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AKTION/1441: Urgent Action - Frankreich, 240 Menschen droht die Zwangsräumung


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-081/2013, AI-Index: EUR 21/003/2013, Datum: 2. April 2013 - mr

Frankreich
240 Menschen droht die Zwangsräumung



240 MENSCHEN, ÜBERWIEGEND ROMA AUS RUMÄNIEN

Etwa 240 Menschen, die in einer informellen Siedlung in Ris-Orangis außerhalb von Paris leben, droht nach einer Entscheidung der Bezirksverwaltung vom 29. März jederzeit die Zwangsräumung. Am 1. April hängten VertreterInnen des Bürgermeisters von Ris-Orangis im Verwaltungsbezirk des Großraums Paris einen Räumungsbefehl im Zentrum einer informellen Siedlung aus. Offiziellen Schätzungen zufolge leben dort etwa 240 Menschen, darunter Familien mit Kindern. Die Benachrichtigung über die Räumung gibt den BewohnerInnen 24 Stunden Zeit das Gelände zu räumen und begründet die Räumung mit der öffentlichen Sicherheit, Brandgefahr und Gesundheitsrisiken für die BewohnerInnen. Die an der Nationalstraße 7 gelegene Siedlung besteht aus 73 Hütten und drei Wohnwagen und wird überwiegend von Roma aus Rumänien bewohnt.

Am 26. März teilte eine Gruppe von 15 BeamtInnen der Nationalpolizei in Begleitung eines Dolmetschers für Rumänisch den Familien auf dem Gelände mündlich mit, dass die Bezirksverwaltung am 29. März einen Räumungsbefehl ausstellen und die Zwangsräumung spätestens am 2. April durchführen würde. Eine solche Zwangsräumung macht die Beteiligung von Gesetzeshütern nötig, die dem Präfekt von Essonne unterstehen. Dies ist das Département, in dem Ris-Orangis liegt. Bis zur Stunde hat die Räumung noch nicht stattgefunden, sie könnte aber jederzeit durchgeführt werden.

Die Behörden haben den Betroffenen weder angemessene langfristige Wohnmöglichkeiten angeboten noch ist die Mehrheit von ihnen konsultiert worden. Berichten zufolge wurde 39 BewohnerInnen, darunter zwölf Erwachsenen, eine gewisse Unterstützung bei einer alternativen Unterbringung und der Arbeitssuche angeboten. Amnesty International hat dem Bürgermeister von Ris-Orangis im Februar und März 2013 geschrieben, um ihm die Bedenken zur geplanten Zwangsräumung darzulegen.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Nach völkerrechtlichen Bestimmungen ist den Behörden das Durchführen von rechtswidrigen Zwangsräumungen nicht erlaubt. Vielmehr sind sie verpflichtet, alle Menschen vor rechtswidrigen Zwangsräumungen zu schützen und ihnen wirksame Rechtsmittel zur Verfügung zu stellen, um gegen Verletzungen ihres Rechts auf angemessenes Wohnen und anderer Rechte vorzugehen. Eine Zwangsräumung darf lediglich als ein letztes Mittel betrachtet werden, das erst dann Anwendung findet, wenn alle möglichen Alternativen mit den Betroffenen ausgelotet worden sind. Rechtswidrige Zwangsräumungen sind Räumungen, bei denen die Betroffenen zuvor weder angemessen konsultiert noch mit ausreichend Vorlauf über die bevorstehende Räumung informiert wurden. Zudem verfügen durch Zwangsräumung vertriebene Personen weder über ausreichenden rechtlichen Schutz, noch werden ihnen bei Bedarf alternative Unterkünfte bereitgestellt.

