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AKTION/642: Urgent Action - Vereinigte Arabische Emirate - Ein Aktivist frei, weitere noch in Haft


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-111/2011-2, AI-Index: MDE 25/003/2011, Datum: 28. April 2011 - pn

Vereinigte Arabische Emirate
Freilassung eines Aktivisten - viele weitere noch in Haft

Weitere Informationen zu UA-111/2011 (MDE 25/001/2011, 13. April 2011 und MDE 25/002/2011, 20.April 2011)


Freigelassen:
Herr FAHAD SALEM AL-SHEHHI, Blogger

Weiterhin in Haft:
AHMAD MANSOOR, Blogger
NASSER BIN GHAITH, Wirtschaftswissenschaftler
FAHAD SALIM DALK, Blogger
HASSAN ALI AL-KHAMIS, Blogger
AHMED ABDUL KHALEQ, Blogger

Der am 10. April festgenommene zivilgesellschaftlich engagierte Blogger Fahad Salem al-Shehhi wurde am 17. April freigelassen. Das harte Vorgehen der Emiratsbehörden hält jedoch an. Sie haben drei weitere Blogger in Haft genommen. Auch der Wirtschaftswissenschaftler Nasser bin Ghaith und der Blogger Ahmad Mansoor, die jeweils am 8. und am 10. April festgenommen wurden, befinden sich in Abu Dhabi weiterhin in Gewahrsam. Amnesty International geht davon aus, dass es sich bei den fünf Männern um gewaltlose politische Gefangene handelt.

Der zivilgesellschaftlich engagierte Blogger Fahad Salem al-Shehhi, der am 10. April in seiner Wohnung im Emirat Ajman festgenommen wurde, ist seit dem 17. April wieder frei. Zwischen dem 22. und dem 25. April wurden jedoch die Blogger Fahad Salim Dalk, Hassan Ali al-Khamis und Ahmed Abdul Khaleq festgenommen. Vermutlich ist ihre Mitarbeit am Internetforum www.uaehewar.net, das in den Vereinigten Arabischen Emiraten verboten ist, der Grund für ihre Inhaftierung. Berichten der Nachrichtenagentur Reuters zufolge äußerte sich der Generalstaatsanwalt der Vereinigten Arabischen Emirate am 25. April dahingehend, dass die drei Blogger sowie Ahmad Mansoor und Nasser bin Ghaith in Sicherungsverwahrung genommen worden seien. Gegen die Männer werde wegen "Gefährdung der nationalen Sicherheit" und "Beleidigung von führenden Mitgliedern der Regierung" ermittelt. Amnesty International liegen keine näheren Informationen zu den Festnahmen vor.

Der Aktivist Ahmad Mansoors wird ebenfalls mit dem Internetforum www.uaehewar.net in Verbindung gebracht; er wurde am 8. April in Abu Dhabi in Haft genommen. Seinem Anwalt zufolge wollte man von ihm wissen, aus welchem Grund er es zugelassen habe, dass in das Forum Äußerungen eingestellt wurden, die sich gegen den Präsidenten der Vereinigten Arabischen Emirate und gegen die nationale Sicherheit richteten. Am 10. April wurde der Wirtschaftwissenschaftler Nassar bin Ghaith in Dubai festgenommen. Auch er hatte Beiträge mit der Forderung nach politischen Reformen in den Vereinigten Arabischen Emiraten ins Internet eingestellt. Bisher sind keine Anklagen gegen die Männer bekannt.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Bei den Vereinigten Arabischen Emiraten handelt es sich um eine Föderation von sieben Emiraten. Jedes der Emirate wird von einem Emir regiert, der über uneingeschränkte Machtbefugnisse verfügt. Wahlen finden in den jeweiligen Emiraten nicht statt. Der Föderale Nationalrat mit seinen 40 Mitgliedern und seinem Sitz in Abu Dhabi wird zur Hälfte vom Nationalen Wahlausschuss gewählt, die übrigen 20 Mitglieder werden vom Staatspräsidenten bestimmt. Die Amtszeit der Nationalratsmitglieder beträgt zwei Jahre, und die nächste Wahl ist für September 2011 vorgesehen. Eine der wenigen Befugnisse des Nationalrats besteht darin, Gesetze der Föderation zu prüfen und zu ergänzen. Über ein Vetorecht gegen Gesetzesinitiativen verfügt er nicht. Es gibt keine politischen Parteien in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Politisch abweichende Meinungen werden nicht toleriert und die Rechte auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit sind stark eingeschränkt. Internetseiten wurden gesperrt und diejenigen, die sie erstellt haben, wegen Verleumdung strafrechtlich verfolgt.

