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AKTION/944: Urgent Action - Sudan - Inhaftierer Student ist möglicherweise tot


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-021/2012-1, AI-Index: AFR 54/009/2012, Datum: 22. Februar 2012 - we

Sudan
Inhaftierer Student ist möglicherweise tot

Weitere Informationen zu UA 021/2012 (AFR 54/003/2012, 24. Januar 2012)


TAJ ALSIR JAAFAR, 25-jähriger Student

Am 20. Februar erhielt die Mutter des inhaftierten Studenten und Aktivisten Taj Alsir Jaafar einen anonymen Anruf. Der Anrufer teilte ihr mit, Taj Alsir Jaafar sei gestorben. Der sudanesische Geheimdienst (National Intelligence and Security Services - NISS) weigerte sich bisher diese Nachricht zu bestätigten. Taj Alsir Jaafar befand sich seit dem 11. Februar im Hungerstreik. Sein Gesundheitszustand hatte sich laut Berichten stark verschlechtert. Er ist seit seiner Festnahme im Dezember 2011 weder angeklagt worden noch hat er in Haft Zugang zu einem Rechtsbeistand erhalten. Die Mutter von Taj Alsir Jaafar erhielt am 20. Februar um zwei Uhr morgens einen Anruf von einer unbekannten Nummer. Der Anrufer sagte ihr, Taj Alsir Jaafar sei gestorben. Sie vermutet, der Anruf ging von einem Angehörigen des NISS aus, da der Geheimdienst sie bereits zuvor unter unbekannter Nummer angerufen hatte. Eine Stunde nach dem Anruf machte sie sich gemeinsam mit ihrer Tochter auf den Weg zum Hauptquartier des NISS in Khartum. Dort sagte man ihr jedoch, das Gerücht vom Tod ihres Sohnes könne weder dementiert noch bestätigt werden. Die Forderung ihren Sohn sehen zu dürfen, wies man mit der Begründung ab, Besuche seien nur alle zwei Wochen erlaubt. Weiterhin drohte man ihr mit einer Klage wegen Belästigung. Am 21. Februar titelte eine sudanesische Zeitung mit der Schlagzeile: "Der NISS bestreitet den angeblichen Tod von Taj Alsir Jaafar und erlaubt seinen Familienangehörigen ihn zu besuchen". Als seine Mutter jedoch an diesem Tag unter Vorzeigen des Zeitungsartikels erneut versuchte Taj Alsir Jaafar zu besuchen, wurde sie abermals vom NISS abgewiesen. Die Mutter von Taj Alsir Jaafar war im Vorfeld mindestens zweimal bedroht worden: Personen, die vermutlich in Verbindung zu den Sicherheitsdiensten stehen, sagten ihr, sie solle sich nicht weiter nach ihrem Sohn erkundigen. Sie würde sich in Gefahr bringen, sollte sie weiterhin Auskünfte fordern.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Am 30. Dezember 2011 wurde der 25-jährige Taj Alsir Jaafar von Sicherheitskräften in der sudanesischen Hauptstadt Khartum festgenommen. Er befand sich zur Zeit der Festnahme im Bus auf dem Weg von der Universität Khartum nach Hause. Zunächst wurde er ohne Kontakt zur Außenwelt an einem unbekannten Ort festgehalten. Am 18. Januar 2012 wurden dann seine Familienangehörigen informiert, dass Taj Alsir Jaafar sich im Gewahrsam des NISS befindet. Im Kober-Gefängnis in Khartum durften sie Taj Alsir Jaafar am 29. Januar zum ersten Mal und am 15. Februar dann ein weiteres Mal jeweils 15 Minuten besuchen. Beim zweiten Besuch erzählte Taj Alsir Jaafar seinen Familienangehörigen, dass er sich im Hungerstreik befinde. Es besorgte sie sehr zu sehen, dass sein Gesundheitszustand sich stark verschlechtert hatte.

Taj Alsir Jaafar ist studentischer Koordinator der oppositionellen Partei "The Movement of New Demokratic Forces" (auch als HAQU - Arabisch: "richtig" - bekannt) an der Universität Khartum. Vermutlich wurde er aufgrund seiner Teilnahme an studentischen Protesten festgenommen, die Mitte Dezember 2011 begonnen hatten und bis in den Januar 2012 andauerten und bei denen eine Sitzblockade an der Universität veranstaltet wurde. Falls sich Taj Alsir Jaafar lediglich aufgrund seiner Teilnahme an friedlichen Protesten in Haft befindet, betrachtet Amnesty International ihn als einen gewaltlosen politischen Gefangenen. Er war bereits im Jahr 2009 sowie im Januar 2011 von der NISS wegen seiner Aktivitäten an der Universität festgenommen und während seiner Haft im Jahr 2009 mutmaßlich gefoltert worden. In beiden Fällen wurde er ohne Anklage freigelassen.


EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

- Ich fordere Sie auf, sicherzustellen, dass Taj Alsir Jaafar, in Übereinstimmung mit internationalen Standards, sofortigen Zugang zu seiner Familie, einem Rechtsbeistand und jeglicher eventuell erforderlichen medizinischen Versorgung hat. Benachrichtigen Sie weiterhin unverzüglich seine Familienangehörigen, sollte Taj Alsir Jaafar schwer erkrankt oder gestorben sein.

- Ich bitte Sie hiermit, Taj Alsir Jaafar unverzüglich und bedingungslos freizulassen, sollte er lediglich aufgrund seiner Teilnahme an friedlichen Protesten inhaftiert worden sein.

- Ich fordere Sie auf, sofern er aufgrund einer strafbaren Handlung angeklagt wurde, die nicht im Zusammenhang mit friedlichen Protesten steht, unverzüglich ein Gerichtsverfahren gegen ihn zu eröffnen, dass den internationalen Standards für einen fairen Prozess entspricht.

- Bitte stellen Sie sicher, dass Taj Alsir Jaafar vor Folter und anderen Misshandlungen geschützt wird und Zugang zu seiner Familie, einem Rechtsbeistand seiner Wahl und, falls notwendig, medizinische Versorgung erhält.

- Ich bitte Sie, Schutzmaßnahmen für die Mutter von Taj Alsir Jaafar nach ihren Wünschen und aufgrund der Drohungen gegen Sie einzuleiten.


APPELLE AN

JUSTIZMINISTER
Mr Mohammed Bushara Dousa
Ministry of Justice
PO Box 302, Al Nil Avenue
Khartoum
SUDAN
(korrekte Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 249) 183 764 168

INNENMINISTER
Mr Ibrahim Mohamed Hamed
Ministry of Interior
PO Box 873
Khartoum
SUDAN
(korrekte Anrede: Your Excellency / Exzellenz)


KOPIEN AN

PRÄSIDENT
HE President
Omar Hassan Ahmed Al Bashir
Office of the President
People's Palace, PO Box 281
Khartoum
SUDAN
E-Mail: info@sudan.gov.sd

BOTSCHAFT DER REPUBLIK SUDAN
S.E. Herrn Baha'aldin Hanafi Mansour Waheesh
Kurfürstendamm 151
10709 Berlin
Fax: 030-8940 9693
E-Mail: sudaniberlin@hotmail.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Arabisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 4. April 2012 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY

- Call on the authorities to ensure that Taj Alsir Jaafar has immediate access to his family, a lawyer and any medical treatment he may require and to immediately notify his family of serious illness or death, in line with international standards.

- Call on the authorities to release Taj Alsir Jaafar immediately and unconditionally, if he is held solely for his participation in peaceful protests.

- If he is facing other recognizably criminal charges, unrelated to the peaceful protests, call for him to be tried promptly in proceedings that meet international fair trial standards.

- Urge the authorities to take action to protect Taj Alsir Jaafar's mother, in accordance with her wishes, following the threats against her.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN (FORTSETZUNG)

Die Proteste im Nahen Osten und Nordafrika begannen Anfang Januar 2011 in Tunesien und dehnten sich auf eine Reihe weiterer Hauptstädte der Region aus. Angeregt durch diese Proteste kam es auch im Sudan 2011 vielerorts zu Demonstrationen mit Forderungen nach Demokratie und einer Verbesserung der sozio-ökonomischen Lebensbedingungen. Die Polizei und der Staatsicherheitsdienst NISS im Sudan nehmen häufig friedliche Demonstrierende fest und misshandeln sie, insbesondere wenn sie die Einhaltung ihrer Rechte fordern. Studierendenbewegungen und ihre Organisationen werden regelmäßig zur Zielscheibe des NISS. Aufgrund des 2010 verabschiedeten Nationalen Sicherheitsgesetzes hat der NISS Befugnisse hinsichtlich der Durchsuchung und Beschlagnahmung von Eigentum sowie weitreichende Festnahme- und Inhaftierungsbefugnisse und kann Menschen über vier Monate ohne richterliche Prüfung in Haft halten. Zudem wird den Angehörigen des NISS durch das Sicherheitsgesetz Straflosigkeit für alle mit ihrer Arbeit verbundenen Handlungen gewährt.


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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-021/2012-1, AI-Index: AFR 54/009/2012, Datum: 22. Februar 2012 - we
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Februar 2012