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AKTION/1541: Urgent Action - Ukraine, Aktivistin weiter in psychiatrischer Zwangsbehandlung


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-177/2013-1, AI-Index: EUR 50/011/2013, Datum: 18. Juli 2013 - we

Ukraine
Weiter in psychiatrischer Zwangsbehandlung



Frau RAISA RADCHENKO, 70 Jahre
Frau DARYNA RADCHENKO

Die ukrainische Menschenrechtsaktivistin Raisa Radchenko wird trotz großen öffentlichen Interesses noch immer gegen ihren Willen in einer psychiatrischen Klinik festgehalten. Die Eilaktion zu ihrem Fall hat die Behörden bereits unter Druck gesetzt und gezwungen, zu reagieren. Es ist jedoch weiterer Einsatz notwendig, um ihre Freilassung und eine psychiatrische Untersuchung außerhalb der Region Zaporizhzhya zu erwirken.

Raisa Radchenko wurde am 11. Juli von der Polizei festgenommen und in die psychiatrische Klinik der Region Zaporizhzhya (Saporischschja) gebracht. Es ist nicht bekannt, dass Raisa Radchenko jemals an psychischen Erkrankungen gelitten hätte. Nach ihrer Zwangseinweisung wurde sie einer psychiatrischen Behandlung unterzogen, ohne dass eine gerichtliche Genehmigung für eine solche Zwangsbehandlung vorlag. Am 15. Juli ordnete ein Gericht dann die stationäre psychiatrische Behandlung von Raisa Radchenko an und begründete dies damit, dass sie ein Verhalten aufweise, das "eine Gefahr für die Gesellschaft darstelle".

Am 16. Juli suchten zwei PolizeibeamtInnen und ein/e VertreterIn des Bezirksjugendamts die Tochter von Raisa Radchenko, Daryna Radchenko, auf. Man sagte ihr, dass ein anonymer Anruf wegen möglichen Kindesmissbrauchs bei den Behörden eingegangen sei. Weiterhin erklärten sie, dass eine Überprüfung der Wohnung durchgeführt werde, um zu entscheiden, ob ihr fünfjähriger Sohn in Pflege gegeben werden müsse.

Die Eilaktion, die Amnesty International am 15. Juli zu dem Fall von Raisa Radchenko veröffentlichte, hat sowohl die ukrainischen Medien als auch internationale Institutionen auf das Schicksal der Menschenrechtlerin aufmerksam gemacht. Die Regierungsbehörden der Ukraine haben in der Folge bereits erste Reaktionen gezeigt. Am 17. Juli reiste eine Delegation des Büros der Ombudsperson in die Region Zaporizhzhya und traf sich dort mit allen Beteiligten, einschließlich Raisa Radchenko selbst. Am selben Tag gab der Gouverneur der Region Zaporizhzhya bekannt, dass er sich persönlich um den Fall der Menschenrechtlerin kümmern werde. Die Pressestelle der Polizeibehörde in Zaporizhzhya kündigte zudem an, dass gegen die beiden PolizistInnen, die Daryna Radchenko in Zusammenhang mit der Anzeige wegen Kindesmissbrauchs aufgesucht hatten, Disziplinarmaßnahmen eingeleitet worden seien. Trotz all dieser Maßnahmen befindet sich Raisa Radchenko noch immer in psychiatrischer Zwangsbehandlung.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Raisa Radchenko ist Mitglied mehrerer Bürgerverbände in Zaporizhzhya in der Ukraine und setzt sich gegen die dortige Korruption und Menschenrechtsverletzungen durch die Polizei ein, indem sie MitbürgerInnen unterstützt, die versuchen, ihre Rechte einzufordern. Anfang Juni reiste sie in die Hauptstadt Kiew, um der Generalstaatsanwaltschaft und der Präsidialverwaltung Petitionen von Menschen aus Zaporizhzhya zu übergeben. Zuvor hatte sie bereits eine Petition organisiert, die den Rücktritt des Bürgermeisters von Zaporizhzhya fordert.

