Schattenblick →INFOPOOL →BÜRGER/GESELLSCHAFT → AMNESTY INTERNATIONAL

AKTION/753: Urgent Action - Rumänien - Roma droht Zwangsräumung


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-259/2010, AI-Index: EUR 39/007/2011, Datum: 26. August 2011 - mr

Rumänien
Roma droht Zwangsräumung


HUNDERTE MENSCHEN, ÜBERWIEGEND ROMA

Hunderten Menschen, überwiegend Roma, droht in Baia Mare im Nordwesten Rumäniens kommende Woche die Zwangsräumung. Alle BewohnerInnen informeller Siedlungen, die in Baia Mare nicht offiziell registriert sind, werden wahrscheinlich vertrieben und ihr Zuhause abgerissen.

Am 23. August kündigte der Bürgermeister von Baia Mare in einem Interview mit der Online-Zeitung eMaramures an, er habe vor, "Hunderte" Roma und andere sozial benachteiligte Menschen aus vier Gegenden von Baia Mare zu vertreiben. Der Bürgermeister meinte: "Spätestens nächste Woche werden wir die Menschen aus Craica, Pirita, Ferneziu und Horea vertreiben, die illegal in unserer Stadt Baia Mare leben. Ihre Anzahl ist recht hoch, einige Hundert." Der Bürgermeister fügte hinzu, dass die Zwangsräumungen den Abriss der Häuser beinhalteten, um zu verhindern, dass dort andere Menschen einziehen. Laut Medienberichten sollen Einzelpersonen und Familien, die nicht in Baia Mare wohnhaft sind, an ihre Herkunftsorte geschickt und daran gehindert werden, in die Stadt zurückzukehren.

Medienberichten zufolge könnten etwa 1.100 Menschen, darunter vorwiegend Roma, bis zum 1. Oktober aus der informellen Siedlung in Craica in Baia Mare vertrieben werden. Die Behörden haben außerdem vor, Hunderte weitere Roma aus Ferneziu, Pirita und Valea Borcutului zu vertreiben. Der Stadtrat entschied im Juni 2011, den Grund und Boden der ehemaligen Mülldeponie in den Vororten der Stadt als Bauland auszuweisen mit dem Ziel, dort Sozialwohnungen zu errichten. Da diese Wohnungen noch nicht existieren, würden Hunderte Menschen durch die Räumung obdachlos werden.

Die Behörden haben die betroffenen Gemeinden nicht zu der Räumung oder zu Umsiedlungsvorhaben konsultiert. Die NGOs Romani CRISS und Sanse Egale, die mit den Gemeinschaften in Baia Mare zusammenarbeiten, berichteten Amnesty International, dass die Menschen nicht von der Räumung in Kenntnis gesetzt wurden und auch keine Gelegenheit hatten, das Vorhaben anzufechten.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Amnesty International besuchte die Baia Mare im Dezember 2010 und traf sich mit Roma-AnwohnerInnen in Horea, Ferneziu und Craica. In allen drei Gegenden leben Roma in unangemessenen Verhältnissen und entbehren Grundleistungen wie eine angemessene Wasserversorgung und sanitäre Anlagen. Einzelne Roma, mit denen Amnesty International in Ferneziu und Craica sprach, drückten ihre Verunsicherung in Folge der ständigen Räumungsdrohungen durch die ungeklärte Mietsituation und den Mangel an angemessener Information über ihr Leben betreffende Entscheidungen aus.

Als Vertragsstaat des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte ist Rumänien verpflichtet sicherzustellen, dass alle, die rechtmäßig auf rumänischem Staatsgebiet wohnen, sich frei bewegen und ihren Wohnort frei wählen können. Amnesty International nimmt daher mit Sorge Berichte zur Kenntnis, dass Menschen, die nicht aus Baia Mare stammen, in ihre Herkunftsorte zurückgebracht werden sollen und ihnen der Zugang zur Stadt verwehrt werden soll. Ein solches Vorgehen würde gegen ihre Rechte auf Bewegungsfreiheit und freie Wohnortwahl verstoßen.

