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AKTION/1328: Urgent Action - Syrien, Ärzte vor Militärgericht


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-114/2012-2, AI-Index: MDE 24/092/2012, Datum: 24. Dezember 2012 - jw

Syrien
Ärzte vor Militärgericht



DR. MAHMOUD AL REFAAI, Kardiologe
DR. MOHAMAD OSAMA AL-BAROUDI, Gastroenterologe

Die syrischen Ärzte Mahmoud Al Refaai und Mohamad Osama Abdulsalam Al-Baroudi werden seit ihren Festnahmen am 16. und 18. Februar 2012 ohne Kontakt zur Außenwelt in Haft gehalten. Sie befinden sich zurzeit im Saydnaya-Gefängnis und ihre Fälle sollen an ein Militärgericht weitergeleitet worden sein. Beide Ärzte wurden im Februar 2012 in Krankenhäusern in Damaskus festgenommen, Mahmoud Al Refaai Berichten zufolge von Angehörigen des Luftwaffengeheimdienstes, Mohammad Osama Al-Baroudi von der syrischen Kriminalpolizei. Die syrischen Behörden machten den Familien der beiden Ärzte gegenüber keine Angaben über deren Festnahme, ihre Haft oder ihren Aufenthaltsort. Ein kürzlich freigelassener Arzt gab an, dass die beiden Männer kurz nach ihrer Festnahme an einem Stützpunkt des Luftwaffengeheimdienstes in al-Mezzeh inhaftiert worden waren, wo er Zeuge von wiederholter Folter und anderen Misshandlungen an ihnen wurde.

Nach Berichten einer örtlichen Kontaktperson sind Mahmoud Al Refaai und Mohammad Osama Al-Baroudi vor etwa zwei Monaten ins Saydnaya-Gefängnis im Norden von Damaskus verlegt worden. Anfang Dezember wurde der Familie von Mahmoud Al Refaai ein kurzer Besuch gestattet, bei dem sie ihn in Gegenwart von Sicherheitsbeamten sehen konnten. Während dieses Besuchs gab er an, darunter zu leiden, dass er keine den kalten Temperaturen angemessene Kleidung besitze. Dieselbe Kontaktperson berichtet, dass die Familie von Mohammad Osama Al-Baroudi durch inoffizielle Quellen herausgefunden hat, dass sein Zustand insgesamt stabil sei, er aber viel Gewicht verloren habe. Die Kontaktperson sagte, dass Quellen im Verteidigungsministerium die Familie von Mahmoud Al Refaai darüber informiert hätten, dass sein Fall im September an ein Militärgericht weiterverwiesen worden wäre und immer noch nicht abgeschlossen sei. Die Vorwürfe gegen ihn stehen in Zusammenhang damit, dass er verletzte Demonstrierende in einem Feldlazarett behandelt haben soll. Die Kontaktperson hält es für möglich, dass auch der Fall von Mohammad Osama Al-Baroudi an ein Militärgericht übergeben worden ist. Solche Gerichte bestehen aus Militärrichtern und die Angeklagten haben weder das Recht auf einen Rechtsbeistand noch können sie ZeugInnen benennen. Die Verfahren werden im Geheimen abgehalten und die Verhandlungstermine werden nicht bekannt gegeben. Urteile, die dieses Gericht verhängt, können auch nicht angefochten werden.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Seit Ausbruch der Proteste im Februar 2011 sind tausende mutmaßliche GegnerInnen der syrischen Regierung festgenommen und viele, vermutlich sogar die Mehrzahl, gefoltert und anderweitig misshandelt worden. Amnesty International liegen die Namen von mehr als 720 Menschen vor, die Berichten zufolge in dieser Zeit in Haft gestorben sind. Die Organisation hat außerdem zahlreiche Fälle dokumentiert, in denen Häftlinge gefoltert oder anderweitig misshandelt wurden. Weitere Informationen zu Fällen von Folter und anderen Misshandlungen an syrischen Häftlingen finden Sie in dem englischen Bericht: "I wanted to die": Syria's torture survivors speak out, online unter:
http://www.amnesty.org/en/library/info/MDE24/016/2012/en

Die Situation hat sich fast im gesamten Land zu einem internen bewaffneten Konflikt entwickelt. Systematische und weitverbreitete Menschenrechtsverletzungen, darunter auch Verbrechen gegen die Menschlichkeit und mögliche Kriegsverbrechen sind an der Tagesordnung. Zivilpersonen sind dabei die häufigsten Opfer. Amnesty International hat zahlreiche Beispiele dokumentiert, jüngst in Dokumenten wie Syria: Indiscriminate attacks terrorize and displace civilians http://www.amnesty.org/en/library/info/MDE24/078/2012/en. Andere Organisationen, wie die Unabhängige Internationale Untersuchungskommission der UN zur Situation in der Arabischen Republik Syrien, sind zu ähnlichen Ergebnissen gekommen.


