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AKTION/1768: Urgent Action - Turkmenistan, drohende Folter


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-097/2014, AI-Index: EUR 61/002/2014, Datum: 23. April 2014 - ar

Turkmenistan
Drohende Folter



MANSUR MINGELOV, 39-jähriger Belutsche

Dem turkmenischen Staatsbürger Mansur Mingelov aus Belutschistan droht unmittelbar die Überstellung in das Ovadan-Depe-Gefängnis. In der Vergangenheit ist er dort regelmäßig geschlagen worden. Der 39-jährige Mansur Mingelov verbüßt derzeit eine 22-jährige Freiheitsstrafe im Gefängnis LBK/11 in Seidi in der Provinz Lebap im Nordosten von Turkmenistan. Mansur Mingelov wurde am 6. Juni 2012 in Verbindung mit einer Strafsache, die seinen Bruder betraf, festgenommen. Sein Bruder war einen Tag zuvor festgenommen worden. Mansur Mingelov soll am Tag seiner Festnahme von Angehörigen des Staatsdienstes für die Sicherheit und den Schutz einer gesunden turkmenischen Gesellschaft (State Service for Security Protection of Healthy Society of Turkmenistan), dem ehemaligen staatlichen Drogenbekämpfungsdienst, geschlagen worden sein. Er wurde zudem Zeuge, wie sein Bruder während des Verhörs von Sicherheitskräften geschlagen wurde. Beide Männer wurden in einem unfairen Verfahren am 10. September 2012 zu Haftstrafen verurteilt. Ihnen wird vorgeworfen, Minderjährige in unangemessene Handlungen involviert, pornografisches Material hergestellt und verteilt sowie gemäß den Paragrafen 156,164, 254 und 292 des turkmenischen Strafgesetzbuchs Drogen geschmuggelt, hergestellt oder vertrieben zu haben.

Vertraulichen Quellen zufolge weist Mansur Mingelov alle Vorwürfe von sich und beteuert seine Unschuld. Seinen Angaben zufolge traf er den ihm von staatlicher Seite zugewiesenen Rechtsbeistand nur zweimal - nach ihrem ersten Treffen erst wieder bei der Gerichtsverhandlung. Während seiner Untersuchungshaft und im Laufe des Prozesses durfte Mansur Mingelov weder seine Familienangehörigen anrufen noch den Rechtsbeistand wechseln. Nach seiner Festnahme wurde er gegen seinen Willen für 15 Tage in ein Drogenrehabilitationszentrum verlegt. Am 22. Juni 2012 wurde er entlassen und legte bei der Generalstaatsanwaltschaft und dem turkmenischen Präsidenten Beschwerde gegen die Folter und Misshandlung seines Bruders ein. Dies führte zur Entlassung zweier PolizeibeamtInnen. Zwischen dem 25. Juni und dem 2. August 2012 - als er erneut festgenommen wurde - sammelte Mansur Mingelov Beweise dafür, dass auch andere Personen gefoltert und misshandelt wurden. Bei den meisten der mutmaßlichen Opfer handelt es sich um Belutschen aus der Provinz Mary wela.aty im Südosten Turkmenistans.

Als Teil seiner Strafe musste Mansur Mingelov ein Jahr Haft in einem Hochsicherheitsgefängnis ableisten. Er verbüßte dieses Jahr im Hochsicherheitsgefängnis Ovadan-Depe und wurde am 6. August 2013 in ein Gefängnis in Seidi verlegt. Berichten zufolge wurde er im Ovadan-Depe-Gefängnis regelmäßig geschlagen. Am 11. April erfuhr Mansur Mingelov von GefängniswärterInnen, dass ihm eine erneute Überstellung ins Ovadan-Depe-Gefängnis bevorstehe. Dies war in seinem ursprünglichen Strafmaß nicht vorgesehen.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Mansur Mingelov hat bisher elf Fälle von Folter und anderer Misshandlung dokumentiert, die Angehörige der Gemeinschaft der ethnischen Belutschen in der Provinz Mary wela.aty betreffen. Die Informationen zu den Fällen brannte er auf CDs und schickte diese an die US-amerikanische Botschaft in der turkmenischen Hauptstadt Asgabat sowie an die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und die Generalstaatsanwaltschaft. Mansur Mingelov zufolge erheben die Betroffenen unter anderem folgende Anschuldigungen gegen Angehörige der Sicherheitskräfte: Folter oder andere Misshandlung durch Traktieren der Knochen mit dem Meißel, Ziehen des Hodensacks mit einer Kneifzange, Elektroschocks sowie Prügel unter Einsatz von Stuhlbeinen und Plastikflaschen. Mansur Mingelov berichtet zudem, beim Staatsdienst für die Sicherheit und den Schutz einer gesunden turkmenischen Gesellschaft in Asgabat einen Kasten mit Werkzeug gesehen zu haben, das speziell für Folterungen gedacht ist.