Amnesty International befürchtet, dass die geplanten Räumungen rechtswidrigen Zwangsräumungen gleich komment könnten, die nach dem Völkerrecht verboten sind. Rumänien ist zudem Vertragsstaat einer Reihe von internationalen und regionalen Menschenrechtsabkommen, die es strikt verlangen, Zwangsräumungen zu verbieten, zu verhindern und sie nicht selbst durchzuführen. Zu diesen Abkommen zählen der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, der Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, die Kinderrechtskonvention, das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung und die geänderte Europäische Sozialcharta. Der UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte hat in seinen Allgemeinen Bemerkungen Nr. 7 dargelegt, dass Räumungen lediglich als letzte Möglichkeit durchgeführt werden dürfen, wenn bereits alle anderen Alternativen ausgeschöpft wurden. Selbst wenn eine Räumung als gerechtfertigt betrachtet wird, darf sie nur dann durchgeführt werden, wenn angemessene Verfahrensschutzmaßnahmen in Kraft sind und Entschädigung für alle erlittenen Verluste und angemessene alternative Unterkünfte zur Verfügung gestellt werden. Internationale Standards sehen vor, dass Räumungen weder bei schlechtem Wetter noch nachts stattfinden dürfen. Nach dem Völkerrecht dürfen Zwangsräumungen und Abrisse auch nicht als Strafmaßnahme gegen Menschen eingesetzt werden, die keinen Wohnsitz haben oder denen ein anderer regulärer Status fehlt. Im Juli 2010 hatte sich Amnesty International gegen die vom ehemaligen Stadtrat angekündigten Pläne gewandt, Tausende Roma aus Craica zu vertreiben und sie ohne angemessene Schutzmaßnahmen, die die Einhaltung internationaler Menschenrechtsstandards sichergestellt hätten, in einem Industriegebiet in einem Vorort von Baia Mare anzusiedeln. Die Pläne wurden später fallen gelassen. Am 29. Juni 2011 wies Amnesty International zusammen mit den NGOs Romani Criss und Sanse Egale mit Sorge gegenüber dem neuen Stadtrat darauf hin, dass es diskriminierend und segregierend sei, die Roma aus verschiedenen Vierteln der Stadt in einen einzigen Bereich in einem Vorort, nahe einer ehemaligen Kläranlage anzusiedeln. Die Organisationen verurteilten auch den Bau einer Mauer als diskriminierend, mit der die Roma, die in Wohnblocks im Bereich Horea leben, vom Rest der Stadt abgetrennt werden sollen.


EMPFOHLENE AKTIONEN:

SCHREIBEN SIE BITTE FAXE, E-MAILS ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

- Stellen Sie bitte sicher, dass eine Zwangsräumung der Gemeinschaften in Craica, Ferneziu, Horea, Pirita und Valea Borcutului nur als letztes Mittel und in voller Übereinstimmung mit internationalen Menschenrechtsstandards durchgeführt wird.

- Sorgen Sie bitte dafür, dass die Zwangsräumungen so lange ausgesetzt werden, bis eine angemessene Konsultation mit den Roma-Gemeinschaften stattgefunden hat, um alle möglichen Alternativen zur Räumung und Umsiedlungsoptionen zu untersuchen.

- Ich fordere Sie auf, angemessene Alternativunterkünfte zur Verfügung zu stellen, die Menschenrechtsstandards entsprechen. Stellen Sie bitte sicher, dass keine Personen an ihren ursprünglichen Wohnsitz umgesiedelt und von der Rückkehr abgehalten werden.


APPELLE AN

BÜRGERMEISTER VON BAIA MARE
Catalin Chereches
Primaria Municipiului Baia Mare, Str. Gh. Sincai nr. 37, Etaj I, cam.
9, Baia Mare, RUMÄNIEN (korrekte Anrede : Dear Mayor /Sehr geehrter Herr Bürgermeister)
Fax: (00 40) 262 212 332
E-Mail: primar@baiamarecity.ro

MINISTERPRÄSIDENT
Emil Boc
Guvernul Romanici, Piata Victoriei nr. 1, Sector 1, Bucuresti,
RUMÄNIEN (korrekte Anrede: Dear Prime Minister / Sehr geehrter Herr Ministerpräsident)
Fax: (00 40) 21 313 98 46
E-Mail: drp@gov.ro


KOPIEN AN

PRÄFEKT VON MARAMURES
Sandu Pocol
Institutia Prefectului - Judetul Maramures
Str. Gheorghe Sincai nr. 46
430311 Baia Mare, RUMÄNIEN (korrekte Anrede: Dear Prefect /Sehr geehrter Herr Präfekt)
Fax: (00 40) 262 213 241
E-Mail: prefect@prefecturamaramures.ro

BOTSCHAFT VON RUMÄNIEN
S.E. Herrn Lazar Comanescu
Dorotheenstraße 62 - 66, 10117 Berlin
Fax: 030-2123 9399
E-Mail: office@rumaenische-botschaft.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Rumänisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 31. August 2011 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY

- Urging the city authorities to ensure that any evictions of the communities currently living in the Craica, Ferneziu, Horea, Pirita and Valea Borcutului areas are carried out only as a last resort and in full compliance with international human rights standards;

- Urging them to ensure that the evictions are put on hold until genuine consultation with the affected communities has been conducted in order to identify all feasible alternatives to evictions and on resettlement options;

- Urging the city authorities to provide adequate alternative housing, compliant with requirements under human rights law and that people are not forcibly moved to their original places of residence and prevented from returning.


*


Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-259/2010, AI-Index: EUR 39/007/2011, Datum: 26. August 2011 - mr
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
Greifswalder Str. 4, 10405 Berlin
Telefon: 030/42 02 48-306
Fax: 030/42 02 48 - 330
E-Mail: presse@amnesty.de
Internet: www.amnesty.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 31. August 2011