Daryna Radchenko, die Tochter von Raisa Radchenko, berichtete Amnesty International, am 10. Juli seien zwei PolizeibeamtInnen und ein/e PsychiaterIn zu ihnen nach Hause gekommen und haben Raisa Radchenko darüber in Kenntnis gesetzt, dass sie laut Gerichtsbeschluss stationär einer psychiatrischen Untersuchung unterzogen werden solle. Es ist nicht bekannt, dass Raisa Radchenko jemals an psychischen Erkrankungen gelitten hätte. Raisa Radchenko weigerte sich, die Tür zu öffnen, da die PolizeibeamtInnen und der/die PsychiaterIn keine Dokumente vorlegen konnten, die den Gerichtsbeschluss bestätigten. Am 11. Juli begab sie sich mit ihrer Tochter und ihrem fünfjährigen Enkel zum Bezirksgericht Lenin, um nähere Informationen zu dem Vorfall zu erhalten. Daryna Radchenko berichtete, dass bis zu 30 PolizeibeamtInnen ihre Mutter umgehend festnahmen und auch sie und ihren Sohn festhielten. Daryna Radchenko trug dadurch Blutergüsse an den Armen davon. Am darauffolgenden Tag traf Daryna Radchenko sich mit dem Chefarzt der psychiatrischen Klinik in Zaporizhzhya. Er setzte sie darüber in Kenntnis, dass der Gerichtsbeschluss aufgrund der Aussage zweier Reinigungskräfte zustande gekommen sei, die in Raisa Radchenkos Wohnblock arbeiten und sie des unsozialen Verhaltens beschuldigt hätten. Erst daraufhin wurde Daryna Radchenko eine Kopie des Gerichtsbeschlusses vorgelegt, in dem eine stationäre psychiatrische Beurteilung angeordnet wird.


SCHREIBEN SIE BITTE

E-MAILS, FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Ich fordere Sie auf, Raisa Radchenko sofort freizulassen und eine psychiatrische Untersuchung außerhalb der Region Zaporizhzhya und im Beisein eines Psychiaters der Psychiatrischen Vereinigung der Ukraine zu ermöglichen, um die Unparteilichkeit der Untersuchung zu gewährleisten.
  • Ich möchte die ukrainischen Behörden an ihre Verpflichtung erinnern, zu gewährleisten, dass MenschenrechtsverteidigerInnen ihre Tätigkeit uneingeschränkt wahrnehmen können und dass die ukrainischen Behörden sie darüber hinaus gemäß der UN-Erklärung zum Schutz von MenschenrechtsverteidigerInnen aus dem Jahr 1999 vor Gewalttätigkeiten, Drohungen und Repressalien zu schützen haben.
  • Leiten Sie bitte zudem eine Untersuchung der mutmaßlichen Misshandlung von Daryna Radchenko und Raisa Radchenko durch PolizeibeamtInnen ein.

APPELLE AN

GOUVERNEUR DER REGION ZAPORIZHZHYA
Alexander Peklushenko
Prospekt Lenina 164
Zaporizhzhya, UKRAINE
(Anrede: Dear Alexander Peklushenko / Sehr geehrter Herr Peklushenko)
Fax: (00 380) 61 224 61 23
E-Mail: adm@zoda.gov.ua

GENERALSTAATSANWALT
Viktor Pshonka
Vul Riznitska 13/15
01601 Kyiv, UKRAINE
(Anrede: Dear General Prosecutor / Sehr geehrter Herr Generalstaatsanwalt)
Fax: (00 380) 44 280 2851

OMBUDSFRAU
Valeriya Lutkowska
Vul Instytutska 21/8
01008 Kyiv, UKRAINE
(Anrede: Dear Ombudsman / Sehr geehrte Frau Lutkowska)
E-Mail: omb@ombudsman.kiev.ua


KOPIEN AN

BOTSCHAFT DER UKRAINE
S. E. Herrn Pavlo Klimkin
Albrechtstraße 26
10117 Berlin
Fax: 030-2888 7163
E-Mail: emb_de@mfa.gov.ua oder
ukremb@ukrainische-botschaft.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Russisch, Ukrainisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 29. August 2013 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY
  • Asking for Raisa Radchenko to be immediately released and given a psychiatric examination outside the Zaporizhya Region to ensure impartiality, with the participation of a psychiatrist from the Ukrainian Psychiatric Association.
  • Reminding the authorities that they have an obligation not only to ensure that human rights defenders can carry out their activities unhindered but also to protect them against any violence, threats, or retaliation in conformity with the UN Declaration on Human Rights Defenders (1999).
  • Asking for an investigation into the alleged ill-treatment of Daryna Radchenko and Raisa Radchenko by police officers.

*

Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-177/2013-1, AI-Index: EUR 50/011/2013, Datum: 18. Juli 2013 - we
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Juli 2013