeschränkt wurde. Der Blogger Karim Amer wurde 2007 zu einer vierjährigen Haftstrafe verurteilt, weil er in seinem Blog Kritik an Präsident Mubarak und den Religionsbehörden der ägyptischen Universität al-Azhar geäußert hatte. Im November 2008 bezeichnete die UN-Arbeitsgruppe für willkürliche Inhaftierungen (UN Working Group on Arbitrary Detention - WGAD) die Inhaftierung von Karim Amer als "willkürlich" und forderte seine Freilassung. Die Arbeitsgruppe begründete dies damit, dass die Inhaftierung des Bloggers eine Verletzung von Freiheiten darstelle, die durch die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte und den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte garantiert werden.

Filmausschnitte, die von einem Anti-Islam-Propagandisten aus den USA stammen sollen, wurden ins Arabische übersetzt und unter dem Titel "The Innocence of Muslims" ("Die Unschuld der Muslime") im Internet veröffentlicht. Darin werden der Prophet Mohammed und weitere von den Muslimen verehrte Figuren auf beleidigende Weise dargestellt, wodurch sich viele Muslime stark angegriffen fühlen. Die Filmausschnitte werden immer wieder als Auslöser einer Reihe von Protesten in verschiedenen muslimischen Ländern genannt, welche in jüngster Vergangenheit vor Botschaften und weiteren Orten, die in Verbindung mit den USA oder anderen westlichen Staaten stehen, stattgefunden haben. Bei gewalttätigen Ausschreitungen während einiger dieser Proteste kamen sowohl Protestierende als auch Angehörige der Sicherheitskräfte ums Leben oder wurden verletzt. Am 28. November verurteilte ein ägyptisches Gericht acht Menschen - sieben koptische Christen und einen US-amerikanischen christlichen Geistlichen - wegen der angeblichen Herstellung oder Verbreitung des Films in ihrer Abwesenheit zum Tode.


SCHREIBEN SIE BITTE

FAXE UND LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Ich fordere Sie auf, Alber Saber Ayad sofort und bedingungslos freizulassen, da Amnesty International ihn als gewaltlosen politischen Gefangenen betrachtet, der sich nur deshalb in Haft befindet, weil er friedlich sein Recht auf freie Meinungsäußerung wahrgenommen hat.
  • Stellen Sie sicher, dass Alber Saber Ayad jegliche erforderliche medizinische Versorgung erhält und dass seine Haftbedingungen internationalen Standards, wie die UN-Mindestgrundsätze für die Behandlung von Gefangenen und den UN-Grundsatzkatalog für den Schutz aller irgendeiner Form von Haft oder Strafgefangenschaft unterworfenen Personen vorgeben, entsprechen.

APPELLE AN DEN

INNENMINISTER
Ahmed Gamal El Din
Ministry of Interior, El Sheikh Rihan St, Cairo, ÄGYPTEN
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 202) 2795 9494

GENERALSTAATSANWALT
Talaat Abdallah Dar al-Qadha al-'Ali
Ramses Street, Cairo, ÄGYPTEN
(Anrede: Dear Counsellor / Sehr geehrter Herr Generalstaatsanwalt)
Fax: (00 202) 2 577 4716


KOPIEN AN

BOTSCHAFT DER ARABISCHEN REPUBLIK ÄGYPTEN
S.E. Herrn Mohamed Abdelhamid Ibrahim Higazy
Stauffenbergstraße 6-7
10785 Berlin
Fax: 030-477 1049
E-Mail: embassy@egyptian-embassy.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Arabisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 12. Dezember 2012 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY
  • Urging the Egyptian authorities to release Alber Saber Ayad immediately and unconditionally as he is a prisoner of conscience, detained solely for peacefully exercising his right to freedom of expression.
  • Urging them to ensure Alber Saber Ayad receives any medical treatment he may require, and that his prison conditions are in line with international standards, including the Standard Minimum Rules for the Treatment of Prisoners and the Body of Principles for the Protection of All Persons under Any Form of Detention or Imprisonment.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN - FORTSETZUNG

Amnesty International untersucht derzeit noch weitere Fälle, in denen Angehörige verschiedener Religionen aufgrund von Blasphemie angeklagt und verurteilt wurden. Dazu gehören auch der Fall eines Schiiten, den man der Entweihung einer Moschee beschuldigt, sowie der zweier muslimischer Männer, die Berichten zufolge der Diffamierung des Christentums angeklagt wurden, weil sie eine Bibel verbrannt haben sollen. Weiterhin soll ein christlicher Mann zu sechs Jahren Haft verurteilt worden sein, weil er Bilder ins Internet gestellt hatte, die als Beleidigung gegen den Islam erachtet wurden.

Auch beleidigende Äußerungen sind durch die Internationalen Menschenrechte geschützt. Kritik an Religionen und anderen Überzeugungen und Vorstellungen üben zu dürfen ist ein entscheidender Bestandteil des Rechts auf freie Meinungsäußerung. Rechtsvorschriften - wie beispielsweise Blasphemie-Gesetze -, welche die Kritik an (oder die Beleidigung von) religiösen Überzeugungen kriminalisieren, verstoßen gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung. Solche kritischen, beleidigenden oder verspottenden Äußerungen stellen keine Beeinträchtigung der Religionsfreiheit der einzelnen Gläubigen dar, unabhängig davon, wie stark sie sich durch diese beleidigt fühlen.

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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-278/2012-2, AI-Index: MDE 12/039/2012, Datum: 3. Dezember 2012 - jw
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
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Telefon: 030/42 02 48-306, Fax: 030/42 02 48 - 330
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Dezember 2012