Am 9. März wandten sich mehr als 130 politische und BürgerrechtsaktivistInnen der Vereinigten Arabischen Emirate mit einer Petition an den Staatspräsidenten, in der sie ihn aufriefen, allgemeine und direkte Wahlen einzuführen und dem gewählten Gremium gesetzgeberische Befugnisse zu übertragen. Ahmed Mansoor hatte die Initiative offen und vehement unterstützt und sich in einer Vielzahl von Interviews mit den Medien für einen solchen Weg ausgesprochen.


EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE E-MAILS, FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

- Ich begrüße die Freilassung von Fahad Salemal-Shehhi.

- Doch möchte ich an dieser Stelle meine Sorge über die Festnahme der Blogger Fahad Salim Dalk, Hassan Ali al-Khamis und Ahmed Abdul Khaleq, des Aktivisten Ahmad Mansoor und des Wirtschaftswissenschaftlers Nasser bin Ghaith zum Ausdruck bringen und Sie höflich auffordern, die Gründe für die Festnahme der Männer sowie ihren derzeitigen rechtlichen Status bekannt zu geben.

- Ich erwarte, dass die fünf Gefangenen umgehend und bedingungslos freigelassen werden, da es sich bei ihnen allem Anschein nach um gewaltlose politische Gefangene handelt, die sich nur deshalb in Haft befinden, weil sie ihren Überzeugungen in friedlicher Weise Ausdruck verliehen haben.

- Ich fordere Sie nachdrücklich auf, in Übereinstimmung mit internationalen Standards zum Schutz der Menschenrechte Einschränkungen der Rechte auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit aufzuheben.


APPELLE AN

STELLVERTRETENDER STAATSCHEF UND MINISTERPRÄSIDENT
Shaikh Mohammad bin Rashid Al-Maktoum
Co-Chair of the Higher National Security Council
Office of the Prime Minister
POB 2838 Dubai, VEREINIGTE ARABISCHE EMIRATE
(korrekte Anrede: Your Highness/ Eure Hoheit, Scheich Mohammad bin
Rashid Al-Maktoum)
Fax: (00 971) 4353 1974
E-Mail: über http://www.uaepm.ae/en/communicate/index.html
(1.* = Name; 2.* = Alter; 3.*= Staatsangehörigkeit; 4.* = Arbeitsplatz;
5.*= E-Mail; 6.*= Grund des Schreibens - wählen Sie "Suggestion";
7.*= Betreff; 8.*= Text)

INNENMINISTER Lt-General Sheikh Saif bin Zayed Al-Nahyan
Minister of Interior, Human Rights Directorate
POB 398, Abu Dhabi, VEREINIGTE ARABISCHE EMIRATE
(korrekte Anrede: Your Excellency/ Sehr geehrter Herr Inneminister)
Fax: (00 971) 4398 1119


KOPIEN AN

AUSSENMINISTER
Sheikh Abdullah bin Zayed Al Nahya
POB 1 Abu Dhabi
VEREINIGTE ARABISCHE EMIRATE
(korrekte Anrede: Your Excellency/Eure Hoheit, Scheich Abdullah bin
Zayed Al Nahya)
Fax: (00 971) 2444 7766

BOTSCHAFT DER VEREINIGTEN ARABISCHEN EMIRATE
S.E. Herrn Mohammed Ahmed Almahmoud
Hiroshimastraße 18-20
10785 Berlin
Fax: 030-5165 1900


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Arabisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 9. Juni 2011 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY

- Welcome the release of Fahad al-Shehhi.

- Express concern about the arrest and detention of bloggers Fahad Salim Dalk, Hassan Ali al-Khamis, Ahmed Abdul Khaleq, activist Ahmad Mansoor and economist Nasser bin Ghaith, requesting information about the reasons for their arrest and their current legal status.

- Call for the five detainees to be released immediately and unconditionally if, as it appears, they are prisoners of conscience who are being held solely on account of their peaceful expression of their beliefs.

- Call on the authorities to remove restrictions on the exercise of the right to freedom of expression, association and assembly, in line with international human rights law and standards.


WEITERE HINTERGRUNDINFORMATIONEN

In einer Erklärung vom 9. April gab die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch bekannt, dass Ahmed Mansoor dem Beratungsausschuss der Organisation für den Nahen Osten und Nordafrika angehört. In der Erklärung heißt es weiter, dass Human Rights Watch "auf einer Pressekonferenz vom 26. Januar in Dubai den Einsatz von Ahmed Mansour für die Förderung der Menschenrechte in den Emiraten gewürdigt und anerkannt hat"
(siehe http://www.hrw.org/en/news/2011/04/09/uae-government-detains-human-rights-defender?print).

