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AKTION/856: Urgent Action - Kolumbien - Menschenrechtlerin und Gewerkschafter bedroht


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-337/2011, AI-Index: AMR 23/033/2011, Datum: 17. November 2011 - ns

Kolumbien
Menschenrechtlerin und Gewerkschafter bedroht


JACKELINE ROJAS CASTAÑEDA, Menschenrechtlerin
Ihr Ehemann JUAN CARLOS GALVIS, Leiter der Gewerkschaft SINALTRAINAL
Sowie deren Tochter

Ein bewaffneter Mann und eine bewaffnete Frau haben sich Zugang zum Haus der kolumbianischen Menschenrechtsverteidigerin Jackeline Rojas Castañeda verschafft. Sie drohten damit, ihre Tochter zu töten, und verlangten Informationen über ihren Ehemann, den Gewerkschafter Juan Carlos Galvis.

Am 9. November drangen eine bewaffnete Frau und ein bewaffneter Mann in das Haus von Jackeline Rojas Castañeda in Barrancabermeja im Norden Kolumbiens ein. Jackeline Rojas Castañeda ist ein führendes Mitglied der Frauenorganisation Organización Femenina Popular (OFP), der sie bereits seit 20 Jahren angehört.

Der Mann und die Frau hielten Jackeline Rojas Castañeda und ihre 15-jährige Tochter mit vorgehaltener Waffe in zwei verschiedenen Räumen fest. Sie sagten Jackeline Rojas Castañeda, dass sie ihre Tochter töten würden, sollte sie schreien oder versuchen, um Hilfe zu rufen. Jackeline Rojas Castañeda wurde gefesselt und geknebelt und ihr Körper und ihre Kleidung wurden mit roter Farbe besprüht. Rote Farbe wurde ebenfalls auf Fotos von Juan Carlos Galvis gesprüht, und an den Wänden wurden Beschimpfungen wie 'Hurensohn' (HP perro) und 'Schlampe' (HP perra) hinterlassen.

Die beiden Angreifer verlangten wiederholt Informationen über den Sohn und den Ehemann von Jackeline Rojas Castañeda. Ihr Ehemann Juan Carlos Galvis ist einer der Gewerkschaftsleiter bei SINALTRAINAL, einer Gewerkschaft der Beschäftigten in der Nahrungsmittelindustrie (Sindicato Nacional de Trabajadores del Sistema Agroalimentario). Er ist außerdem Vorstandsmitglied der Niederlassung des Gewerkschaftsdachverbandes Central Unitaria de Trabajadores (CUT) im Departamento de Santander.

Außerdem wurden zwei Laptops, USB-Sticks, Mobiltelefone und weitere Dokumente aus dem Haus von Jackeline Rojas Castañeda entwendet. Diese enthalten Informationen über die Arbeit von Juan Carlos Galvis. Am 10. November berichtete Jackeline Rojas Castañeda der Generalstaatsanwaltschaft von diesem Übergriff. Zunächst ließ man sie dort keine Anzeige erstatten mit der Begründung, dass sie den Überfall erfunden hätte.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Jackeline Rojas Castañeda und Juan Carlos Galvis erhielten bereits während der letzten zehn Jahre Morddrohungen von Paramilitärs. Im letzten Monat wurde mindestens zwei Mal versucht, bei ihnen einzubrechen. Beide erhielten in den vergangenen Jahren mehrmals Drohungen, darunter auch Morddrohungen.

Die OFP wurde im Jahr 1972 gegründet und setzt sich für die Förderung der Menschenrechte von Frauen in der Region Magdalena Medio ein. Hierzu zählt auch Barrancabermeja im Departamento de Santander. Die Mitglieder der OFP wurden bereits mehrmals Ziel von Drohungen und Übergriffen.

Nach wie vor werden viele Personen, die sich für die Menschenrechte von Frauen einsetzen, darunter auch GemeindesprecherInnen und andere führende Persönlichkeiten der Gesellschaft, bedroht oder getötet, weil sie sich für die Rechte von Frauen und gegen Gewalt aussprechen. Sie werden nicht nur zur Zielscheibe, weil sie sich für Menschenrechte einsetzen, GemeindesprecherInnen und andere führende Persönlichkeiten der Gesellschaft sind, sondern auch, um sie zum Schweigen zu bringen, wenn sie Missstände anprangern. Während der letzten Jahre wurden VerteidigerInnen von Frauenrechten und GemeindesprecherInnen, die mit Gemeinden zusammenarbeiten, deren Grundstücke zwangsenteignet wurden und die sich für die Rückgabe ihrer Grundstücke einsetzen, häufig bedroht oder getötet, insbesondere durch Paramilitärs. Viele der Frauen sind außerdem von sexueller Gewalt betroffen.