Der englischsprachige Bericht aus dem Jahr 2012 "Chased Away: Forced Evictions of Roma in Ile-de-France" (November 2012,
http://www.amnesty.org/en/library/info/EUR21/012/2012/en)
untersuchte die prekäre Wohnsituation der Roma in Frankreich und konzentrierte sich dabei auf rechtswidrige Zwangsräumungen im Großraum Paris. Der Bericht legt dar, dass trotz der Bemühungen der neuen Regierung zur besseren Koordinierung von Räumungsoperationen und der verstärkten Integration von Menschen, die in informellen Siedlungen leben, rechtswidrige Zwangsräumungen nach wie vor stattfinden und die Behörden weiterhin Räumungsbefehle durchsetzen, selbst wenn keine alternative Unterbringung vorhanden ist und keine angemessenen Schutzmaßnahmen bestehen. Nach französischem Recht kann der Bürgermeister einer Kommune, in der sich eine Siedlung befindet, einen Noträumungsbefehl ausstellen, wenn die Siedlung akut die öffentliche Ordnung, die Gesundheit oder die Sicherheit gefährdet. Die Recherchen von Amnesty International haben ergeben, dass die Lebensbedingungen in vielen Siedlungen zwar oft ein Risiko für Gesundheit und Sicherheit darstellten, die Zwangsräumungen jedoch fast ausnahmslos zu einer Verschlechterung der Lebensbedingungen der BewohnerInnen geführt haben, insbesondere, da ihnen oft keine alternativen angemessenen Wohnmöglichkeiten bereitgestellt wurden. Ihr Zugang zu Wasser, Gesundheitsversorgung und Bildung wurde erheblich gestört oder ganz unterbrochen.

Die Roma, die in Ile-de-France von Zwangsräumung betroffen waren, wurden häufig obdachlos und verloren ihre Habe. In der Folge siedelten sich viele von ihnen in anderen bestehenden informellen Siedlungen an oder gründeten neue Siedlungen. Aus diesem Grund wurden viele Roma bereits mehrmals Opfer von Zwangsräumungen. Nach Schätzungen von Nichtregierungsorganisationen wurden 2012 in Frankreich etwa 12.000 Roma Opfer von Zwangsräumungen.


SCHREIBEN SIE BITTE

E-MAILS, FAXE UND LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Ich fordere Sie nachdrücklich auf, die geplante Zwangsräumung der Siedlung in der Nähe der RN 7 in Ris-Orangis zu stoppen und sicherzustellen, dass eine Zwangsräumung nur in Übereinstimmung mit den internationalen Menschenrechtsstandards und nur dann durchgeführt wird, wenn alle anderen Handlungsoptionen ausgeschöpft sind.
  • Stellen Sie bitte sicher, dass infolge von Zwangsräumungen niemand obdachlos wird oder anderen Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt ist.

APPELLE AN

PRÄFEKT VON ESSONNE
M Michel Fuzeau
Prefet de l'Essonne
Boulevard de France, 91010 Évry, FRANKREICH
(Anrede: Monsieur le Préfet / Sehr geehrter Herr Präfekt)
Fax: (00 33) 1 69 91 97 99
E-Mail: michel.fuzeau@essonne.gouv.fr

BÜRGERMEISTER VON R RIS-ORANGIS
M Stéphane Raffali
Maire de Ris-Orangis
Place du Général de Gaulle, 91130 Ris-Orangis,
FRANKREICH
(Anrede: Monsieur le Maire / Sehr geehrter Herr Bürgermeister)
Fax: (00 33) 1 69 02 52 53
E-Mail: s.raffalli@ville-ris-orangis.fr


KOPIEN AN

BOTSCHAFT DER FRANZÖSISCHEN REPUBLIK
S. E. Herrn Maurice Gourdault-Montagne
Pariser Platz 5
10117 Berlin
Fax: 030-590 039 110
E-Mail: kanzlei@botschaft-frankreich.de oder
presse@botschaft-frankreich.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Französisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 14. Mai 2013 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY
  • Urging the authorities to stop the planned eviction of the settlement near the Route national 7 in Ris-Orangis and to ensure that evictions of informal settlement are carried out only as a last resort, and only in full compliance with international human rights standards
  • Calling on the authorities to ensure that no one is left homeless and vulnerable to other violations of their human rights as a result of any eviction

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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-081/2013, AI-Index: EUR 21/003/2013, Datum: 2. April 2013 - mr
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
Kampagnen und Kommunikation
Zinnowitzer Straße 8, 10115 Berlin
Telefon: 030/42 02 48-306, Fax: 030/42 02 48 - 330
E-Mail: ua-de@amnesty.de; info@amnesty.de
Internet: www.amnesty.de/ua; www.amnesty.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. April 2013