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AKTION/693: Urgent Action - Syrien - Kurdischem Anwalt droht Folter


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-189/2011, AI-Index: MDE 24/027/2011, Datum: 17. Juni 2011 - pn

Syrien
Kurdischem Anwalt droht Folter


Herr SABRI MIRZA, 60 Jahre alt

Der politisch engagierte kurdische Menschenrechtsanwalt Sabri Mirza wird seit seiner Festnahme in der Stadt Qamischli im Norden Syriens am 13. Juni an einem unbekannten Ort in Haft gehalten. Ihm drohen Folter und andere Formen der Misshandlung. Er könnte ein gewaltloser politischer Gefangener sein, der einzig wegen der friedlichen Äußerung seiner politischen Ansichten in Haft gehalten wird. Sabri Mirza wurde am 13. Juni festgenommen und an Einsatzkräfte für politische Sicherheit überstellt, nachdem die örtliche Polizeibehörde in Qamischli ihn Berichten zufolge vorgeladen hatte, um über die Aufhebung seines anhaltenden Reiseverbots zu sprechen. Während man ihn auf der Polizeiwache festhielt, wurde ihm gestattet, einen Freund anzurufen, um diesen zu bitten, ihm Medikamenten gegen seine Diabeteserkrankung und seine Herzbeschwerden zu bringen. Sabri Mirza rief seinen Freund am 15. Juni gegen 4:00 Uhr morgens erneut an, um ihn darüber in Kenntnis zu setzen, dass die Sicherheitskräfte ihn unverzüglich in die Hauptstadt Damaskus bringen würden. Seither wird er ohne Kontakt zur Außenwelt an einem unbekannten Ort in Haft gehalten.

Die Anklagepunkte gegen Sabri Mirza sind ebenfalls unbekannt. Amnesty International geht davon aus, dass er aufgrund seiner leitenden Position innerhalb der verbotenen kurdischen Partei Yeketi zur Zielscheibe wurde. Nach Informationen aus parteiinternen Quellen heißt es, Sabri Mirza sei Mitverfasser eines an die syrischen Behörden adressierten Schreibens gewesen, in dem sie deren Bemühungen Gespräche mit kurdischen Parteien aufzunehmen, zurückwiesen. In dem Schreiben wurde betont, dass ein Dialog nur dann möglich sei, wenn die Sicherheitskräfte nicht mehr mit Gewalt gegen friedliche Demonstrierende vorgingen.

Sabri Mirza ist 60 Jahre alt, verheiratet und Vater von neun Kindern. Er ist ein bekannter Menschenrechtsanwalt, der regelmäßig kurdischen Aktivist_innen, die zur Zielscheibe der syrischen Behörden wurden, Rechtsbeistand leistete. Er nahm an den friedlichen Protesten teil, die in den vergangenen Monaten in Qamischli stattgefunden haben. Seine Festnahme und Inhaftierung könnte in Verbindung stehen mit dem harten Durchgreifen der Regierung gegen Protestierende und vermeintliche Oppositionelle. Angesichts der Berichte über Folter und Misshandlung in Gewahrsam steigt die Sorge um die Sicherheit von Sabri Mirza. Er leidet an Diabetes und Herzbeschwerden und benötigt medizinische Betreuung, regelmäßigen Zugang zu Medikamenten und spezielle Nahrung. Es ist nicht bekannt, ob er die nötigen Medikamente und eine auf seine Beschwerden abgestimmte Kost erhält.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Seit Mitte März gehen die Behörden in Syrien gewaltsam gegen Protestierende vor, die sich für politische Reformen aussprechen. Seitdem sollen über 1.000 Personen, darunter auch Kinder, getötet worden sein. Allem Anschein nach starben viele dieser Menschen durch Sicherheitskräfte, die scharfe Munition gegen friedliche Demonstrierende einsetzten, oder im Zuge von Militäreinsätzen, die die syrische Armee in einigen Städten durchführte. Tausende weitere Personen wurden bisher von Angehörigen der Armee und Sicherheitskräften festgenommen. Obwohl am 31. Mai eine "Generalamnestie" verkündet wurde, befindet sich ein beträchtlicher Teil der Festgenommenen nach wie vor ohne Kontakt zur Außenwelt in Haft. Für nähere Informationen (auf Englisch):
http://www.amnesty.org/en/news-and-updates/syria-must-release-all-prisoners-conscience-under-amnesty-2011-06-02