SINALTRAINAL ist eine im Jahr 1982 gegründete Gewerkschaft, die sich für die Verteidigung und Förderung der Arbeitnehmerrechte von Beschäftigten in der Nahrungsmittelindustrie einsetzt. Seit der Gründung der Gewerkschaft wurden mindestens 22 Mitglieder durch Paramilitärs getötet oder gelten als "verschwunden". Paramilitärs agieren entweder allein oder in Zusammenarbeit mit den staatlichen Sicherheitskräften. Dutzende Personen wurden bereits Ziel von Übergriffen oder Morddrohungen.

Während der letzten Jahre war SINALTRAINAL an zahlreichen Arbeitskämpfen beteiligt, in die auch große multinationale Unternehmen involviert waren. Zum Zeitpunkt der Arbeitskämpfe gab es oftmals vermehrt Berichte darüber, dass Gewerkschaftsmitglieder vor allem durch Sicherheitskräfte und paramilitärische Gruppen getötet oder bedroht wurden.


EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

- Ich bin sehr besorgt um die Sicherheit von Jackeline Rojas Castañeda, Juan Carlos Galvis und die ihrer Familie. Deshalb fordere Sie auf, in Absprache mit ihnen geeignete Schutzmaßnahmen zu ergreifen, um ihre Sicherheit zu garantieren.

- Ich fordere Sie außerdem auf, eine vollständige und unparteiische Untersuchung des Übergriffs einzuleiten, die Ergebnisse zu veröffentlichen und die Verantwortlichen vor Gericht zu stellen.

- Ich möchte Sie daran erinnern, dass Sie im Rahmen der UN-Erklärung für Menschenrechtsverteidiger aus dem Jahr 1998 die ihnen obliegenden Verpflichtungen erfüllen müssen.


APPELLE AN

STAATSPRÄSIDENT
Juan Manuel Santos
Señor Presidente Juan Manuel Santos
Presidente de la República, Palacio de Nariño
Carrera 8. No. 7-26, Bogotá, KOLUMBIEN
(korrekte Anrede: Dear President Santos / Excmo. Sr. Presidente Santos / Sehr geehrter Herr Präsident)
Fax: (00 57) 1 596 0631

INNENMINISTER
Germán Vargas Lleras
Ministerio Del Interior
Carrera 9a. No. 14-10, Bogotá, KOLUMBIEN
(korrekte Anrede: Dear Minister Vargas / Estimado Sr. Ministro Vargas / Sehr geehrter Herr Minister)
Fax: (00 57) 1 242 -7400 oder -2351 (nach Fax fragen: "Me da tono de fax, por favor")


KOPIEN AN

FRAUENORGANISATION OFP
Organización Femenina Popular
Cra 22 No 52B - 36
Barrancabermeja, Santander
KOLUMBIEN
GEWERKSCHAFT
SINALTRAINAL
Carrera 15 # 35 - 18, Bogotá
KOLUMBIEN

BOTSCHAFT DER REPUBLIK KOLUMBIEN
I. E. Frau Dr. Maria Dora Victoriana Mejía Marulanda
Kurfürstenstr. 84, 10787 Berlin
Fax: 030-2639 6125
E-Mail: info@botschaft-kolumbien.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Spanisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 29. Dezember 2011 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY

- Express concern for the safety of Jackeline Rojas Castañeda and Juan Carlos Galvis and their family, and call for protection measures to guarantee their safety, in line with their wishes.

- Call on the authorities to launch a full and impartial investigation into the attack, and to publish the results and bring those responsible to justice.

- Remind the Colombian authorities to fulfil their obligations regarding the protections of human rights defenders as specified in the 1998 UN Declaration on Human Rights Defenders.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN - FORTSETZUNG

In den letzten 20 Jahren wurden in Kolumbien über 2.000 GewerkschafterInnen getötet und 138 Mitglieder gelten als "verschwunden". Allein im Jahr 2010 wurden 51 Gewerkschaftsangehörige getötet im Vergleich zum Jahr 2007, in dem es 39 Todesfälle gab. Im Kontext des langjährigen bewaffneten Konflikts in Kolumbien wurden MenschenrechtsverteidigerInnen und GewerkschafterInnen in den letzten Jahren besonders häufig Ziel von Drohungen und Tötungen. Die meisten dieser Fälle werden paramilitärischen Gruppen zugeschrieben. Auch Guerillagruppen machen häufig MenschenrechtlerInnen, GewerkschafterInnen und andere soziale AktivistInnen zur Zielscheibe, durch die sie ihre Interessen gefährdet sehen.


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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-337/2011, AI-Index: AMR 23/033/2011, Datum: 17. November 2011 - ns
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. November 2011