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AKTION/543: Urgent Action - Ukraine - Ohne medizinische Versorgung


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-037/2011, AI-Index: EUR 50/002/2011, Datum: 21. Feb 2011

UKRAINE
Ohne medizinische Versorgung


MAMUKA SAMUSHIA, Untersuchungsgefangener

Der schwer erkrankte georgische Staatsbürger Mamuka Samushia wird in einem Untersuchungsgefängnis in der Ukraine ohne Zugang zu lebenswichtiger medizinischer Versorgung in Haft gehalten. Sein Antrag auf Verlegung in ein Krankenhaus wurde am 18. Februar von einem Richter abgewiesen.

Mamuka Samushia befindet sich unter der Anklage des Einbruchdiebstahls seit nunmehr zwei Jahren im Untersuchungsgefängnis Nr. 13 in Kiew in Haft. Nach Angaben des medizinischen Leiters des Gefängnisses ist bei dem Häftling eine große Zyste an der Bauchspeicheldrüse festgestellt worden, durch die sich in den zurückliegenden Wochen sein Gesundheitszustand erheblich verschlechtert hat. Am 18. Februar traf Mamuka Samushia im Gerichtssaal mit seinem Rechtsanwalt, einem Übersetzer und zwei weiteren Anwälten zusammen, die übereinstimmend erklärten, seit dem letzten gemeinsamen Treffen vor wenigen Wochen habe sich der Gesundheitszustand des Gefangenen dramatisch verschlechtert. Die Zyste verursacht bei Mamuka Samushia ständige Magenschmerzen. Er kann keine Nahrung mehr zu sich nehmen, weder sitzen noch aufrecht stehen, erbricht Blut und scheidet über den Darm Blut aus. Der leitende Gefängnisarzt befürchtet, dass es sich um ein bösartiges Geschwür handelt. Er hat Sorge, dass die Zyste reißen und eine Blutinfektion oder Blutvergiftung auslösen könnte. Mamuka Samushia ist seit November 2010 im Krankentrakt des Gefängnisses untergebracht. Der Trakt verfügt jedoch lediglich über eine medizinische Grundausstattung, so dass eine angemessene Behandlung von Mamuka Samushia nicht möglich ist. Der Gefangene muss dringend untersucht und medizinisch versorgt werden.

Am 7. April 2010 war Tamaz Kardava, ein Insasse des Untersuchungsgefängnisses Nr. 13 an akutem Leberversagen gestorben. Die Anklage gegen ihn hatte ebenfalls auf Einbruchsdiebstahl gelautet. Derselbe Richter, der Mamuka Samushia medizinische Versorgung verweigert, hatte auch Tamaz Kardava keine ärztliche Behandlung zugestanden (siehe UA-075/2010, 1. April 2010). Die Verweigerung medizinischer Versorgung kann den Tatbestand der Folter oder anderweitiger Misshandlung erfüllen. So hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Verfahren Melnik gegen die Ukraine (Beschwerde-Nr. 72286/01, 28. März 2006) entschieden, dass aufgrund nicht angemessener medizinischer Versorgung des Gefangenen ein Verstoß gegen Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (Verbot der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung) vorliegt. In den UN-Mindestgrundsätzen für die Behandlung von Gefangenen heißt es unter Punkt 22(2): "Kranke Gefangene, die fachärztlicher Behandlung bedürfen, sind in darauf spezialisierte Vollzugsanstalten oder in öffentliche Krankenhäuser einzuliefern".


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Nach Angaben der Strafvollzugsbehörde sind 2010 in der Ukraine 739 Menschen in der Haft ums Leben gekommen. Nichtregierungsorganisationen (NGOs) schätzen, dass mehr als die Hälfte der Todesfälle auf mangelnde oder unsachgemäße medizinische Behandlung zurückzuführen ist. Weitere 50 Menschen starben im Gewahrsam örtlicher Polizeidienststellen.

Die fehlende oder nicht ausreichende medizinische Versorgung von Gefangenen in ukrainischen Haftanstalten ist von Amnesty schon in den vergangenen Jahren thematisiert worden. Örtliche NGOs und RechtsanwältInnen sprechen von weitverbreiteten Missständen, gegen die es nach ihrer Auskunft keine wirksamen Rechtsmittel gibt. In einem Treffen vom Januar 2010 mit VertreterInnen der Strafvollzugsbehörde wurde Delegierten von Amnesty International mitgeteilt, dass die Vollzugseinrichtungen und Gefängniskrankenhäuser wegen des engen finanziellen Spielraums nur mit den notwendigsten Medikamenten zur Behandlung gängiger Krankheiten ausgestattet seien.


EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE FAXE, E-MAILS ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

- Ich bin bestürzt über den schlechten Gesundheitszustand des Untersuchungshäftlings Mamuka Samushia und nehme mit Sorge zur Kenntnis, dass der Untersuchungshäftling Tamaz Kardava am 7. April 2010 aufgrund nicht ausreichender medizinischer Versorgung in Untersuchungshaft gestorben ist.

- Bitte tragen Sie Sorge dafür, dass Mamuka Samushia unverzüglich in ein Krankenhaus außerhalb des Strafvollzugs eingeliefert wird, damit er angemessene medizinische Versorgung erfährt.

- Ich möchte Sie daran erinnern, dass Ihnen aus den UN-Mindestgrundsätzen für die Behandlung von Gefangenen die Verpflichtung erwächst sicherzustellen, dass inhaftierte Personen notwendige medizinische Versorgung erhalten.


APPELLE AN

GENERALSTAATSANWALT
Viktor Pshonka
Vul.Riznitska 13/15
01601 Kyiv, UKRAINE
(korrekte Anrede: Dear Prosecutor)
Fax: (00380) 44 280 2851

LEITER DER STRAFVOLLZUGSBEHÖRDEN
Oleksandr Lysytskov
Vul. Melnikova 81
04050 Kyiv, UKRAINE
(korrekte Anrede: Dear Oleksandr Lysytskov)
Fax: (00 380) 44 461 8600
E-Mail: reception@kvs.gov.ua


KOPIEN AN

OMBUSPERSON
Nina Karpachova
Vul Instytutska 21/8
01008 Kyiv, UKRAINE
E-Mail: omb@ombudsman.kiev.ua

BOTSCHAFT DER UKRAINE
I.E. Frau Nataliia Zarudna
Albrechtstraße 26
10117 Berlin
Fax: 030-2888 7163
E-Mail: ukremb@t-online.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Russisch, Ukrainisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 4. April 2011 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY

- Expressing concern for remand prisoner Mamuka Samushia, and noting that another remand prisoner, Tamaz Kardava, died on 7 April 2010 as a result of being denied adequate medical treatment;

- Urging the authorities to ensure that Mamuka Samushia is immediately moved to a hospital outside the prison system, so he can receive adequate medical treatment;

- Reminding the authorities that they are obliged by the UN Standard Minimum Rules for the Treatment of Prisoners to ensure that detainees can receive all necessary medical care.


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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-037/2011, AI-Index: EUR 50/002/2011, Datum: 21. Feb 2011
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
Greifswalder Str. 4, 10405 Berlin
Telefon: 030/42 02 48-306
Fax: 030/42 02 48 - 330
E-Mail: presse@amnesty.de
Internet: www.amnesty.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Februar 2011