Einige turkmenische MenschenrechtsverteidigerInnen und JournalistInnen im Exil haben angegeben, dass Folter und Misshandlung in Turkmenistan ein sehr großes Problem ist. Es herrscht jedoch ein Klima der Angst, so dass kaum jemand Fälle von Folter oder Misshandlung in Haft anzeigt oder nach der Entlassung aus dem Gefängnis darüber spricht.

Amnesty International hat zuverlässige Berichte erhalten, dass Gefangene mit lebenslänglichen Haftstrafen über lange Zeit an den Händen und/oder Füßen gefesselt und regelmäßig geschlagen werden. Dem Turkmenischen Helsinki-Komitee sowie im Exil lebenden MenschenrechtsverteidigerInnen zufolge wurden bestimmte Bereiche des Hochsicherheitsgefängnisses Ovadan-Depe, die für politische Gefangene gedacht sind, bewusst nur mit einer Höhe von 1,50 m errichtet, damit die Insassen nicht aufrecht stehen können. Die turkmenischen Behörden haben bisher nicht auf wiederholte Forderungen der internationalen Gemeinschaft reagiert, die Lebensbedingungen in dieser Hafteinrichtung zu verbessern und internationalen Beobachtern Zugang zu dem Gefängnis zu gestatten.


SCHREIBEN SIE BITTE

LUFTPOSTBRIEFE UND FAXE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Bitte verlegen Sie Mansur Mingelov nicht in das Ovadan-Depe-Gefängnis.
  • Veranlassen Sie bitte umgehend ein Wiederaufnahmeverfahren für Mansur Mingelov, das den internationalen Standards für faire Verfahren entspricht. Hierzu zählt auch der Zugang zu einem Rechtsbeistand seiner Wahl.
  • Leiten Sie bitte unverzüglich eine unparteiische und wirksame Untersuchung aller Foltervorwürfe ein und stellen Sie alle für Folter oder Misshandlung Verantwortlichen vor Gericht.
  • Ich bitte Sie eindringlich, Ihren Verpflichtungen gemäß den internationalen Standards zum Schutz der Menschenrechte nachzukommen, hierzu zählt auch das Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe. Demnach sind Sie verpflichtet, sicherzustellen, dass in Turkmenistan niemand gefoltert oder anderweitig misshandelt wird.

APPELLE AN

GENERALSTAATSANWALT
Yaranmyrat Yazmyradov
Ul. 2005 (Seidi) 4
744000 Ashgabat, TURKMENISTAN
(Anrede: Dear Prosecutor General / Sehr geehrter Herr Generalstaatsanwalt)

PRÄSIDENT
Gurbanguly Berdymukhamedov
Presidential Palace, 744000 Ashgabat, TURKMENISTAN
(Anrede: Dear President / Sehr geehrter Herr Präsident)
Fax: (00 993) 12 93 51 12
(bitte faxen Sie zwischen 12.00 und 17.00 Uhr MESZ)


KOPIEN AN

INNENMINISTER
Isgender Mulikov
Ul. 2033 (pr. Mahtumkuli) 85
744000 Ashgabat, TURKMENISTAN
Fax: (00 993) 12 39 1944 (bitte faxen Sie zwischen 12.00 und 17.00 Uhr MESZ)

