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AKTION/966: Urgent Action - Syrien - Mitarbeiter und Besucher eines Medienzentrums in Haft


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-067/2012, AI-Index: MDE 24/019/2012, Datum: 29. Februar 2012 - gs

Syrien
Mitarbeiter und Besucher eines Medienzentrums in Haft


MAZEN DARWISH, Leiter des Medienzentrums
7 weitere Mitarbeiter des Zentrums

SHADI YAZBEK, Besucher des Zentrums

Seit ihrer Festnahme am 16. Februar werden acht Mitarbeiter sowie ein Besucher des Syrischen Zentrums für Medien und Freie Meinungsäußerung ohne Kontakt zur Außenwelt in Haft gehalten, vermutlich in der Sicherheitsabteilung der Luftwaffe in Damaskus. Es besteht die Gefahr, dass die neun Gefangenen gefoltert oder anderweitig misshandelt werden.

Am 16. Februar wurde während einer Razzia im Syrischen Zentrum für Medien und Freie Meinungsäußerung (Syrian Centre for Media and Freedom of Expression - SCM) der 40 Jahre alte Leiter des Zentrums Mazen Darwish zusammen mit 13 MitarbeiterInnen und zwei BesucherInnen festgenommen. Die bei der Durchsuchungsaktion verhafteten sieben Frauen, unter ihnen eine Besucherin des Zentrums, sind inzwischen wieder frei gekommen. Weiterhin in Haft befinden sich hingegen Mazen Darwish, Hani al-Zitani, Abd al-Rahman Hamada, Hussein Gharir, Mansour al-Omari, Bassam al-Ahmed, Ayham Ghazoul, Joan Fersso sowie Shadi Yazbek, ein Besucher des Zentrums. Die Familien der Gefangenen sind seit deren Festnahme ohne jede Nachricht. Bislang konnte auch nicht in Erfahrung gebracht werden, ob die Inhaftierten Kontakt zu einem Rechtsbeistand erhalten haben.

Aus einer Quelle vor Ort hat Amnesty International erfahren, dass am 16. Februar 2012 bewaffnete Männer, vermutlich Mitarbeiter des Nachrichtendienstes der Luftwaffe, eine Razzia im SCM durchgeführt und die 16 genannten dort anwesenden Personen festgenommen haben. Darüber hinaus haben die Männer Laptops, Handys und Akten beschlagnahmt, die vermutlich vertrauliche Informationen über die Arbeit des SCM enthalten. Nach Auskunft einer der frei gelassenen Frauen wurden die Festgenommenen zum Sicherheitsdienst der Luftwaffe gebracht, wo Mazen Darwish und die anderen acht Männer vermutlich nach wie vor in Haft gehalten werden. Gegen sie ist nach bisherigen Informationen weder Anklage erhoben noch ein Gerichtsverfahren eingeleitet worden.

Es ist nicht bekannt, aus welchen Gründen die Razzia durchgeführt wurde. Amnesty International vermutet, dass das menschenrechtliche Engagement von Mazen Darwish und seinen KollegInnen Auslöser für die Durchsuchungsaktion gewesen sein könnte. In diesem Fall würde es sich bei den inhaftierten SCM-Mitarbeitern nach Einschätzung von Amnesty International um gewaltlose politische Gefangene handeln. Shadi Yazbek scheint nur deshalb festgenommen worden zu sein, weil sie sich zum Zeitpunkt der Razzia in den Räumlichkeiten des SCM aufgehalten hatte.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Die Demonstrationen für Reformen in Syrien begannen im Februar 2011 und entwickelten sich Mitte März zu Massenprotesten. Obwohl die Demonstrationen weitgehend friedlich verliefen, reagierten die Behörden in ihrem Bestreben, die Proteste niederzuschlagen, mit großer Brutalität. Amnesty International verfügt über die Namen von mehr als 6200 Menschen, die Berichten zufolge seit Mitte März im Zusammenhang mit den Demonstrationen gestorben sind oder getötet wurden. Vermutlich sind viele von ihnen von den Sicherheitskräften, die mit scharfer Munition gegen die Protestierenden vorgegangen sind, erschossen worden, während sie an friedlichen Demonstrationen oder der Beisetzung von Opfern früherer Proteste teilnahmen. Auch Angehörige der Sicherheitskräfte sind getötet worden, einige von abtrünnigen Soldaten, die ihre Waffen nun gegen die Regierung einsetzen.

Tausende weitere Menschen wurden festgenommen und viele von ihnen ohne Kontakt zur Außenwelt an unbekannten Orten in Haft gehalten, an denen Folter und andere Misshandlungen an der Tagesordnung sein sollen. Seit dem 1. April 2011 sind mehr als 270 Menschen unter Verdacht erregenden Umständen in der Haft zu Tode gekommen.


EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

- Ich möchte meine Sorge darüber ausdrücken, dass Mazen Darwish, Hani al-Zitani, Abd al-Rahman Hamada, Hussein Gharir, Mansour al-Omari, Joan Fersso, Ayham Ghazoul, Bassam al-Ahmed und Shadi Yazbek seit dem 16. Februar ohne Kontakt zur Außenwelt unter Bedingungen in Haft gehalten werden, die dem Verschwindenlassen gleichkommen.

- Stellen Sie bitte sicher, dass die genannten Gefangenen weder gefoltert noch anderweitig misshandelt werden. Veranlassen Sie bitte, dass Mazen Darwish und seine Mithäftlinge unverzüglich Kontakt zu ihren Familien und einem Rechtsbeistand eigener Wahl aufnehmen können und medizinisch angemessen versorgt werden.

- Ich weise darauf hin, dass Amnesty International Mazen Darwish und seine Mithäftlinge als gewaltlose politische Gefangene betrachtet, der allein deshalb festgenommen worden sind, weil sie in friedlicher Weise beim Syrischen Zentrum für Medien und Freie Meinungsäußerung tätig waren oder Verbindungen zu dem Zentrum unerhalten haben. Amnesty International fordert die sofortige und bedingungslose Freilassung der Gefangenen, falls sie nicht einer erkennbar strafbaren Handlung angeklagt und unter Beachtung internationaler Standards der Fairness vor Gericht gestellt werden.


APPELLE AN

STAATSPRÄSIDENT
Bashar al-Assad
Presidential Palace
al-Rashid Street
Damascus, SYRIEN
(korrekte Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 963) 11 332 3410

AUßENMINISTER
Walid al-Mu'allim
Ministry of Foreign Affairs and Expatriates
al-Rashid Street
Damascus, SYRIEN
Fax: (00 963) 11 214 625-12 oder -13


KOPIEN AN

BOTSCHAFT DER ARABISCHEN REPUBLIK SYRIEN
S.E. Herr Radwan Loutfi
Rauchstr. 25, 10787 Berlin
Fax: 030-5017 7311
E-Mail: info@syrianembassy.de
press@syrianembassy.de
secretary@syrianembassy.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Arabisch, Englisch, Französisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 11. April 2012 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY

- Express concern that Mazen Darwish, Hani al-Zitani, Abd al-Rahman Hamada, Hussein Gharir, Mansour al-Omari, Joan Fersso, Ayham Ghazoul, Bassam al-Ahmed and Shadi Yazbek have been held incommunicado since 16 February 2012 in conditions which may amount to enforced disappearance.

- Urge the Syrian authorities to ensure that they are protected from torture and other ill-treatment, allowed immediate contact with their families and a lawyer of their choice, and provided with all necessary medical attention.

- Express concern that if the nine men were arrested solely on account of their peaceful activities for, or links with, the Syrian Centre for Media and Freedom of Expression (SCM), they should be released immediately and unconditionally. Otherwise, they should be charged and tried in accordance with international fair trial standards.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN - FORTSETZUNG

Die syrische Regierung unterhält zahlreiche Sicherheits- und Geheimdienstbehörden. Darüber hinaus ist noch eine Vielzahl eher undurchsichtiger Einheiten aktiv, deren Mitglieder nicht unbedingt Unformen tragen, aber bewaffnet sind. Diese Einheiten handeln offenkundig in Absprache, zumindest aber mit Duldung staatlicher FunktionsträgerInnen und sind für Entführungen, Tötungen und andere Übergriffe verantwortlich. Darüber hinaus hat Amnesty International von Berichten Kenntnis erhalten, denen zufolge bewaffnete Personen Menschen bedrohen, misshandeln und in einigen Fällen auch töten, von denen sie annehmen, dass sie staatlichen Organen angehören oder die Regierung unterstützen.

Mazen Darwish ist Leiter des SMC. Das Zentrum war 2009 von den syrischen Behörden geschlossen worden, hatte aber später seine Arbeit mit Zustimmung der Behörden wieder aufnehmen dürfen. Seitdem hat das SMC eine Reihe von Berichten veröffentlicht, die Anschläge auf Medienschaffende und die Presse sowie unzulässige Einschränkungen des Rechts auf freie Meinungsäußerung dokumentieren. Seit Beginn der Demonstrationen für Reformen in Syrien im März 2011 verzeichnet Amnesty International einen Anstieg der gegen AktivistInnen und MenschenrechtsverteidigerInnen gerichteten Menschenrechtsverletzungen seitens der syrischen Behörden.

Nach Auskunft des SMC sind die weiblichen Mitarbeiterinnen des Zentrums am 18. Februar unter der Auflage frei gelassen worden, dass sie sich zwecks weiterer Ermittlungen täglich in der Zeit von 9.00 bis 14.00 Uhr beim Sicherheitsdienst der Luftwaffe melden. Die Auflage erging gegen Yara Badr, Sanaa Mohsen, Mayada Khalil, Razan Ghazzawi, Rita Dayoub, Maha Assabalani sowie gegen Hanadi Zahlout, eine Besucherin des SMC.


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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-067/2012, AI-Index: MDE 24/019/2012, Datum: 29. Februar 2012 - gs
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. März 2012