SCHREIBEN SIE BITTE

FAXE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Sorgen Sie bitte dafür, dass Mahmoud Al Refaai und Mohammad Osama Al-Baroudi vor Folter und anderen Misshandlungen geschützt werden und gewähren Sie ihnen sofortigen Zugang zu ihren Familien und Rechtsbeiständen ihrer Wahl sowie die benötigte medizinische Versorgung.
  • Ich bitte Sie um Klärung hinsichtlich des Rechtsstatus von Mohamad Osama Al-Baroudi und Mahmoud Al Refaai und der Vorwürfe gegen sie. Bitte stellen Sie sicher, dass alle rechtlichen Schritte den internationalen Standards für faire Verfahren entsprechen.

APPELLE AN

STAATSPRÄSIDENT
Bashar al-Assad
Nur Faxapelle möglich.
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 963) 11 332 3410

INNENMINISTER
His Excellency Major General Mohamad Ibrahim al-Shaar
Ministry of Interior
Nur Faxapelle möglich.
(Anrede: Your Excellency / Excellenz)
Fax: (00 963) 11 211 9578

AUßENMINISTER
Walid al-Mu'allim
Ministry of Foreign Affairs
Nur Faxapelle möglich.
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 963) 11 214 6253


KOPIEN AN

BOTSCHAFT DER RUSSISCHEN FÖDERATION
S. E. Herrn Vladimir M. Grinin
Unter den Linden 63-65, 10117 Berlin
Fax: 030-2299 397
E-Mail: info@Russische-Botschaft.de

BOTSCHAFT DER ARABISCHEN REPUBLIK SYRIEN
S.E. Herr Radwan Loutfi
Rauchstr. 25, 10787 Berlin
Fax: 030-5017 7311
E-Mail: info@syrianembassy.de
press@syrianembassy.de
secretary@syrianembassy.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Arabisch, Englisch, Französisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 4. Februar 2013 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY
  • Urging the Syrian authorities to ensure that Mahmoud Al Refaai and Mohamad Al-Baroudi are protected from torture or other ill-treatment, are given immediate access to their families and lawyers of their choice, and any medical care they may require.
  • Asking for clarification of Mahmoud Al Refaai's and Mohamad Al-Baroudi's legal status and the charges against them, and calling on the authorities to ensure that any legal proceedings against them fully comply with international fair trial standards.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN - FORTSETZUNG

Die Mehrzahl der von Amnesty International dokumentierten Menschenrechtsverletzungen wurde von den Streitkräften und Milizen der als Shabiha bekannten regierungstreuen Gruppierungen begangen. Doch auch bewaffnete Oppositionskräfte sollen sich Menschenrechtsverstößen schuldig gemacht haben. So sollen sie u. a. gefangengenommene Angehörige der Armee und der Shabiha ebenso wie die Entführung und Tötung von Menschen, die vermeintlich oder tatsächlich die Regierung und ihre Sicherheitskräfte unterstützen oder die Geiselnahme von Zivilpersonen um Gefangenenaustausche versucht haben. Amnesty International verurteilt diese Menschenrechtsverstöße scharf und hat die Führungsebene sämtlicher in Syrien operierender bewaffneter Oppositionsgruppen dazu aufgerufen, derartige Handlungen in einer öffentlichen Bekanntmachung zu verbieten und alles in ihrer Macht Stehende zu tun, damit oppositionelle Gruppen keine Menschenrechtsverstöße mehr begehen.

Amnesty International ruft weiterhin dazu auf, die Situation in Syrien der Anklagebehörde des Internationalen Strafgerichtshofs zu unterbreiten, ein internationales Waffenembargo gegen das Land zu verhängen und die Vermögenswerte von Präsident al-Assad und seinen engsten Vertrauten einzufrieren. An Staaten, die Waffenlieferungen an die bewaffnete syrische Opposition erwägen, richtet Amnesty International den eindringlichen Appell, mit geeigneten Mechanismen sicherzustellen, dass mit den gelieferten Waffen keine Menschenrechtsverletzungen und/oder Kriegsverbrechen begangen werden. Eine weitere Forderung von Amnesty International betrifft die Entsendung einer mit den notwendigen Ressourcen ausgestatteten internationalen Menschenrechtsbeobachtermission nach Syrien, um dort die Menschenrechtslage effektiv zu überwachen und alle Menschenrechtsverstöße zu ermitteln und öffentlich zu machen.

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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-114/2012-2, AI-Index: MDE 24/092/2012, Datum: 24. Dezember 2012 - jw
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
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Telefon: 030/42 02 48-306, Fax: 030/42 02 48 - 330
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Internet: www.amnesty.de/ua; www.amnesty.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Dezember 2012