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AKTION/948: Urgent Action - Iran - Zwei iranischen Kurden droht baldige Hinrichtung


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-307/2011-1, AI-Index: MDE 13/010/2012, Datum: 23. Februar 2012 - gs

Iran
Zwei iranischen Kurden droht baldige Hinrichtung

Weitere Informationen zu UA UA-307/2011 (MDE 13/094/2011, 19. Oktober 2011)


Herr ZANIAR (ODER ZANYAR) MORADI
Herr LOGHMAN (ODER LOQMAN) MORADI

Die Hinrichtung von Loghman Moradi und Zaniar Moradi, beides Angehörige der kurdischen Minderheit in Iran, steht möglicherweise unmittelbar bevor. Die gegen die zwei Männer verhängten Todesurteile sind dem Amt für Strafvollzug zugeleitet worden. Nach Passieren dieser Justizbehörde, werden die Hinrichtungen vorgenommen. Loghman Moradi und Zaniar Moradi waren am 22. Dezember 2010 von der Abteilung 15 des Revolutionsgerichts in Teheran zum Tod durch Erhängen verurteilt worden. Der Prozess soll nur 20 Minuten gedauert haben. Das Gericht hatte die beiden Kurden der "Feindschaft zu Gott" (moharebeh) und der "Verdorbenheit auf Erden" schuldig gesprochen, weil sie am 4. Juli 2009 in Marivan, einer Stadt in der im Nordosten des Landes gelegenen Provinz Kurdistan, den Sohn eines hohen Geistlichen ermordet haben sollen. Darüber hinaus hatte das Gericht die beiden Männer für schuldig befunden, in bewaffnete Aktivitäten der kurdischen Oppositionsgruppe Komala verwickelt gewesen zu sein. Loghman Moradi und Zaniar Moradi legten Rechtsmittel ein, die jedoch laut einer Meldung vom 12. Oktober 2011 vom Obersten Gerichtshof abgewiesen wurden. Die Todesurteile sollen daraufhin an die Vollzugsbehörde übermittelt worden sein.

Zaniar Moradi und Loghman Moradi waren am 1. August beziehungsweise 17. Oktober 2009 in Marivan festgenommen und anschließend neun Monate lang vom Geheimdienstministerium in Haft gehalten worden. Während dieser neun Monate ist keine Anklage wegen Mordes gegen sie erhoben worden. Beide Männer wurden mehrfach in verschiedene Hafteinrichtungen verlegt, bevor man sie schließlich etwa Anfang Dezember 2010 in Trakt 4 des in Karaj, nordwestlich von Teheran gelegenen Gefängnisses Raja'i Shahr einwies. Von dort schrieben sie einen Brief, in dem sie ausführten, während ihrer Vernehmung durch Angehörige des Geheimdienstministeriums zu dem "Geständnis" gezwungen worden zu sein, den Sohn des Geistlichen ermordet zu haben. Zuvor, so Zaniar Moradi und Loghman Moradi in ihrem Schreiben, seien sie gefoltert und mit Vergewaltigung bedroht worden. Zaniar Moradi soll nach unbestätigten Meldungen zum Zeitpunkt seiner Festnahme erst 17 Jahre alt gewesen sein


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

In ihrem im Gefängnis verfassten Brief gaben Zaniar Moradi und Loghman Moradi an, dass Zaniar während seiner Vernehmung durch Angehörige des Geheimdienstministeriums wiederholt nach seinem Vater Eghbal Moradi befragt worden sei, der in der irakischen Provinz Kurdistan lebt und der Partei Komala angehört, einer verbotenen Oppositionsgruppe iranischer Kurden. Zaniar Moradi beschreibt in dem Brief, wie er an ein Bett gefesselt und ausgepeitscht wurde und man ihm mit Vergewaltigung drohte, bis er schließlich ein "Geständnis" abgelegt habe.

Die Kurden stellen eine der vielen Minderheiten im Iran dar. Sie wohnen überwiegend im Westen und Nordwesten des Landes, in der Provinz Kurdistan und in Provinzen, die an von Kurden bewohnte Regionen der Türkei und des Irak angrenzen. Bei der Wahrnehmung ihrer religiösen, wirtschaftlichen und kulturellen Rechte erleiden die KurdInnen Diskriminierung. Kurdische Organisationen wie die Kurdische Demokratische Partei des Iran (KDPI) und die marxistisch ausgerichtete Gruppierung Komala haben der Islamischen Republik Iran den bewaffneten Kampf erklärt, sind jedoch derzeit militärisch nicht aktiv. Die 2004 gegründete Partei für ein freies Leben in Kurdistan (PJAK) verübte anfänglich Anschläge gegen iranische Sicherheitskräfte, hat aber 2009 einen Waffenstillstand verkündet. Allerdings kommt es nach wie vor zu bewaffneten Zusammenstößen mit den Sicherheitskräften, die die PJAK als "Selbstverteidigung" bezeichnet. Im Jahr 2011 haben Einheiten des iranischen und türkischen Militärs grenznahe Gebiete unter Beschuss genommen, in denen sie Stützpunkte der bewaffneten Arbeiterpartei Kurdistans PKK und der PJAK vermuteten. (s. auch den englischsprachigen Bericht: Amnesty International, Turkey/Iraq: Investigation needed into killing of civilians in the Kurdistan region of Iraq, Index: REG 01/003/2011, 26 August 2011

Amnesty International lehnt Anschläge auf Zivilpersonen wie etwa RichterInnen, Geistliche und gewählte VolksvertreterInnen bedingungslos ab. Anschläge auf Zivilpersonen stellen eine Verletzung fundamentaler Grundsätze des humanitären Völkerrechts dar, die ein ausdrückliches Verbot solcher Anschläge wie auch der Anwendung wahlloser und unverhältnismäßiger Gewalt enthalten. Für derartige Gewaltakte gibt es keinerlei Rechtfertigung.


EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE LUFTPOSTBRIEFE UND E-MAILS MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

- Ich bitte Sie nachdrücklich, die gegen Loghman Moradi und Zaniar Moradi verhängten Todesurteile nicht zu vollstrecken.

- Wandeln Sie diese und alle übrigen Todesurteile um, auch wenn sie gegen kurdische politische Gefangene verhängt wurden.

- Stellen Sie bitte sicher, dass Loghman Moradi und Zaniar Moradi weder gefoltert noch anderweitig misshandelt werden und unverzüglich regelmäßigen Kontakt zu ihren Familien und RechtsanwältInnnen erhalten. Sorgen bitte auch für eine angemessene medizinische Versorgung der beiden Gefangenen.

- Ich bin zutiefst in Sorge darüber, dass Loghman Moradi und Zaniar Moradi kein faires Gerichtsverfahren erhalten haben. Veranlassen Sie bitte, dass Vorwürfe über Folterungen an den zwei Gefangenen untersucht und die für Übergriffe Verantwortlichen vor Gericht gestellt werden. Stellen Sie ferner sicher, dass möglicherweise unter Zwang erlangte "Geständnisse" nicht vor Gericht als Beweismittel verwandt werden.


APPELLE AN

RELIGIONSFÜHRER
Ayatollah Sayed 'Ali Khamenei, The Office of the Supreme Leader,
Islamic Republic Street - End of Shahid Keshvar Doust Street, Tehran,
IRAN
(korrekte Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
E-Mail: info_leader@leader.ir
Twitter: @khamenei_ir (bitte schreiben Sie: #Iran Verhindern Sie die Hinrichtung von Loghman Moradi und Zaniar Moradi.)

OBERSTE JUSTIZAUTORITÄT
Ayatollah Sadegh Larijani
[C/o] Public Relations Office, Number 4, 2 Azizi Street
Vali Asr Ave., above Pasteur Street intersection
Tehran, IRAN
(korrekte Anrede: Your Excellency/ Exzellenz)
E-Mail: bia.judi@yahoo.com (Betreff: FAO Ayatollah Sadegh Larijani)


KOPIEN AN

LEITER DER STAATLICHEN MENSCHENRECHTSBEHÖRDE
Mohammad Javad Larijani
High Council for Human Rights
[C/o] Office of the Head of the Judiciary, Pasteur St., Vali Asr Ave. south of Serah-e Jomhouri, Tehran 1316814737
IRAN (korrekte Anrede: Dear Sir/ Sehr geehrter Herr Larijani)
E-Mail: info@humanrights-iran.ir
E-Mail: info@humanrights-iran.ir
(Betreff: FAO Mohammad Javad Larijani)

BOTSCHAFT DER ISLAMISCHEN REPUBLIK IRAN
S.E. Herrn Alireza Sheikh Attar
Podbielskiallee 65-67, 14195 Berlin
Fax: 030-8435 3535
E-Mail: iran.botschaft@t-online.de oder - info@iranbotschaft.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Persisch, Arabisch, Englisch, Französisch oder auf Deutsch.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY

- Urging the Iranian authorities not to carry out the executions of Loghman Moradi and Zaniar Moradi.

- Calling on them to commute the death sentences of Loghman Moradi and Zaniar Moradi and anyone else on death row, including other Kurdish political prisoners.

- Calling on them to ensure that Loghman Moradi and Zaniar Moradi are protected from torture or other ill-treatme.

- Expressing concern that neither Loghman Moradi nor Zaniar Moradi had a fair trial, and urging the Iranian authorities to investigate the allegations that they were tortured and to bring to justice anyone found responsible for abuses and to disregard as evidence in courts "confessions" which may have been coerced.


INTERGRUNDINFORMATIONEN - FORTSETZUNG

Derzeit sitzen vermutlich mindestens 17 kurdische Männer in den Todestrakten ein. Die Gefangenen stehen im Verdacht, verbotenen kurdischen Organisationen anzugehören oder für solche Organisationen tätig zu sein. Einige von ihnen waren zunächst zu Freiheitsstrafen verurteilt worden, später erging gegen sie die Todesstrafe. In den zurückliegenden Jahren sollen mindestens zehn aus politischen Gründen zum Tod verurteilte KurdInnen hingerichtet worden sein.


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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-307/2011-1, AI-Index: MDE 13/010/2012, Datum: 23. Februar 2012 - gs
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Februar 2012