Am 6. April unterzeichneten vier Nichtregierungsorganisationen aus den Vereinigten Arabischen Emiraten gemeinsam einen Offenen Brief, in dem sie sich für mehr Demokratie im Land aussprachen. Es handelt sich um die Vereinigung der Juristen, den Verband der Lehrer der Vereinigten Arabischen Emirate, die al-Shohooh-Gesellschaft für das nationale Erbe und den Verband der Universitätsdozenten. Am 21. April ordnete die Ministerin für Soziale Angelegenheiten, nachdem sie sich einige Tage zuvor mit den führenden Mitgliedern ihres Ministeriums beraten hatte, die Auflösung des Vorstands an, den die Vereinigung der Juristen gewählt hatte. Der Grund für diese Entscheidung sei der Offene Brief vom 6. April, erklärte sie. Die Ministerin ernannte daraufhin einen einstweiligen Vorstand für einen Zeitraum von sechs Monaten. Die anderen Nichtregierungsorganisationen, die den Offenen Brief unterzeichnet haben, dürften zwischen dem 26. und dem 28. April von den Behörden vorgeladen worden sein. Manche Organisationen fürchten, dass ihnen durch die erzwungene Auflösung ihres Vorstands effektiv die Schließung droht.

Der 38jährige Fahad Salemal-Shehhi wurde am 10. April gegen 19.00 Uhr in seiner Wohnung im Emirat Ajman festgenommen und Berichten zufolge am 17. April wieder freigelassen. Er ist ehemaliger Offizier aus dem Emirat Ra's al-Chaima und soll aufgrund seiner schlechten gesundheitlichen Verfassung freigelassen worden sein. Fahad Salemi-Shehhi leitet die al-Shohooh-Gesellschaft für das nationale Erbe. Laut eines Berichts der Nachrichtenagentur Reuters vom 25. April, der den Generalstaatsanwalt des Landes zitiert, wurden in den Vereinigten Arabischen Emiraten drei Blogger festgenommen. Sie befinden sich genau wie Ahmad Mansoor und Nasser bin Ghaith in Vorbeugehaft. Gegen die Blogger wird wegen "Störung der öffentlichen Ordnung" und wegen "Beleidigung des Präsidenten, des Ministerpräsidenten und des Kronprinzen von Abu Dhabi" ermittelt.

Nach Angaben eines für Ahmed Mansoor und Nassar bin Ghaith tätigen Rechtsanwalts wurde Ahmed Mansoor nicht zu den ungeöffneten Flaschen mit Alkoholika befragt, die man angeblich bei ihm zuhause gefunden hatte. Auch sei keiner der beiden Männer zu der Petition befragt worden, die sie gemeinsam mit vielen anderen Menschen im März 2011 unterzeichnet hatten.

Ahmed Mansoor und seinem Rechtsanwalt Abdelhamid al-Kumaitli sind über Facebook Morddrohungen zugegangen. Eine dieser Drohungen ist nach Auskunft von Human Rights Watch auf den 5. April datiert und lautet: "Ahmed Mansoor, Du bist ein toter Mann. Ich werde in jedem Haus nach Dir suchen, das schwöre ich. Ich schwöre bei Gott, dass ich Dich in Stücke zerteilen werde... Sollte nicht ich Dich niedermetzeln, werden meine Cousins Dir den Kopf abtrennen, Du Köter".

Nach bislang unbestätigten Meldungen aus den Emiraten läuft derzeit eine Verleumdungskampagne gegen Ahmed Mansoor und den ebenfalls zivilgesellschaftlich engagierten Menschenrechtsverteidiger Dr. Mohamed al-Mansoori. So sollen SMS in Umlauf gebracht worden sein, in denen beiden Männern Illoyalität gegenüber den Vereinigten Arabischen Emiraten, fehlender Patriotismus und Kritik am Präsidenten vorgeworfen werden. In anderen Texten ergeht offenbar der Aufruf an die Bevölkerung des Landes, bei der Staatsanwaltschaft Anzeige gegen Ahmed Mansoor und Dr. Mohamed al-Mansoori zu erstatten. Im Jahr 2009 äußerten die Behörden der Vereinigten Arabischen Emirate gegenüber dem UN-Menschenrechtsrat, dass für sie der Dialog mit der Zivilgesellschaft eine Priorität sei.


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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-111/2011-2, AI-Index: MDE 25/003/2011, Datum: 28. April 2011 - pn
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Internet: www.amnesty.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Mai 2011