BOTSCHAFT VON TURKMENISTAN
Herr Annamammet Annayev
Geschäftsträger a.i., Botschaftsrat
Langobardenallee 14, 14052 Berlin
Fax: 030-3010 2453
E-Mail: info@botschaft-turkmenistan.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Turkmenisch, Russisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 4. Mai 2014 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY:
  • Urging the authorities not to transfer Mansur Mingelov to Ovadan-Depe prison.
  • Calling on the authorities to instigate a prompt retrial of Mansur Mingelov in line with international fair trial standards, including allowing him access to a lawyer of his choice.
  • Urging the authorities to initiate a prompt, impartial and effective investigation into all allegations of torture and that any State Drug Control Service officers found responsible for torture and/or ill-treatment are brought to justice.
  • Calling on the authorities to respect their obligations under international human rights law, including under the UN Convention against Torture and Other Cruel, Inhuman or Degrading Treatment or Punishment, to ensure that no persons is subjected to torture and other ill-treatment.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN - FORTSETZUNG

Soweit bekannt, wurde in Turkmenistan noch nie jemand für den Straftatbestand der Folter strafrechtlich verfolgt. Auch gab es noch nie einen Fall, in dem durch Folter oder andere Misshandlung erlangte Beweise vor Gericht nicht zugelassen worden wären. Der UN-Ausschuss gegen Folter merkte in seinen abschließenden Beobachtungen zu Turkmenistan an, dass "das Fehlen umfassender und aufgeschlüsselter Daten zu Beschwerden, Untersuchungen, Strafverfolgungen und Verurteilungen in Fällen von Folter und Misshandlung durch Ordnungskräfte ein Erkennen möglicher Missbrauchsmuster, die beseitigt werden müssten, stark erschwert". Der Ausschuss empfahl daher den turkmenischen Behörden, klare statistische Daten zu sammeln und zu veröffentlichen.

Amnesty International hat in den vergangenen zehn Jahren Berichte über Folter und andere Misshandlungen in Turkmenistan erhalten, die unter anderem folgende Methoden enthielten: das Einführen von Nadeln unter die Fingernägel; Elektroschocks; Erstickung mittels einer Plastiktüte oder Gasmaske ohne Luftzufuhr; sexuelle Gewalt; gewaltsame Verabreichung psychotroper Substanzen; Schläge mit Schlagstöcken, Knüppeln oder mit Wasser gefüllten Plastikflaschen; Faustschläge; Tritte; Vorenthalten von Essen und Trinken; sowie das Aussetzen extremer Kälte. In jüngster Zeit hat Amnesty International zudem Berichte über Schläge, Vergewaltigungen und die gewaltsame Verabreichung von Drogen in Gefängnissen erhalten.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in der Vergangenheit bereits auf zahlreiche und durchgehend glaubwürdige Berichte über Folter und andere Misshandlungen von Strafverdächtigen durch Sicherheitskräfte in Turkmenistan hingewiesen. Im Jahr 2008 entschied der Gerichtshof im Fall Ryabikin gegen Russland, dass der Beschwerdeführer, ein russischstämmiger turkmenischer Staatsbürger, bei einer Rückführung nach Turkmenistan Gefahr laufen würde, gefoltert oder anderweitig misshandelt zu werden. Grund hierfür sei zum Teil seine ethnische Herkunft. In Turkmenistan, so das Gericht, würde ihm eine lange Inhaftierung unter schlechten Bedingungen und möglicherweise ohne Kontakt zur Außenwelt drohen.

Der UN-Ausschuss gegen Folter drückte in seinen abschließenden Beobachtungen vom Juni 2011 Besorgnis über Berichte aus, dass grundlegende Schutzmechanismen gegen Folter wie beispielsweise das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand unmittelbar nach der Festnahme nicht eingehalten werden.

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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-097/2014, AI-Index: EUR 61/002/2014, Datum: 23. April 2014 - ar
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Mai 2014