ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-336/2012-3, AI-Index: ASA 21/022/2013, Datum: 21. Juni 2013 - ek
Indonesien
Schiitische Gemeinschaft erneut vertrieben
MINDESTENS 160 ANGEHÖRIGE DER SCHIITISCHEN GEMEINDE IN SAMPANG, OST-JAVA
Angehörige einer schiitischen Gemeinschaft sind aus ihren Behelfsunterkünften vertrieben und in einen Landesteil gebracht worden, der mindestens vier Stunden Fahrt von ihrem Heimatort entfernt liegt.
Mindestens 160 Angehörige der schiitischen Gemeinschaft sind am 20. Juni im Auftrag der Polizei von Sampang und örtlichen Behörden aus ihren Behelfsunterkünften in einer Sportanlage in Sampang in Madura Island vertrieben worden. Sie wurden auf Busse und Polizeifahrzeuge geladen und sind Berichten zufolge in eine etwa vier Fahrstunden entfernte Flüchtlingseinrichtung in Sidoarjo in Ost-Java gebracht worden. Es ist unklar, wie lange sie dort untergebracht sein werden oder welche Art Unterstützung und Schutz sie von den Behörden erhalten.
Die Vertreibung fand statt, nachdem etwa 1000 Menschen, darunter auch ReligionsführerInnen und Studierende die an einer religiösen Veranstaltung teilgenommen hatten, einen Massenprotest außerhalb der Sportanlage organisiert hatten. Sie forderten die schiitische Gemeinschaft auf, das Grundstück zu verlassen. Die örtlichen Behörden hatten die Gemeinschaft schon zuvor eingeschüchtert und unter Druck gesetzt, um sie zur Umsiedelung zu bewegen. Die SchiitInnen hatten dies jedoch in der Hoffnung abgelehnt, sicher in ihre Häuser und zu ihrer Lebensgrundlage zurückkehren können.
In weniger als einem Jahr ist dies schon das zweite Mal, dass die Gemeinschaft rechtswidrig vertrieben worden ist. Im August 2012 war die Gemeinschaft aus ihren Häusern in Karang Gayam, einem Dorf im Regierungsbezirk Sampang auf der indonesischen Insel Madura durch den Angriff eines schiitenfeindlichen Mobs vertrieben worden. Seither hatten sie in Behelfsunterkünften in Sampang gewohnt und wurden von örtlichen Behörden daran gehindert, in ihr Dorf zurückzukehren.
Im Mai 2012 hatte die indonesische Regierung im Rahmen der Universellen Regelmäßigen Überprüfung (Universal Periodic Review) durch den UN-Menschenrechtsrat ihre Absicht, den Schutz der Religionsfreiheit sicherzustellen und Fällen der religiösen Intoleranz nachzugehen, nochmals bestätigt. Dennoch sind religiöse Minderheiten in Indonesien, u.a. die Glaubensgemeinschaften der Schiiten, Ahmadiyya und Christen, noch immer Drangsalierungen, Einschüchterungen und Übergriffen ausgesetzt. Diejenigen, die gewaltsam gegen religiöse Minderheiten vorgehen, werden nur selten bestraft. Einige Gemeinschaften wurden durch solche Übergriffe bereits vertrieben.
Die schiitische Gemeinde auf der Insel Madura war in der Vergangenheit bereits Einschüchterungen und Angriffen ausgesetzt. Am 29. Dezember wurden eine religiöse Stätte, ein Internat und mehrere Häuser in der Umgebung in Brand gesetzt. Die Polizei ergriff keine geeigneten Maßnahmen, um die Gemeinschaft zu schützen. Statt einzuschreiten und den Angriff abzuwehren, filmten einige BeamtInnen ihn mit ihrem Mobiltelefon. Schließlich wurde nur eine Person aufgrund der Angriffe angeklagt und zu drei Monaten Haft verurteilt. Nach dem Angriff auf die schiitische Gemeinschaft im August 2012 erhielten fünf Personen im Zusammenhang mit dem Angriff Haftstrafen zwischen 8 Monaten und vier Jahren. Eine sechste Person wurde freigesprochen.
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(Anrede: Dear Minister / Sehr geehrter Herr Minister)
Fax: (00 62) 21 345 0918
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Weitere Informationen zu UA-336/2012 (ASA 21/002/2013, 15. Januar 2013, ASA 21/043/2012, 26. November 2012, ASA 21/014/2013, 15. Mai 2013)
Im Januar 2013 erzählten die Behörden von Sampang und Ost-Java der Gemeinschaft, dass sie zum sunnitischen Islam konvertieren müssten, wenn sie in ihre Häuser zurückkehren wollten. Sollten sie dies nicht tun, würden sie gewaltsam in einen anderen Teil der Provinz oder außerhalb der Java-Insel umgesiedelt werden. Seit Anfang März 2013 wurde der vertriebenen Gemeinschaft der Zugang zu dem zuvor von den Behörden zur Verfügung gestellten sauberen Wasser und Essen unterbunden.
Im Juli 2012 wurde Tajul Muluk, ein religiöser Führer der SchiitInnen, festgenommen und vom Bezirksgericht von Sampang nach Artikel 156 (a) des Indonesischen Strafgesetzbuches wegen Blasphemie zu zwei Jahren Haft verurteilt. Seine Inhaftierung erfolgte nach Berichten, dass die Abteilung des indonesischen Ulema-Rats (MUI) in Sampang im Januar 2012 im Zusammenhang mit Tajul Muluks "abweichenden Lehren" eine Fatwa (religiöses Dekret) ausgerufen hatte. Das Hohe Gericht von Ost-Java hat seine Strafe in einem Rechtsmittelverfahren im September auf vier Jahre erhöht. Er ist ein gewaltloser politischer Gefangener.
Die indonesische Verfassung garantiert jedem Bürger das Recht auf Religionsfreiheit. Indonesien ist Vertragsstaat des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (IPBPR). In Artikel 18 heißt es "dieses Recht umfasst die Freiheit, eine Religion oder eine Weltanschauung eigener Wahl zu haben oder anzunehmen (.)" und "niemand darf einem Zwang ausgesetzt werden, der seine Freiheit, eine Religion oder eine Weltanschauung seiner Wahl zu haben oder anzunehmen, beeinträchtigen würde".
Indonesien ist Vertragsstaat des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, gesellschaftliche und kulturelle Rechte (International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights - ICESCR) und somit ist die indonesische Regierung verpflichtet, sicherzustellen, dass jeder Einzelne sein Recht auf angemessene Unterbringung (Artikel 11.1) sowie sein Recht auf ein größtmögliches Maß an körperlicher und seelischer Gesundheit (Artikel 12) wahrnehmen kann.
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Quelle:
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UA-Nr: UA-336/2012-3, AI-Index: ASA 21/022/2013, Datum: 21. Juni 2013 - ek
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Juni 2013