Zielscheibe der Festnahmen sind Personen, die die Proteste entweder organisiert oder öffentlich unterstützt haben sollen - egal, ob sie ihre Unterstützung auf öffentlichen Versammlungen, in den Medien, im Internet oder auf sonstige Weise ausdrücken. Unter den bislang Inhaftierten befinden sich Oppositionelle und Menschenrechtsverteidiger_innen, Imame und Journalist_innen. Aus Angst vor einer Festnahme müssen sich zahlreiche Oppositionelle und Menschenrechtsverteidiger_innen derzeit versteckt halten. Amnesty International geht davon aus, dass viele der Inhaftierten gewaltlose politische Gefangene sein könnten, die sich nur deshalb in Haft befinden, weil sie ihre Rechte auf freie Meinungsäußerung und Vereinigungsfreiheit wahrgenommen haben, indem sie die Proteste friedlich unterstützten oder sich daran beteiligten. Die Organisation hat von einigen vor kurzem freigelassenen Inhaftierten Berichte über Folter und andere Misshandlungen erhalten.


EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

- Ich möchte meine Sorge darüber zum Ausdruck bringen, dass Sabri Mirza an einem unbekannten Ort ohne Kontakt zur Außenwelt in Haft gehalten wird. Bitte geben Sie seinen Aufenthaltsort, den Grund für seine Festnahme und die rechtliche Grundlage dafür bekannt. Stellen Sie sicher, dass er vor Folter und anderen Misshandlungen geschützt wird, uneingeschränkten Kontakt zu seiner Familie und einem Rechtsbeistand seiner Wahl hat sowie Zugang zur nötigen medizinischen Behandlung erhält.

- Ich befürchte, dass Sabri Mirza einzig wegen der Wahrnehmung seines Rechts auf freie Meinungsäußerung inhaftiert ist, da er seine politischen Ansichten öffentlich geäußert hat. Sollte er tatsächlich einzig aus diesem Grund festgehalten werden, betrachtet Amnesty International ihn als gewaltlosen politischen Gefangenen und fordert seine umgehende und bedingungslose Freilassung.

- Stellen Sie sicher, dass die Aufenthaltsorte aller politischen Gefangenen bekannt gegeben werden und man sie weder foltert noch in anderer Weise misshandelt. Gewähren Sie ihnen zudem umgehend Zugang zu ihren Familien und Rechtsbeiständen ihrer Wahl.


APPELLE AN

STAATSPRÄSIDENT
Bashar al-Assad
Presidential Palace
al-Rashid Street, Damascus
SYRIEN
(korrekte Anrede: Your Excellency/Exzellenz)
Fax: (00 963) 11 332 3410

AUßENMINISTER
Walid al-Mu'allim
Ministry of Foreign Affairs
al-Rashid Street
Damascus
SYRIEN
(korrekte Anrede: Your Excellency/Exzellenz)
Fax: (00 963) 11 214 6251


KOPIEN AN

BOTSCHAFT DER ARABISCHEN REPUBLIK SYRIEN
S.E. Herrn Radwan Loutfi
Rauchstr. 25
10787 Berlin
Fax: 030-5017 7311
E-Mail: info@syrianembassy.de oder
press@syrianembassy.de, secretary@syrianembassy.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Arabisch, Englisch, Französisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 29. Juli 2011 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY

- Expressing concern that Sabri Mirza is being detained incommunicado and at unknown location, asking for information regarding his place of detention, the reason for his arrest and his legal status, and calling for him to be fully protected from torture and other ill-treatment, allowed contact with his family and a lawyer of his choice, and provided with regular medication and any medical attention he requires;

- Expressing concern that Sabri Mirza is being detained solely for peacefully exercising his right to express his political views and noting that, if this is the case, Amnesty International would consider him a prisoner of conscience and call for his immediate and unconditional release;

- Urging the Syrian authorities to take immediate steps to name and disclose the whereabouts of all political detainees and to give them immediate access to lawyers of their choosing and their families, and to safeguard them from torture and other ill-treatment.


*


Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-189/2011, AI-Index: MDE 24/027/2011, Datum: 17. Juni 2011 - pn
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
Greifswalder Str. 4, 10405 Berlin
Telefon: 030/42 02 48-306
Fax: 030/42 02 48 - 330
E-Mail: presse@amnesty.de
Internet: www.amnesty.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Juni 2011